
Geschichte über ein ungewöhnliches Paar neu im Kino
Film 'Le Prince'
Monika Albrecht (Ursula Strauss) landet bei der Fahndung nach einer Feierabend-Zigarette, die Mittvierzigerin hat gerade eine Vernissage in der Kunsthalle hinter sich, im Frankfurter Bahnhofsviertel – und auf dem harten Boden eines Hinterhofes. Denn vorn in Deni’s Bar, wo sich Afrikaner vornehmlich aus den ehemals französischen Kolonien treffen, läuft gerade eine Polizei-Razzia. Und Joseph Badibanga (der aus dem Kongo stammende Pariser Star-Rapper Passi Balende) hat keine für die Mainmetropole gültigen Papiere, weshalb er sich mit einem Sprung hinter die Mülltonnen rettet – und buchstäblich auf Monika landet.
Die Kunsthistorikerin und Kulturmanagerin, die als freie Kuratorin an der Kunsthalle tätig ist, wo ihr Chef und „Ex“ Peter (Alex Brendemühl) gerade auf dem Absprung zur großen Karriere ist, zeigt sich fasziniert vom gut aussehenden, um einiges jüngeren und dennoch Gelassenheit ausstrahlenden Geschäftsmann, der Investoren für eine Diamantenmine in seiner Heimat Kongo sucht und sich bis dahin mit windigen Partnern wie Ambara (der Automechaniker Nsumbo Tango Samuel gehört zu zahlreichen Laien im Cast) und Vladimir (Denis Mpunga) auf zwielichtige Geschäfte einlässt.
Während ihre Freundin, die Juristin Ursula (Victoria von Trauttmansdorff), die bevorstehende berufliche Neuorientierung als Chance sieht, weiß Monika um ihre Probleme bei der Bewerbung als Kunsthallen-Leiterin: Ohne ihren Mentor Peter fühlt sie sich nicht selbstbewusst genug, um Allianzen zu schmieden, etwa mit dem Sammler-Ehepaar Michael (Hanns Zischler) und Judith Schmidt-Fournier (Tatjana Pasztor), das in der Findungskommission Gewicht hat.
Nicht amüsiert über den Gast
Als Ursula und ihr Gatte, der Hochschulprofessor Martin (Tobias Lenel) erweist sich auch als vorzüglicher Ossobuco-Koch, zum Abendessen einladen, ist Peter nicht amüsiert, dass Monika ihren „Neuen“ Joseph mitbringt. Und Letzterer nicht, weil der intellektuelle Diskurs auf Deutsch geführt wird, dem er nicht nur sprachlich nicht gewachsen ist.
Das Gespräch wird endlich auf Englisch geführt (deutsche Untertitel auch bei Französisch und dem afrikanischen Lingala), als es um seine Geschäftstätigkeit geht. Das Wort „Blutdiamanten“ hält Joseph für eine Erfindung der Juden – und schon verstummt die sich so aufgeklärt und weltoffen gebende Runde. Danach ist er von der Bildfläche verschwunden, auch seine Wohnung ist leer. Aber nicht nur aus Verständigungsschwierigkeiten: Monika zahlt 2.000 Euro Anwaltskosten, um Joseph aus dem Gefängnis holen zu können. Sogleich entflammt die Liebe neu: Er zieht bei ihr ein, sie sorgt für Papiere und ist bereit, ihn zu heiraten. Sie leiht sich von ihrer Freundin sogar 10.000 Euro, damit Joseph aus einem kriminellen Geschäft aussteigen kann.
Vor Bürgerkrieg geflüchtet
Und dann das: Joseph, der in seiner Heimat so etwas wie ein Prinz gewesen ist, bevor die Familie vor dem Bürgerkrieg nach Angola flüchtete, führt mit seinen Freunden wie Dede (Dede Muckendi War Muckendi) und Goffer (Gaulthier Victor Mavinga) daheim das große Wort, bezeichnet Monika ihnen gegenüber offen als seine Geldbörse und ist nicht bereit, sein bisheriges Leben aufzugeben. „My father was colonized, I am not“ wehrt sich Joseph in seinem Bedürfnis nach Respekt und Selbstbestimmtheit gegen aus seiner Sicht allzu europäisch anmutende Ansprüche Monikas.

Er verabredet im Restaurant von Cali (Celiste Stula) mit Vladimir und dessen gerade aus Paris eingeflogener mondäner Gattin Donna Angela (die Entwicklungshelferin Charlotte Ndamm-Njikoufou) ein neues Geschäft – diesmal mit China in der Getränkebranche. Monika zieht die Reißleine: Sie lässt den Standesamtstermin platzen und trifft sich mit dem (sich selbst spielenden) schottischen Video-Künstler Douglas Gordon, dessen Frankfurter Ausstellung sie kuratiert.
Langfilm-Debüt
Das ist nach gut zwei Stunden freilich noch nicht das Ende des als postkoloniales Melodram angekündigten Langfilm-Debüts der Regisseurin Lisa Bierwirth, die mit dem in Gelsenkirchen geborenen Drehbuchautor Hannes Held bereits während ihres Studiums an der Deutschen Film- und Fernsehakademie Berlin (dffb) drei Kurzfilme realisiert hatte. Nach der Uraufführung am 20. August 2021 bei den 55. Int. Filmfestspielen im tschechischen Karlovy Vary (Karlsbad) kommt „Le Prince“ am 30. September 2021 in unsere Kinos, in unserer Region in die Galerie Cinema Essen und ins Düsseldorfer Bambi.
Ein Melodram ist aus diesem von der Geschichte ihrer Mutter beeinflussten Film Lisa Bierwirths glücklicherweise nicht geworden: der Blick wird frei für die Fallstricke einer europäisch-afrikanischen Liebesbeziehung. Die Regisseurin im Port au Prince-Presseheft: „Der Film stellt ganz klar die romantische Vorstellung in Frage, dass Liebe alle Grenzen überwinden und gesellschaftliche Konventionen außer Kraft setzen kann. Stattdessen könnte man fragen, ob es nicht ein Luxusgut ist, eine Liebe leben zu können.“