
Stadt sucht dringend weitere Pflegeeltern
Liebe auf Zeit - Kindern ein Zuhause geben
Es kommt immer wieder vor, dass ein Kind nicht in seiner leiblichen Familie aufwachsen kann und auf Dauer oder aber nur für eine begrenzte Zeit in einer Pflegefamilie untergebracht werden muss. Die Entscheidung darüber, die macht sich niemand wirklich leicht. Aber es kann immer wieder Lebenssituationen geben, die es den leiblichen Eltern unmöglich macht, ihrem Kind die Sicherheit und die Liebe zu geben, die einer gesunden Entwicklung förderlich sind.
Gründe, warum es so weit kommt, die sind vielfältig: Wirtschaftliche oder soziale Krisen, psychische Krankheiten oder Suchtprobleme. Eltern können aufgrund von Scheidung, Trennung oder Arbeitslosigkeit ebenfalls in eine Krise geraten und sich nicht mehr in der Lage sehen, für ihr Kind zu sorgen. Auch ein Todesfall, eine Erkrankung oder ein Unfall können Eltern in ihrem alltäglichen Leben überfordern.
Verschuldet oder ohne Schuld: Können Menschen keine verlässlichen und guten Eltern mehr sein, muss gehandelt werden. Dann steht die Entscheidung an, das Kind in eine Pflegefamilie zu geben. In eine Familie, die dem Kind Liebe, Fürsorge und Strukturen geben kann, aber auch Stabilität und Halt. Alles Dinge, zu der die leiblichen Eltern nicht (mehr) in der Lage sind.
Bei einem Pressegespräch am Dienstag (26.4.2022) erklärt der Teamleiter des Kinderpflegedienstes im Fachbereich Kinder-Jugend-Familie, Andreas Bull, die Situation der Pflegefamilien in Herne: „Grundsätzlich suchen wir immer Familien, die bereit sind Kinder in Notsituationen aufzunehmen. Wir suchen Familien, die Kinder langfristig aufnehmen, aber auch Familien, die sich für eine Bereitschaftspflege entscheiden. Also Familien, die Kinder aus einer Krisensituation heraus aufnehmen.“
Bereitschaftspflegefamilien
Muss ein minderjähriges Kind durch das Jugendamt aus seiner leiblichen Familie herausgenommen werden, so muss es Familien geben, die Tag und Nacht bereitstehen, ein solches Kind in Obhut zu nehmen. In der Bereitschaftspflegefamilie bleiben die Kinder für einen begrenzten Zeitraum, bis ihr weiterer Verbleib geklärt ist. Natürlich wird auch geschaut, ob das Kind in seine Herkunftsfamilie zurückkann, ist das nicht der Fall, dann wird über eine Dauerpflege nachgedacht. Im Idealfall sollte ein dreimonatiger Verbleib in der Bereitschaft nicht überschritten werden.
Dauerpflegefamilie

Bei einer Dauerpflegefamilie wird ein Kind mit einer längerfristigen Lebensperspektive untergebracht. Hier bleibt das Kind unter Umständen auch bis zur Volljährigkeit. Manchmal käme es auch vor, dass Kinder aus einer Pflegefamilie wieder zu ihrer Herkunftsfamilie zurückkehren. Denn der Kontakt zu den leiblichen Eltern, der soll nach Möglichkeit die ganze Zeit über gehalten werden. „Allerdings gibt es manchmal auch Strukturen, da erkennen wir, dass den Kindern der Kontakt nicht gut tut, dann brechen wir ihn zum Wohle des Kindes ab“, erklärt Andreas Bull. Der Kinderpflegedienst würde in diesem Fall den Kontakt zu Eltern aufrecht erhalten und die leiblichen Eltern über die Entwicklung ihres Kindes informieren - wenn gewünscht.
