
Drei Notfallseelsorger berichten über ihre Arbeit
Wenn Hilfe schnell gehen muss
Sie kommen, um Menschen an dem vielleicht schlimmsten Tag ihres Lebens beizustehen: Die Notfallseelsorger. Sie leisten Erste Hilfe für die Seele und begleiten Menschen, die direkt oder indirekt von einem belastenden Ereignis sehr stark betroffen sind und damit an die Grenzen ihrer seelischen Verarbeitungsmöglichkeit gelangen.
Das Team der ehrenamtlichen Herner Notfallseelsorger besteht aus 17 Menschen. Hans Zabel, Sigrid Niehoff und Max Poser sind drei von ihnen. Im Gespräch mit halloherne sprechen sie über ihre Arbeit und warum sie sich gerade für dieses Ehrenamt entschieden haben.
Max Poser wurde erst Mitte April 2023 als Notfallseelsorger berufen. „Ich habe bereits ehrenamtlich in der Suizidprävention U25 in Dortmund gearbeitet. Da ich aber langsam die Altersgrenze von 25 Jahren erreiche und ich weiter in diesem Bereich bleiben wollte, habe ich mich für die Notfallseelsorge entschieden", sagt Poser.
Umfangreiche Ausbildung
Also habe er an dem Ausbildungskursus von insgesamt 100 Stunden teilgenommen. Dazu folgten noch Einsatzpraktika im Rettungsdienst oder bei der Polizei. Im Anschluss an die Ausbildungsphase schließt sich die Hospitation an, in der die Auszubildenden einen erfahrenen Notfallseelsorger auf mindestens drei Einsätzen begleiten können. „Es war eine wirklich umfangreiche Ausbildung. Wir haben alle möglichen Einsatzszenarien kennengelernt und durchgespielt. Es gab eine große Detailtreue", so Poser.

Mit 24 Jahren ist er der jüngste Notfallseelsorger in Herne - die Ausbildung beginnt in NRW mit 23 Jahren. Zunächst habe er großen Respekt vor der neuen Aufgabe gehabt. „Ich habe mir schon Gedanken gemacht, wie es sein wird, mit Einsatzbildern konfrontiert zu sein. Aber durch die Ausbildung sind wir gut gewappnet", sagt der 24-Jährige.
Das bestätigt auch Hans Zabel, der schon seit zwölf Jahren in der Notfallseelsorge tätig ist: „Wir möchten den Auszubildenden, die Zeit geben, die sie brauchen. Jeder kann so lange hospitieren und einen erfahrenen Notfallseelsorger begleiten, wie er oder sie es bracht."
Zabel selbst kam über seine eigentliche Arbeit als Jugendreferent des evangelischen Kirchenkreises zur Notfallseelsorge. „Ich habe den Kursus für die Nothilfe bei Jugendfreizeiten absolviert und bin dabei geblieben. Meine Ausbildung habe ich kurz nach dem Loveparade-Unglück 2010 absolviert. Das hallte noch nach und hat die Ausbildung geprägt", so Zabel.
Notfallseelsorge steht Menschen in akuten Notsituationen bei
Die Notfallseelsorger werden immer von den Leitstellen von Feuerwehr, Rettungsdienst und Polizei in Notfällen angefordert. Dies können Suizide, schwere Unfälle, häusliche Todesfälle oder auch das Überbringen einer Todesnachricht sein.

Die Notfallseelsorger arbeiten in Rufbereitschaft. Diese wird rund um die Uhr an 365 Tagen im Jahr geleistet. Der Tag ist in drei Schichten eingeteilt, die in der Regel acht Stunden dauern. Jeder Notfallseelsorger kann seine Schicht frei wählen, da sie ja möglicherweise noch mit Arbeitszeiten abgeglichen werden müssen.
„Wir stehen Menschen in akuten Notsituationen bei. Wichtig ist auch, wir drängen uns nicht auf und richten uns danach, was die betroffene Person gerade benötigt", berichtet Sigrid Niehoff, die ebenfalls schon seit elf Jahren als Notfallseelsorgerin tätig ist. „Es kann auch sein, dass wir mit den Betroffenen einfach zusammen sitzen und schweigen."
Wichtig ist allen drei Notfallseelsorgern ebenfalls: „Notfallseelsorge steht Menschen in akuten Notsituationen bei: unmittelbar, überkonfessionell und professionell."
Supervision nach Einsätzen
Wie gehen die Notfallseelsorger selbst mit den oft nicht einfachen Schicksalen um? „Es gibt immer wieder Fälle, die dich mitnehmen. Bei mir war es beispielsweise ein schlimmer Unfall, da hat ein Müllwerker versehentlich seinen Kollegen überfahren. Während wir noch hofften und bangten, verstarb dieser auf dem Weg ins Krankenhaus", erinnert sich Hans Zabel.
Bei Sigrid Niehoff war es ein ebenfalls ein tragischer Unfall, bei dem ein Mann während seiner Arbeit in eine Presse geriet: „Damals war ich noch nicht lange dabei und habe einen Kollegen gebeten, mich bei diesem Einsatz zu begleiten. Ich stand dann zunächst vor betroffenen zwölf Kollegen des Mannes und musste zunächst auch erst einmal schlucken. Aber als wir ins Gespräch kamen, löste sich meine Anspannung."

Für die Verarbeitung stehen den Notfallseelsorgern Supervisionen, also eine von externen Psychologen geführte Betreuung, zu. Dabei können sie über das Erlebte sprechen und in Teamsitzungen verarbeiten. In akuten Fällen kann aber sofort nach einem Einsatz das Hilfsangebot in Anspruch genommen werden.
'Der Austausch ist wichtig'
„Der Austausch im Team ist immer super wichtig und bereichernd. Denn nur wir können wirklich verstehen, was ein Einsatz unter Umständen mit einem machen kann. Das ist für Außenstehende manchmal schwierig", sagt Max Poser.
Der nächste Ausbildungskursus startet im Sommer 2023. Interessierte können sich aber jetzt schon an Hans Zabel unter Tel 02325/6611279 wenden. „Jeder kann mitmachen. Es sind nur zwei Dinge entscheidend: Empathie und Stressresistenz. Wichtig ist ebenfalls das Interesse, sich auf Menschen einzulassen", sagt Hans Zabel.
Max Poser ergänzt abschließend: „Ich würde mir wünschen, dass auch vermehrt junge Menschen dieses Ehrenamt ergreifen. Denn es lässt einen reifen und man entwickelt sich menschlich so sehr weiter. Man leistet einen Dienst an den Menschen."