halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Katherine Newbury (Emma Thompson) in ihrer Late-Nate-Show.

Neu im Kino: Late Night – Die Show ihres Lebens

Katherine Newbury (Emma Thompson) ist eine Vorreiterin, die erste weibliche Late-Night-Talkerin der USA. Und eine Ikone zugleich, denn seit bald 30 Jahren steht ihre Show Tonight with Katherine Newbury für intelligentes Entertainment. Weshalb sich die selbst ernannte Exil-Britin bei der Verleihung des American Humor Awards ausdrücklich bei ihrem treuen Publikum bedankt: im gebührenfreien Kommerz-Fernsehen zählt nur die Einschaltquote, denn die garantiert die Werbeeinnahmen.

Anzeige: Glasfaser in Crange

Der Erfolg hat Katherine nicht umweltverträglicher gemacht. Vom rein männlichen Team der Zuarbeiter ist ihr nur ihre rechte Hand Brad (Denis O'Hare) namentlich bekannt, die anderen Texter werden als Nummern angesprochen – und abgekanzelt, wenn sie etwa nach Familienzuwachs um eine Gehaltserhöhung bitten. Die Erfolgs-Moderatorin hat selbst keine Kinder und gilt als Frauenhasserin. Was fürs Image katastrophal ist, aber bisher hat sie sich nicht um solche Nebensächlichkeiten kümmern müssen, ist auch in den Sozialen Medien nicht aktiv.

Nach ersten Anzeichen eines nachlassenden Interesses besonders beim Unter-30-Publikum muss eine möglichst junge Quotenfrau her. Weshalb Chefautor Tom Campbell (Reid Scott) nicht seinen Neffen Hayes (Luke Slattery) für den rein weißen Männerclub durchsetzen kann, sondern eine junge, völlig branchenfremde und noch dazu gerade aus der Provinz nach New York zu ihrer im wenig angesagten Queens lebenden Tante gezogene indischstämmige Frau mit dunkler Hautfarbe den Zuschlag erhält: Molly Patel (Mindy Kaling).

Molly hat bisher erfolgreich in der Qualitätskontrolle einer Chemiefabrik gearbeitet, die offenbar nicht zufällig zum gleichen Konzern wie der TV-Sender gehört. Sie verehrt ihre neue Chefin seit langem, liebt Comedy und tritt selbst bei Wohltätigkeitsveranstaltungen als Moderatorin auf. Weshalb sie gleich beim ersten Meeting, bei dem sie erst wie eine Außerirdische angestarrt und dann für eine Praktikantin gehalten wird, keine Scheu vor dem maskulinen Arbeitsumfeld hat, das ihr Brad beim Einstellungsgespräch völlig zu recht als „ganz und gar politisch unkorrekt“ beschrieben hat.

Selbst vor Katherine Newbury, die erstmals seit einer Ewigkeit höchstpersönlich zur Konferenz ihres Teams erscheint, hat sie keine Angst, offene Worte zu verlieren – angesichts des drohenden Endes ihrer noch gar nicht begonnenen Karriere: die aus dem Business stammende Programmchefin Caroline Morton (Amy Ryan) hat Katherine unter vier Augen mitgeteilt, dass diese Saison ihre letzte im Sender sein wird. Ihre Show sei nicht mehr relevant, sie selbst wirke mit 56 Jahren zu britisch-trocken und zu intellektuell-überlegen, für das sensationsgierige Publikum sei sie wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Als Nachfolger stehe Daniel Tennant (Ike Barinholtz) bereit und wenn ihr Format nicht sofort moderner, jünger und cooler werde, verlören alle ihre Jobs.

Katherine, die Tennant als weißen Macho, Rassisten und Nationalisten, kurz: als so dummdreist wie der amtierende US-Präsident Donald Trump, kennt, nimmt Mortons Kritik erst ernst, als sie daheim von ihrem Mann Walter Lovell (John Lithgow) bestätigt bekommt, dass ihre Quote seit zehn Jahren kontinuierlich in den Keller geht. Er ermuntert sie, um ihren Job zu kämpfen – mit Hilfe des Publikums. Und mit Hilfe von Molly, die wie in der Industrie gelernt sofort mit der Analyse beginnt statt mit der Hiobsbotschaft zu hadern. Auch Mollys Meinung nach gibt es Luft nach oben - für die Show, die abgehoben in ihrer eigenen Blase arbeitendenTexter, die zum großen Teil noch nie das Aufnahmestudio in Betrieb gesehen haben, und die Moderatorin: die Themen müssten näher dran sein an den Zuschauern und Katherine müsse mehr Präsenz und Persönlichkeit zeigen, im übrigen auch in den von ihr so verabscheuten Sozialen Medien.