Familien werden gesucht
Derzeit gäbe es zehn Bereitschaftspflegefamilien mit insgesamt 18 Plätzen, erläutert Andreas Bull: „Wir suchen dringend Familien, die bereit sind, sich diesen Aufgaben zu stellen und einem Kind ein Zuhause auf Zeit zu geben. Zu den 18 Plätzen kommen noch fünf sogenannte Notfallplätze, aber im Augenblick sind alle Plätze belegt.“
Das sei ein riesiges Problem und stelle seine Kollegen vom Sozialen Dienst immer wieder vor eine große Herausforderung. „Muss ein Kind, aus welchen Gründen auch immer, zum Beispiel mitten in der Nacht aus seiner Herkunftsfamilie geholt und anderweitig untergebracht werden, so kann es durchaus vorkommen, dass die Kollegen Stunden damit beschäftigt sind, einen Platz zu finden. Das kann so nicht sein.“
Die Aufnahme des Kindes umfasst die Versorgung, die Betreuung eines eventuell hochbelasteten Kindes, dem in der „neuen“ Familie Sicherheit durch Alltagsstruktur gegeben werden soll. In Idealfall würde auch immer geschaut, was ist es für ein Kind: „Kinder sind verschieden, sie kommen aus den unterschiedlichsten Situationen und genau so unterschiedlich sind auch ihre Bedürfnisse und die Anforderungen an die Eltern. Es ist ganz wichtig: Wir suchen immer Eltern für die Kinder und nicht umgekehrt.“ Daher wäre es gut, wenn sich viele Menschen für eine Pflege bereit erklären würden, damit eine gewisse Auswahl bestünde.

Gesucht würden allerdings auch Bereitschaftspflegefamilien, die sich vorstellen können, ein einzelnes Kind, das sich in einer besonderen Situation befindet, für zwei bis drei Jahre aufzunehmen.
Pflegevater Björn erzählt
„Wir sind eine Dauerpflegefamilie“, stellt sich Pflegevater Björn beim Pressegespräch am Dienstag (26.4.2022) vor. Wobei Björn nur ein Teil der Pflegefamilie ist, seine Frau Karin (Namen von der Redaktion geändert) ist verständlicherweise zu Hause bei den Kindern. Vier Kinder hätten sie im Augenblick in Pflege. Ein eigener Sohn sei mittlerweile schon aus dem Haus. Einem Haus, das in der Nachbarstadt liegt und über einen riesigen Garten verfüge. Seit vielen Jahren nehmen Björn und Karin Kinder bei sich auf, die es nicht so gut getroffen haben im Leben. „Wir sind aber auch Bereitschaftspflegefamilie und stellen zudem auch einen Notpflegeplatz bereit. Insgesamt haben wir in den Jahren gut 66 Kinder aufgenommen und auf Zeit betreut“, erzählt er mit viel Warmherzigkeit in der Stimme und einem Lächeln im Gesicht.
Denn dass seine Frau ihn vor Jahren in diese Art der Pflege geschubst hätte, das sei ein Glücksfall gewesen. Sicherlich sei einiges im Laufe der Jahre auch auf der Strecke geblieben, so gäbe es Freunde, da sei der Kontakt ganz abgebrochen: „Es fehlt einfach die Zeit. Aber Stand heute kann ich sagen: Pflegefamilie zu werden, das ist das Schönste, was ich in meinem Leben gemacht habe.“ Es füllt sie aus. Dabei sei ihnen auch ihr 'Lebensinhalt' begegnet: „Im Jahr 2016 kam ein kleines Mädchen im Alter von fünf Monaten in einer Notfallsituation zu uns, das ist heute unser Dauerpflegekind und unser absoluter 'Lebensinhalt'.“
Überhaupt könne er über die Zeit mit „ihren“ Kindern nur Positives berichten. Wichtig sei es aber auch, neben aller Liebe, die sie den Kindern geben - und auch zurückbekommen - eine gewisse Distanz zu wahren. „Wir achten darauf, dass die Kinder uns nur mit Vornamen anreden und nicht mit Mama und Papa, auch wenn die Kinder das manchmal wollen“, erzählt Björn. Die Kinder blieben bei ihnen zwischen einigen Tagen bis einigen Monaten.
Wer kann eine Pflege übernehmen?
Grundsätzlich können sich Menschen um eine Pflege bewerben, die den Kindern Liebe und Geborgenheit geben wollen. Dafür müssen allerdings im Vorfeld einige Dinge geklärt werden: So dürfen sie keinen (frischen) Eintrag im Führungszeugnis haben; sie dürfen keine lebensverkürzenden Krankheiten haben und müssen dies mit einem ärztlichen Attest belegen; sie müssen eine Schufa-Auskunft vorweisen; und in ihrer Wohnung bzw. im Haus sollte dem Kind ein eigenes Zimmer zur Verfügung stehen. Sind diese Voraussetzungen gegeben, dann gibt es pädagogische Termine mit dem Team vom Pflegekinderdienst - Einzeltermine und auch Schulungen.
Wer sich vorstellen kann, eine Pflegschaft zu übernehmen, der kann Kontakt mit Andreas Bull aufnehmen: Tel 02323 / 16-3632 oder per Mail .