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Omikron trifft alle, aber ... auf den Verlauf kommt es an.

Eine Dunkhase von Hinckeldey Kolumne

Die Luft ist ’raus, aber...

Das Infektionsgeschehen – nicht nur in Deutschland – ist durch Omikron völlig außer Kontrolle geraten. Auch wenn das kein Politiker, schon gar nicht Karl Lauterbach, zugeben wird, sollten wir uns da keiner Illusion hingeben. Eine Nachverfolgung von Infektionsketten ist bei den derzeitigen Infektionszahlen völlig unrealistisch. M. E. Sollte man die Gesundheitsämter auch gar nicht mehr damit belasten. Es bindet unendlich viel Arbeitskraft, ohne dass es am Infektionsgeschehen noch etwas ändern kann. Die derzeit gemeldeten Inzidenzen sind realitätsfremd und taugen kaum noch als Vergleichswert zwischen den Bundesländern, geschweige denn zum Vergleich mit dem Ausland.

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Die einzig halbwegs verlässliche Zahl ist die Hospitalisierungsinzidenz. Und selbst die wird durch viele Krankenhauspatienten verfälscht, die wegen gänzlich anderer Erkrankungen stationär behandelt und dabei zufällig positiv auf Covid-19 getestet werden. Die müssen dann auch auf den Corona-Stationen isoliert werden und verfälschen die Statistik.

Unter Omikron und seiner noch stärker „getunten“ Variante BA.2 ist es eine Illusion, die flächendeckende Durchseuchung verhindern zu können. Das weiß natürlich auch Karl Lauterbach. Wenn er prognostiziert, dass die Welle auch in Deutschland bald bricht, hat er die Modellierungen im Hinterkopf, die zeigen, wann der entsprechende Grad der Durchseuchung erreicht ist.

Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Man mag die Aufhebung aller Corona-Beschränkungen, die die Dänen und Schweden veranlasst haben, als Kapitulation bezeichnen. Letztlich gibt es bei der derzeitigen Infektionsdynamik kaum eine Alternative dazu. Freilich, die Impfquote ist in den skandinavischen Ländern, insbesondere bei den Vulnerablen, deutlich höher als in Deutschland. Deshalb erkranken dort auch, trotz höherer Inzidenzen, weniger Menschen schwer. Aber wer es hierzulande bis jetzt noch nicht begriffen hat, wird letztlich das Risiko tragen müssen. Wenn durch die hohe Zahl der durchweg moderaten Krankheitsverläufe, die ja auch Geimpfte treffen können, keine kritische Infrastruktur mehr gefährdet wird, ist auch der gesellschaftliche Aufwand, die Begriffsstutzigen vor den Folgen ihrer Dummheit, die sie dazu noch in vielen Demos zur Schau tragen, zu schützen, zu hoch.

Ich habe übrigens vor einigen Tagen die 4. Impfung (ohne wesentliche Nebenwirkung) bekommen. Mich muss niemand von der Sinnhaftigkeit einer Impfung überzeugen. Ein vernünftiges rechtliches Instrument, um derart bedrohlichen Seuchen, wie es Covid-19 zunächst war, zu begegnen, wünsche ich mir dennoch. Derzeit frage ich mich jedoch, ob die Diskussion über eine Impfpflicht in der gegenwärtigen Lage noch sinnvoll ist.

Gut, eine einrichtungsbezogene Impfpflicht ist nach meinem Rechtsgefühl absolut zwingend. Eine Infektion mit einem potentiell gefährlichen Virus, egal ob sie vorsätzlich oder fahrlässig erfolgt, ist eine Körperverletzung. Ich warte nur auf das Gerichtsverfahren, bei dem ein Arbeitgeber - Arzt, Klinik oder Seniorenheimbetreiber - in die Haftung genommen wird, weil sich ein Patient in der entsprechenden Einrichtung bei einem ungeimpften Mitarbeiter infiziert hat.

