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v.l. Erfüllung in der Mutterschaft: Lukas von der Lühe, Veronika Nickl, Jing Xiang und Michael Lippold.

Heiterer Saisonstart in Bochum

Früchte der Vernunft

Heiterer Saisonauftakt in Bochum mit großer Schauspielkunst – weil das scheinbar Leichte doch so schwer zu machen ist: Vom Q-teatteri Helsinki hat Saara Turunen ihr dort 2022 in eigener Inszenierung uraufgeführtes Stück „Järjen hedelmät“ mitgebracht samt der Guckkasten-Tristesse von Mija Aho (Bühne), Roosa Marttiini und Siru Kosonen (Kostüme). Die Deutschsprachige Erstaufführung des nun „Früchte der Vernunft“ genannten Stücks in Anlehnung an „Früchte des Zorns“, wobei der Inhalt mit John Steinbecks Roman aber auch gar nichts zu tun hat, ist nach „Das Gespenst der Normalität“ (2021) bereits die zweite der 42-jährigen finnische Romanautorin, Dramatikerin und Regisseurin an der Königsallee.

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Fakten, Fakten, Fakten: Drei Frauen. Zwei Männer. Eine eiförmige Küchenuhr. Ein Weißstorch, der die Babys bringt - angeblich. Ein spärlich eingerichteter Raum, gedeckte Farben, Nachkriegs-Moderne. Fünf Darsteller in 15 Rollen. Dreißig zumeist kurze Szenen binnen pausenlosen einhundert Minuten. Stehende Ovationen des enthusiasmierten Premierenpublikums am 1. September 2023 für Anna Drexler, Michael Lippold, Lukas von der Lühe, Veronika Nickl und Jing Xiang.

Die locker miteinander verbundene Szenenfolge startet mit der „Reise nach Jerusalem“, Anna Drexler („Kinderlose Frau“) fliegt als Erste ‘raus – und erhält vom kleinen süßen Mädchen (zum Niederknien: der lange Lulatsch Lukas von der Lühe auch als gieriges Muffin-Monster beim Kindergarten-Fasching) ein Ei als Trost. Das sich als eiförmige Uhr entpuppt: Sie erinnert die junge, an ihrer beruflichen Karriere bastelnde Angestellte, die sich selbst beim hektischen Tippen in den Laptop mit der Kinderfrage konfrontiert sieht, daran, dass ihre biologische Uhr unaufhaltsam tickt – und schneller als erwartet abläuft.

v.l. Das Muffinmonster beim Kindergarten-Fasching: Michael Lippold, Lukas von der Lühe, Jing Xiang und Anna Drexler.

Dagegen findet die daheim auf dem Sofa strickende Mutter (Veronika Nickl) gute Gründe, Kinder ermüdend zu finden: die Ordnungsfanatikerin würde sie am liebsten hinter Glas stecken, damit sie keine Dummheiten anstellen können. Die Genuss suchende Frau (Jing Xiang) hat herausbekommen, dass ihr Mann sich heimlich Sexvideos anschaut. Sie fühlt sich unsicher, ob sie noch attraktiv genug für den Gatten ist – und schaut sich ihre „Konkurrenz“ in den Pornofilmen an: Mit dem einmal mehr großartigen Lukas von der Lühe als vollbusiger Sexbombe kann sie freilich nicht mithalten.

Selbst besagte Mutter, die ihrem Gatten (Michael Lippold) auch noch das letzte bisschen Hausarbeit abnimmt, weil sie seine womöglich absichtsvoll dilettantischen Versuche nicht länger mitansehen kann, legt das Maßband um ihre Taille und zählt die Kalorien. Der Drang zur Selbstoptimierung kennt fast keine Grenzen: Esoterik, Schamanentum – oder doch Mutterschaft?

Solch‘ lakonisch trockener Humor über das gesellschaftliche Außen- und das vielfach medial beeinflusste Selbstbild der Frauen durchzieht den ganzen assoziativen, durch vielfach ironische Bildmetaphern mit nur wenigen Worten auskommenden Abend. Nach Saara Turunens eigener Aussage steckt auch viel Autobiographisches in den Episoden, in denen es um den weiblichen Körper geht, um Fruchtbarkeit und Kinderlosigkeit, um kirchliche Moral und eigenes Schamgefühl, letztlich um Vernunft in Konkurrenz zu sinnlicher Lust beim Essen wie in der Liebe. Weshalb der Wiedererkennungwert (nicht nur) beim weiblichen Publikum hörbar enorm ist.

Die nächsten Vorstellungen in den Kammerspielen des Schauspielhauses Bochum

  • Sonntag, 10. September 2023, 19 Uhr
  • Sonntag, 24. September 2023, 17 Uhr
  • Sonntag, 1. Oktober 2023, 19 Uhr (10-Euro-Tag)
  • Mittwoch, 25. Oktober 2023, 19:30 Uhr
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Karten

Karten unter schauspielhausbochum.de oder Tel. 0234 – 33 33 55 55.

Oktober
25
Mittwoch
Mittwoch, 25. Oktober 2023, um 19:30 Uhr Schauspielhaus Bochum , Königsallee 15 , 44789 Bochum
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  • Sonntag, 10. September 2023, um 19 Uhr
  • Sonntag, 24. September 2023, um 17 Uhr
  • Sonntag, 01. Oktober 2023, um 19 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann