Zwangsende des Jobs bei voller Rentenerwartung (II)
Datteln / Herne / Herten. Mitte Februar dieses Jahres wurde Günter-Harald G. aus Herten 63 Jahre alt. Ende Februar erreichte er die Anwartschaft auf seine vollen Rentenbezüge, weil er die vom Gesetzgeber seit dem 1. Juli 2014 als Voraussetzung dafür geforderten 45 Versicherungsjahre erreicht hatte. Doch der Vorarbeiter bei der Dattelner Rheinzink GmbH dachte gar nicht ans Aufhören und wollte gern bis zum 65. Geburtstag weiter arbeiten. Trotzdem zog der Arbeitgeber einen Schlussstrich unter das fast 28 Jahre währende Arbeitsverhältnis und berief sich auf eine Betriebsvereinbarung mit dem Betriebsrat vom 12. November 2014, nach der "das Arbeitsverhältnis eines Arbeitnehmers automatisch mit der Möglichkeit eines solchen (ungekürzten) Rentenbezugs endet."
Eine zulässige und durch Betriebsvereinbarung abgesicherte Regelung oder ein "unzulässiger Eingriff in die Berufsfreiheit und Persönlichkeitsrechte eines Arbeitnehmers", wie das Landesarbeitsgericht Hamm in einem ähnlichen Fall im Januar 2015 entschieden hatte (AZ 7 Sa 1242/14). Für Hernes neuen Arbeitsgerichts-Direktor Dr. Sascha Dewender in seiner ersten Sitzung Mitte April eine "etwas ungewöhnliche Problemstellung", wie er damals im Gütetermin formulierte. Assessor Koch vom Arbeitgeberverband versuchte damals vergeblich, die LAG-Entscheidung mit dem Hinweis zu relativieren, dann könne ein Arbeitnehmer ja auch seine Weiterbeschäftigung bis zum 70. Lebensjahr einfordern. Deshalb auch im Vorfeld der Verhandlung schon der Versuch, sich mit dem von DGB-Justziarin Sullivan vertretenen Kläger außergerichtlich zu einigen. Rheinzink bot G. eine Brutto-Abfindung von 17.000 Euro an.
Doch der Hertener rechnete dieses Angebot auf die zwei Jahre zwischen 63 und 65 hoch. Erstens würden ihm dann 24 weitere Beiträge zur Rentenversicherung fehlen und die monatliche Netto-Differenz zwischen Rente und Bruttogehalt von zuletzt 3.391 Euro brutto sei ebenfalls nicht ausgeglichen. Richter Dr. Dewender setzte daraufhin den Kammertermin zur Entscheidung für den 6. August fest, konnte jetzt allerdings die Akte auch ohne Urteil schließen. Am 3. Juli 2015 schlossen die Parteien einen Vergleich, der dem Ziel des Klägers voll entgegen kommt. Danach endete das Arbeitsverhältnis von G. zwar nach den Buchstaben der Betriebsvereinbarung Ende Februar 2015, doch der Hertener bekommt eine Brutto-Abfindung von 32.000 Euro brutto. Netto bleiben davon 24.200 Euro übrig, mit denen G. die Differenz zwischen Rente und letztem Gehalt in den ersten beiden Rentenjahren voll überbrücken kann. (AZ 4 Ca 768/15)