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v.l. Dietmar Jäkel, Sabine von der Beck, Martin Tönnes.

Einsatz für bessere Mobilität im Ruhrgebiet

Martin Tönnes, Beigeordneter für Planung des Regionalverbandes Ruhr (RVR), war am Mittwoch (20.2.2019) zu Gast im Grünen Zentrum in Herne Mitte. Hier traf sich der Offene Arbeitskreis Mobilität (OAK) der Herner Grünen mit rund 20 interessierten Gästen. Verwaltet von drei Bezirksregierungen in Arnsberg und Münster (Westfalen) sowie Düsseldorf (Rheinland) bieten die elf kreisfreien Städte und drei Landkreise des Ruhrgebiets mit weiteren 42 Städten und Gemeinden auf weit über viertausend Quadratkilometern alles andere als eine Einheit, die für gemeinsame Interessen auch gemeinsam an einem Strick ziehen.

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Das merkt der nicht autofahrende Bürger allein schon an den vielen Ungereimtheiten im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) und dazu auch im schienengebundenen Personennahverkehr (SPNV). „Kein Wunder, dass man von Essen aus schneller nach Barcelona kommt als nach Dinslaken-Lohberg,“ wie Martin Tönnes zum Auftakt seines engagierten Referats mit dem etwas sperrigen Thema Ein Mobilitätskonzept für das Ruhrgebiet einstimmte.

Verantwortung der Politik

Zwölf Städte und Gemeinden wie beispielsweise Bergkamen, Herten oder Kamp-Lintfort ohne Bahnanschluss oder eine Stadt wie Waltrop zwischen Dortmund und Recklinghausen, die einen Bahnhof hat, ohne dass dort trotz vorhandenen Schienennetzes überhaupt ein Zug hält, wie ein Zuhörer ergänzte, zeugen nach Ansicht des RVR-Planers von Fehlern der Vergangenheit, die nur schwer behoben werden könnten. Und wenn, wie oft zitiert, das Beispiel Berlin als Vorbild für den öffentlichen Verkehr herangezogen werde, dürfe nicht vergessen werden, dass dort pro Bürger jährlich 60 Euro Zuschuss als Förderung vor allem für den Ausbau des S-Bahnnetzes fließen, während es im Ruhrgebietgerade mal 15 Euro seien, erinnerte Tönnes die Politik an ihre Verantwortung für die Verbesserung der Verkehrsstruktur.

Täglich 50.000 Autofahrten weniger

Autos verstopfen die Straßen.

Darum bemüht sich der RVR schon über zwei Jahrzehnte, ließ Tönnes auch eine Reihe erfolgreicher Verbesserungen Revue passieren. So sei das angepeilte Radverkehrsnetz von 1.808 Kilometern an Rhein, Ruhr und Lippe schon fast zur Hälfte Wirklichkeit, und ein weiterer Ausbau auf 1.337 km sei auch schon finanziert. Sichtbar sind diese in Radschnellweg ( 4 m plus 2 m für Fußgänger). Radhauptweg (3 m plus 1,5 m Fußgänger) und normale Radverbindungen unterteilten Verkehrsachsen für Fahrräder am Ruhrtalradweg, dem Radschnellweg Mittleres Ruhrgebiet oder an der nördlichen Römer-Lippe-Route. Ziel dieses Konzepts Mobilität für Alle mit gleichberechtigter Teilhabe für alle Verkehrsteilnehmer sei zum Beispiel eine Verringerung der „täglichen Autofahrten im Ruhrgebiet um 50.000". RVR-Planer Tönnes erinnerte in diesem Zusammenhang die Verkehsplaner der einzelnen Städte und Gemeinden daran, „dass das Fahrrad in Zukunft ein vollwertiges Verkehrsmittel sein muss.“ Allein die technischen Veränderungen, die sich bei den sogenannten Pedelecs auch in der Geschwindigkeit niederschlagen, riefen nach „Innovationen“ vor allem in der innerstädtischen Verkehrsführung.

Autos aus den Innenstädten raus

Autos raus aus den Städten - Fahrräder rein.

Für vier Räder sei in absehbarer Zukunft in den Innenstädten kein Platz mehr, ging Tönnes auch auf die mögliche Einführung einer City-Maut ein, wie sie in London und mehreren Großstädten der Niederlande schon üblich sei und dort ausschließlich der Verbesserung der Verkehrssituation diene „und nicht im Haushalt verschwindet.“ Im Ruhrgebiet, so Tönnes weiter, verharrten die Gemeinden allerdings bei den niedrigen Parkgebühren aus Angst vor der Konkurrenz der Nachbarstädte seit über zwei Jahrzehnten „in einer Art Schockstarre“, während die Ticketpreise für den nach wie vor unzulänglichen ÖPNV Jahr für Jahr steigen würden. Auch vielleicht ein Grund, warum die Hälfte der nur rund zehn Prozent der Ruhrgebietsbevölkerng, die den Nahverkehr nutzen ("Eine Zahl, die mich umgehauen und erschreckt hat") bei nur gelegentlichen Fahrten mit Bahn und Bus Einzeltickets löst, die aber aus verständlichen Gründen für zu teuer hält. Zwischen Zeitkarten und Einzel- oder Vierertickets müsse es auch Alternativen wie beispielsweise Wertkarten mit einem deutlich günstigeren Preis geben, die man als Guthaben einfach „abfahren“ könne.

Fracht- und Lieferverkehr

Nun, es geht auch etwas moderner.

Die Punkte Fracht- und Lieferverkehr kamen ebenfalls auf den Thementisch. Das Ruhrgebiet mit seinen guten Ost-West-Verbindungen sei auf der Straße ein wichtiger Faktor für den Lieferverkeh zwischen Rotterdam und dem Osten bis nach Polen „Und ein Container auf dem Lkw ist schneller in Polen als mit der Bahn, die auf diesem Weg aufgrund drei verchiedener Bahnsysteme als Konkurrent zeitlch nicht mithalten kann,“ nannte der Planer ein täglich auf den drei Ost-West-Autobahnen A 2, 40 und 42 zu erlebendes Verkehrsproblem. Dazu habe der neue Bahnvorstand Pofalla bei der Vorstellung des Förderprogramm zur Verbesserung auf der Schiene von zunächst zwölf Milliarden Euro für das Ruhrgebiet eine bisher nicht bekannte Zahl genannt, die das Revier auf der Prioritätenliste eigentlich auf Patz Eins sehen müsste. Danach sei das Schienennetz im Ruhrgebiet „zu 140 Prozent ausgelastet.“ Eine Überlastung „die bei jeder kleinen Störung zu enormen Auswirkungen führt“, erinnerte Tönnes an wochenlange Stilllegungen beispielsweise in Wuppertal oder zwischen Mülheim und Essen.

Die Besucher dieses hoch interessanten Abends, die zum Teil auch aus Nachbarstädten angereist waren, diskutierten mit RVR-Planer Tönnes noch lange, bevor Moderator Dietmar Jäkel und Sabine von der Beck, Fraktionsvorsitzende der Grünen Im Ruhrparlament, kurz vor 22 Uhr das Licht löschen konnten.

Donnerstag, 21. Februar 2019 | Autor: Helge Kondring