
Schonungslose Abrechnung mit dem Filmbusiness
Oskar Roehlers 'Bad Director'
Gregor Samsa (gibt bewusst ein Alter ego Oskar Roehlers in Gestik, Mimik, und Auftreten: Oliver Masucci), ein alternder Regisseur Ende 50, liest Oswald Spenglers fatalistisches geschichtsphilosophisches Werk „Der Untergang des Abendlandes“. Er ist eigentlich - auch in beruflicher Hinsicht - ein Mann in seinen besten Jahren, mit denen er aber nichts mehr anzufangen weiß. Die Post-Midlife-Crisis hat den Wohlstandsverwahrlosten fest im Griff, der sich mit Puffbesuchen und überreichlichem Alkoholkonsum abzulenken versucht.
Samsa weilt zur jährlichen Verleihung des Deutschen Filmpreises in Berlin, streunt aber lieber nachts durch die Stadt als sich mit Kollegen und Branchenvertretern auszutauschen. Er kehrt von allem und allen gelangweilt das Arschloch heraus und bürstet eine lokale Journalistin ab: der „Spiegel“ muss es schon sein, wenn er ein Interview geben soll. Andere Promis der Branche wie die exzentrische Schauspielerin Konstanze (Anne Ratte-Polle) verhalten sich kaum anständiger, selbst der hoffnungsvolle Jungstar Fabian Reiter (Elie Kaempfen) geriert sich als reiner Narziss.
'Drei Stunden Scheiße'
Die „Lola“-Prozedur („Drei Stunden Scheiße“) übersteht Gregor nur in betrunkenem Zustand, lästert über andere Preisträger ab („Das Gesicht eines Penners“) und verlässt die Party mit großer Attitüde. Beim Spaziergang durch die nächtliche Hauptstadt macht er vor dem erleuchteten Fenster eines Antiquariates halt: Geradezu feenhaft erscheint ihm ein wunderschöner blonder Engel, den er wenig später ausgerechnet im Bordell wiedertrifft: Grete (Bella Dayne), eine literaturaffine lettische Professoren-Tochter mit abgebrochenem Anglistik-Studium, die er zu seiner sinnlich-intellektuellen Muse auswählt.
Am Kölner Set seines neuen Films läuft von Anfang an alles schief. Gregor kollidiert mit der arroganten Hauptdarstellerin Konstanze, die partout kein naives Weibchen der 1950er Jahre verkörpern will und ihren Agenten (Gabriel von Berlepsch) immer neue Bedenken und Bedingungen formulieren lässt. Aber auch Fabian Reiter weiß die Kostümdesignerin (Barbara Köhler) auf Trab zu halten – mit der Sockenfarbe. Weshalb Samsa der Kragen platzt und er seinen Freund Samuel (Samuel Finzi) bittet, dessen Rolle zu übernehmen. Doch der liegt am Strand und genießt die Sonne des Südens.

Immerhin zeigt sich beim wahnwitzigen Baby-Casting der Regieassistent (Götz Otto) flexibel, sodass der Produzent Sommerwind (Anton Rattinger) und sein Compagnon (Ralf Richter) sich ihn im Notfall als Ersatz für den zunehmend von Alpträumen geplagten Samsa vorstellen können…
Enfant terrible Roehler
Mit „Bad Director“ ist Oskar Roehler, das Enfant terrible unter den deutschen Regisseuren, einmal mehr ganz bei sich. Indem der sich seiner Zunft widmet mit der Verfilmung seines Romans „Selbstverfickung“ aus dem Jahr 2017, einem wütenden Aufschrei um überholte Machtstrukturen und eine große innere Leere. Durchaus auch autobiografisch, wenn auch nicht durchgängig.
Der mit 131 Minuten erhebliche Längen aufweisende Film geht als sarkastische Abrechnung mit der Sinnentleertheit der Medien- und Konsumgesellschaft durch. Auch als hemmungslose Selbstabrechnung einer lächerlichen Figur unter lauter nicht weniger lächerlichen Selbstdarstellern.
„Bad Director“, von Juni bis August 2022 in Berlin und Köln gedreht, sollte ursprünglich am 14. März 2024 in die Kinos kommen, wurde aber erst am Montag (6.5.2024) im Cinenova Köln uraufgeführt. Der Film lebt im Wesentlichen vom ehemaligen Bochumer Schauspieler Oliver Masucci, der auch in seiner nach „Herrliche Zeiten“ (2018) und „Enfant terrible“ (2020) dritten Zusammenarbeit mit Oscar Roehler vor keiner Selbstentblößung zurückschreckt.
Name geht auf Kafkas Erzählung aus 1912 zurück
Der Name der von ihm verkörperten Hauptfigur, Gregor Samsa, geht auf Franz Kafkas Erzählung „Die Verwandlung“ aus dem Jahr 1912 zurück. Deren gleichnamiger Protagonist, ein Handelsreisender, verwandelt sich in ein „ungeheures Ungeziefer“, das sich nicht mehr fortbewegen kann und daher von seiner Schwester Grete versorgt wird, bis ihm die Familie zu erkennen gibt, dass er unerwünscht ist. Noch in derselben Nacht stirbt Gregor Samsa einsam und verlassen.
Zum Kinostart am Donnerstag, 9. Mai 2024 ist „Bad Director“ im Metropolis Bochum, im Roxy Dortmund, in der Galerie Cinema Essen sowie im Metropol Düsseldorf zu sehen.