Der erste Versuch geht voll nach hinten los: Widerwillig hat Katherine mit Mimi Mismatch (Annaleigh Ashford) eine angesagte YouTuberin in ihre Show eingeladen – und macht sich im Live-Gespräch über ihre Tiervideos lustig. Der Gast fühlt sich veräppelt und zahlt mit gleicher Münze zurück: Vor laufender Kamera beschimpft sie die Moderatorin als alte, überhebliche und verbitterte Ziege. Nachdem die Bilder dieses Skandals in Sekundenschnelle um die Welt gegangen sind, muss Katherine Abbitte leisten und daheim für die Medien eine Party geben. Auf der Molly neuen Mut fasst, nachdem sie mit dem an Parkinson erkrankten Walter Lovell über seine Gattin Katherine, die Show und ihre eigene Außenseiter-Rolle als Landei im Big Apple gesprochen hat.

Mit so ironischer wie schlagfertiger Eloquenz bessert sie das Negativ-Image ihrer Chefin bei der Beantwortung missliebiger Journalistenfragen auf. Dennoch wird sie schon am nächsten Tag gefeuert – weil sie es ablehnt, Überstunden zu machen: Sie hat einen Stand-up-Auftritt bei einer Wohltätigkeitsveranstaltung zugesagt. Katherine, perplex über Mollys Mumm zum offenen Widerstand, verfolgt heimlich ihre Vorstellung – und lädt sich dann selbst als Überraschungsgast ein. Der so unnahbar wirkende Medienstar öffnet sich, zeigt Schwächen, wird in den Augen des begeisterten Publikums zum verletzlichen Menschen.

Katherine taut nun auch vor der Kamera im Studio auf, wendet sich spontan ans Publikum, traut sich an Außendrehs und zeigt Empathie für ihre Gesprächspartner. Als sie Tennant als ihren Nachfolger präsentieren soll, führt sie den Möchtegern in ihrer Show live als Totalversager vor. Caroline Morton kann gar nicht anders, als den Vertrag mit dem „Tonight“-Team zu verlängern. Mitten in die feucht-fröhliche Feier platzt eine Bombe: Katherines drei Jahre alte Affäre mit dem ihr untergebenen Autor Charlie Fain (Hugh Dancy) macht die Runde in den Sozialen Medien…

Anzeige: Spielwahnsinn 2024

Late Night wirft einen sehr realistischen Blick hinter die Kulissen wohl nicht nur der amerikanischen Unterhaltungsindustrie. Was daran liegt, dass die Schauspielerin, Autorin und Produzentin Mindy Kaling wie ihre Filmfigur Katherine Newbury als Pionierin in der männlich dominierten Branche gilt: Als erste Farbige und als erste Frau überhaupt zählte sie zum Autorenteam der erfolgreichen Sitcom „The Office – Das Büro“, entwickelte daraufhin ihre eigene Serie „The Mindy Project“ und verfasste zwei Bestseller. Aber auch ihre Titeldarstellerin Emma Thompson ist vom Fach: Die zweifache Oscar-Preisträgerin (1992 für „Wiedersehen in Howards End“, 1995 für „Sinn und Sinnlichkeit“) begann ihre Karriere mit Sketchshows im britischen Fernsehen und eigenen Stand-up-Programmen, die Thompson selbst als „militant feministisch“ bezeichnet. Uraufgeführt am 25. Januar 2019 auf dem Sundance Film Festival in Utah/USA, kommt „Late Night – Die Show ihres Lebens“ am 29. August 2019 bundesweit in unsere Kinos, darunter auch Casablanca und Union Bochum.

| Autor: Pitt Herrmann