Es erschließt sich mir jedoch nicht, warum der Gesetzgeber ausschließlich derart umständliche Prozeduren, wie sie eine Impfpflicht darstellt, favorisiert. Eine Haftung des Arbeitgebers im Falle einer Infektion und gleichzeitige Auskunftspflicht der Beschäftigten über ihren Corona-Impfstatus würden schon viel bringen. Bei der allgemeinen rechtlichen Haftung von Krankenhäusern und Ärzten hat sich der Gesetzgeber nicht nennenswert geziert, als er die Beweislast umdrehte. Seither müssen im Falle von vermeintlichen Behandlungsfehlern die Beschuldigten ihre Unschuld beweisen und nicht mehr die Kläger deren Schuld – was ich im Übrigen gar nicht kritisiere. Wenn sich dann ein Patient vermeintlich im Krankenhaus infiziert, müsste dieses beweisen, dass all seine Mitarbeiter geimpft sind und es somit alles in seinen Möglichkeiten Stehende getan hat, um die Patienten zu schützen.

Ebenso verstehe ich nicht, weshalb es ein grundsätzliches Problem sein sollte, vorsätzlich oder nachlässig Ungeimpften einen höheren Krankenversicherungsbeitrag zuzumuten. Das Argument, dann müssten auch Übergewichtige, Risikosportler oder Raucher zur Kasse gebeten werden, ist doch an den Haaren herbei gezogen. Einerseits handelt sich in der Regel nicht um ansteckende Erkrankungen, man gefährdet also niemanden sonst. Andrerseits wird auf eine höhere Alkoholsteuer ja auch nicht deshalb verzichtet, weil es rechtlich kompliziert wäre, sondern weil man Lobby-Interessen schont. Der Gesundheitsschutz spielt bei dieser Frage überhaupt keine Rolle. Schlussendlich ist es also eine Frage der politischen Sinnhaftigkeit und Opportunität und nicht der Gerechtigkeit, ob und wie der Gesetzgeber Übergewichtige, Risikosportler oder Raucher schröpft. In anderen Fällen, z. B. der Hunde-, Kfz- oder Sekt-Steuer ist man doch auch nicht so zimperlich. Vor allem aber, die Krankenkassen sind als einzige rechtlich und technisch in der Lage, den Gesundheitszustand und damit auch den Impfstatus ihrer Versicherten abzufragen. Wer keine Corona-Impfung nachweisen kann, zahlt höhere Beiträge - Punkt. Einer strafrechtlichen Verfolgung mit Bußgeld bedarf es dann nicht mehr. Die Gerichte würden es danken.

Obwohl die Omikron-Variante zu einer extrem hohen Zahl von Infektionen und Impfdurchbrüchen führt, ist ihr Auftauchen zunächst tatsächlich ein Segen. Durch ihre extrem hohe Infektiosität hat sie die weit tödlichere Delta-Variante fast vollständig verdrängt. Deshalb ist die Lage in den Kliniken derzeit relativ entspannt. Das führt einerseits dazu, dass die Nachfrage nach Booster-Impfungen deutlich nachgelassen hat. Andrerseits mindert es auch den Druck auf die Impfgegner. Eine allgemeine gesetzliche Impfpflicht dürfte daher kaum parlamentarisch durchsetzbar sein. Ohne ein Impfregister und auch sonst nur beschränkte Kontrollmöglichkeiten würde sie wohl auch in der realen Anwendung nur zu einer geringfügigen Steigerung der Impfquote führen. Im Gegensatz zu den skandinavischen Ländern müssen wir in Deutschland einfach zu viele renitente Klugscheißer und Querulanten durchschleppen.

Denen allerdings könnte ihr überhebliches Frohlocken im Hals stecken bleiben. Omikron scheint nämlich für Menschen, die dadurch erstmals mit Corona in Kontakt kommen, tatsächlich ein miserables Immunisierungsvirus zu sein. Eine Omikron-Infektion hinterlässt nämlich bei zuvor immun-naiven Menschen, die also weder geimpft noch infiziert waren, kaum einen Schutz gegenüber anderen noch zirkulierenden Varianten, noch nicht einmal gegenüber einer Reinfektion mit Omikron BA.2. Geimpfte dagegen, die sich mit Omikron ansteckten, hatten danach nicht nur neutralisierenden Antikörper gegen die neue Variante im Blut, sondern in hohem Maße auch gegen verschiedene vorherige Varianten, also etwa Alpha, Beta oder Delta. Es macht also einen Riesenunterschied, ob man vor der Omikron-Infektion geimpft oder genesen ist oder eben nicht.

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Eine einmalige mild verlaufende Omikron-Infektion wird kein Ersatz für die Impfung sein. Vor allem dann nicht, wenn eine neue Variante übernimmt.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey