Psychiatrie-Geschichte
Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) schloss jetzt eine Forschungslücke indem er in einem Buch an den Reformaufbruch der sechziger und siebziger Jahre erinnert. Die Sozialarbeiter des LWL entwickelten damals eine therapeutisch, rehabilitativ und gemeindenah ausgerichteten Psychiatrie. Waltraud Matern (89) war Sozialarbeiterin beim LWL. Das nun erschienene Buch Sozialarbeit in der Psychiatrie. Erinnerungen an den Reformaufbruch in Westfalen (1960-1980) basiert auf ihren Schilderungen.
Waltraud Matern berichtet über Etappen der Wohlfahrts- und Psychiatrie-Geschichte auf sowie über spezifische Berufs- und Emanzipations-Erfahrungen von Frauen auf dem Weg von der Fürsorgerin zur Sozialarbeiterin. Die 89-Jährige beschreibt außerdem, welche Mühen es gekostet hat, die damals bestehenden Verhältnisse in der westfälischen Anstalts-Psychiatrie aufzubrechen und zu verändern. "Waltraud Matern hat sich in der Tat als 'Anwältin der Patienten' verstanden und war sich damit ihrer gesellschaftspolitischen Verantwortung stets bewusst", so Prof. Dr. Franz-Werner Kersting, Historiker am LWL-Institut für westfälische Regional-Geschichte und Herausgeber des Buches.
"Nicht nur für die Kranken, sondern auch mit den Kranken wollte ich arbeiten, nicht über sie bestimmen, sondern ihnen bei ihrer Problembewältigung helfen und ihnen Raum für eigene Entscheidungen geben, ganzheitliche Hilfen anbieten, ihre Kommunikation und Selbstbestimmung fördern, Familienkontakte wiederherstellen sowie Kontakte zu Verbänden und Behörden außerhalb der Institution Psychiatrie aufbauen", sagt Waltraud Matern in dem Buch. Die Seniorin arbeitete von 1960 bis 1980 in den damaligen Landeskrankenhäusern und heutigen LWL-Kliniken Lippstadt Eickelborn und Marsberg. Bis zu ihrer Pensionierung 1992 war sie danach in der zentralen Psychiatrie-Beschwerdekommission des LWL tätig.