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Die Cool Cat im SUV - oder doch im Suff?

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase

Falscher Verdacht

Unlängst ging ein schlimmer Unfall in Berlin durch die Medien – ein dicker SUV hatte 4 Menschen überfahren und getötet. Die Republik echauffierte sich sogleich und ausgiebig über die Gefährlichkeit dieser Fahrzeugkategorie. Dabei war es nicht dieser Fahrzeugtyp, der zu dem Unfall geführt hatte. Tatsächlich hatte der Fahrer wohl einen epileptischen Krampfanfall erlitten. Am 02.10.2019 kam es bei uns in Herne auf der Bladenhorster Straße (halloherne berichtete) zu einem Unfall mit 3 Schwerverletzten. Ursächlich war nach Angaben der Polizei wahrscheinlich auch hier ein Krampfanfall. Zum Glück kam niemand ums Leben und es wurden „nur“ 3 Fahrzeuge am Straßenrand massiv beschädigt. Hätten Fußgänger im Wege gestanden, wären die Folgen wohl nicht viel weniger schrecklich gewesen wie in Berlin. Allerdings – ein SUV war nicht beteiligt.

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Ursächlich für beide Unfälle war ein medizinischer Notfall, nämlich ein epileptischer Krampfanfall. Diese Ursache wurde bei der Berichterstattung und Kommentierung der Berliner Tragödie aber nur am Rande erwähnt. Im Focus stand vor allem der dicke Porsche Cayenne und die Frage, ob man derartige Autos in den Innenstädten nicht überhaupt verbieten solle. Das eigentliche Problem aber, nämlich die Teilnahme von Menschen, deren gesundheitliche Einschränkung ein Risiko für den motorisierten Straßenverkehr darstellen könnte, wurde so gut wie gar nicht erwähnt.

Es liegt mir fern, SUVs zu verteidigen. Autos der Kategorie Porsche Cayenne sind als Stadtfahrzeuge wenig geeignet. Stellt man ihre Transportkapazität ins Verhältnis zu ihrem Kraftstoffverbrauch, stehen sie ganz schlecht dar. Außerdem beanspruchen ihre Besitzer nicht selten 2 Parkplätze im Parkhaus. Aber man sitzt deutlich erhöht und kann sich so erhaben über das niedere Volk im Kleinwagen fühlen. Das dürfte für viele auch der eigentliche Grund sein, ein derartiges Gefährt zu bevorzugen. Für Psychologen ist das ein interessantes Forschungsgebiet. Nur – ob dies ein erhöhtes Unfallrisiko bedeutet, erscheint mir höchst fraglich. Eine erhöhte Sitzposition hat man auch in Vans wie dem VW Touran oder in einem Kleintransporter. Besonders letztere fallen mir vielfach durch eine besonders aggressive Fahrweise auf. Viel leichter als SUVs dürften sie auch nicht sein. Die Häufigkeit ihrer Beteiligung an Unfällen ist beträchtlich. Trotzdem kommt niemand auf den Gedanken, Kleintransporter in Innenstädten zu verbieten.

Vor Jahren verlangte ein Patient, er ging schon auf die 80 zu, von mir ein Attest, das ihm die uneingeschränkte medizinische Tauglichkeit zum Führen eines Kfz bescheinigen sollte. Er war zuvor wohl noch im Besitz eines Führerscheins Klasse 2 gewesen und hatte bei einem privaten Umzug geholfen. Mit dem angemieteten Lkw hatte er in einer engen Straße ein anderes Fahrzeug beschädigt. Das Straßenverkehrsamt hatte daraufhin seinen Führerschein eingezogen und ein entsprechendes Attest verlangt. Ich konnte diesen alten Herrn davon überzeugen, dass er seinen gesamten Bedarf an persönlichem Transportbedürfnis mit einem Taxi bestreiten und trotzdem noch Geld sparen kann.

Nun ist eine uneingeschränkte Attestierung, egal für welche Art von Tauglichkeit, kaum möglich und schon gar nicht ohne umfassende Diagnostik, die die Möglichkeiten einer Hausarzt- oder Internistenpraxis bei weitem übersteigen würde. Falls ein Arzt dem Unfall-Fahrer aus Berlin eine uneingeschränkte Tauglichkeit zum Führen eines Kfz bescheinigt haben sollte, möchte ich nicht in seiner Haut stecken. Abgesehen davon, dass er wohl eine Mitschuld am Tod von 4 Menschen trägt, könnten ihm existenzvernichtende Schadensersatzansprüche drohen.

Normalerweise verlangt jedoch niemand ein Attest über die Fahrtauglichkeit, solange das Straßenverkehrssamt keine Zweifel anmeldet. Und so fahren Hunderttausende, ob mit SUV, Transporter oder Kleinwagen, auf unseren Straßen herum und gefährden in höchstem Maße andere Verkehrsteilnehmer. Gerne wird dann erwogen, die Ärzte in die Pflicht zu nehmen, um ggf. verkehrsgefährdende gesundheitliche Einschränkungen zu melden. Das allerdings würde das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient aufs massivste belasten. Wer würde schon einen Arzt aufsuchen, wenn er damit rechnen müsste, dadurch seine Fahrerlaubnis zu verlieren. Nein, im Grunde gibt es zu einer regelmäßigen behördlichen Überprüfung der Fahrtauglichkeit eigentlich keine wirkliche Alternative. Das allerdings würde unsere autoverrückte Gesellschaft ebenso wenig tolerieren wie die Automobilwirtschaft.

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Mir ist bei alledem völlig klar, dass, nachdem ich das 70. Lebensjahr überschritten habe, auch mein Führerschein zur Disposition stehen könnte. Neben dem Alter gibt es – siehe Berlin und Herne – multiple verkehrsgefährdende gesundheitliche Einschränkungen, um die sich niemand etwas schert, bis es zu Katastrophe kommt. Selbst dann verdächtigt man eher den SUV als den epileptischen Krampfanfall.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey