
Was die Katholiken und die evangelische Kirche zum Trend sagen
Die Kirchenaustritte nehmen stark zu
Es ist ein bundesweiter Trend und dieser bestätigt sich auch in Herne: Die Kirchenaustritte nehmen weiter stark zu - sowohl bei der katholischen, als auch der evangelischen Kirche. Beide Konfessionen reagieren aber bereits auf den Trend und arbeiten daran, Alternativen bereitzustellen.
Für die Pfarrei St. Dionysius Herne, die zum Erzbistum Paderborn gehört, wurden im Jahr 2022 392 Kirchenaustritte gezählt. Zum Vergleich: Ein Jahr zuvor waren es „nur“ 189, also halb so viele. Diese Zahlen gehen aus einer Anfrage von halloherne an das Erzbistum Paderborn hervor. Im gesamten Dekanat Emschertal stiegt die Zahl der Austritte auf 883 (2021: 485). Wiederaufnahmen in die Kirche gab es für die Pfarrei bei lediglich zwei Personen zu verzeichnen, im Dekanat waren es 14.
So werden außerdem für die Pfarrei im Jahr 2022 rund 21.800 Katholiken gezählt - im Vorjahr waren es noch rund 22.600. Das hat auch mit Bestattungen von Verstorbenen zu tun, auch wenn diese nahezu gleich geblieben sind (2022: 293, 2021: 289).
Mehr Gottesdienstteilnehmer nach Corona
Auffällig ist außerdem, dass die Zahl der Gottesdienstteilnehmer sowohl im Frühjahr, als auch im Herbst, gestiegen sind. Im Frühjahr 2022 waren es 659 (2021: 492), im Herbst 749 Gläubige (2021: 505). Diese Steigerung ist aber vor allem auf die gelockerten Corona-Maßnahmen zurückzuführen, die zwischendurch auch bei Gottesdiensten streng gehandhabt wurden und Zusammenkünfte vermieden werden sollten. Die Taufen sind nahezu gleich geblieben (92, im Vorjahr 98), das gleiche gilt für Firmungen und kirchliche Trauungen. Die Erstkommunion wurde auch wieder häufiger genutzt (128, Vorjahr 105).

Im Gedächtnis bleiben dennoch die Kirchenaustritte, die weiter stark zunehmen. „Festzuhalten bleibt, dass es ein bundesweiter Trend ist und demnach nicht unmittelbar auf Ereignisse in Herne zurückzuführen ist“, beurteilt Dechant Ludger Plümpe die aktuelle Entwicklung im Gespräch mit halloherne. „Dieser Trend entsteht auch durch die breiten Diskussionen über Missbrauchsgeschichten. Insgesamt ist ein deutliches auf Distanz gehen zu beobachten.“
Keine finanzielle 'Unterstützung' für das System Kirche
Als Gründe, die er für ein Austreten aus der Kirche sieht, gibt er an: „Manche möchten, vielleicht aufgrund der bundesweiten Schlagzeilen, dann auch einfach nicht mehr das System Kirche mit ihrem Geld unterstützen. Obwohl vor Ort ein guter Umgang herrscht und das Geld gebraucht wird.“ Insgesamt sei das eine verworrene Situation. Plümpe könne nichts für die Überschriften, die es beispielsweise über Kardinal Rainer Wölki gibt. Als Vergleich könnte man Entscheidungen der Bundesregierung heranziehen, die sich auf die Ortsverbände der jeweiligen Parteien auswirken, diese aber nicht wirklich etwas für die Entscheidungen in Berlin können.
Allgemein könne man auch von einem Verwandlungsprozess der Kirche sprechen, gibt der Pfarrer an: „Da der Rückgang derzeit eklatant groß ist, müssen wir uns verkleinern. So schaffen wir dann auch die Bestandsfähigkeit der Kirche.“ Ehrenamtliche, von denen noch sehr viel getragen werde, gebe es aber weiterhin genug. „Außerdem ist Kirche im persönlichen Bedarf, beispielsweise als Seelsorger, noch gefragt.“ Im Erzbistum werden zudem viele neue Ansätze gesucht, um weitere Angebote zu schaffen.
2022: 657 Kirchenaustritte im ev. Kirchenkreis Herne
Vor dem gleichen Problem, als auch vor Veränderungen, steht der evangelische Kirchenkreis Herne. Von 2018 bis 2021 habe er jedes Jahr rund 400 Kirchenaustritte verzeichnet, 2022 waren es dann schon 657 - eine Steigerung von 57 Prozent, teilt Pfarrer Arnd Röbbelen gegenüber halloherne mit. Die Wiederaufnahmen seien von 70 (2021) auf 53 zurückgegangen. Zudem hätte es beispielsweise 385 Taufen im Jahr 2022 gegeben.

Noch deutlicher wird der Rückgang bei der Zahl der Evangelisten im Kirchenkreis. Gab es 2018 noch rund 63.000 Gemeindemitglieder, waren es 2022 nur noch rund 57.000. Arnd Röbbelen sieht dafür mehrere Gründe: „Zum einen treten viele schon aus, wenn sie ihre erste Lohnabrechnung bekommen, und sich fragen, ob sie überhaupt die Kirchensteuer zahlen möchten. Dazu kommen die gestiegenen Lebenshaltungskosten. Das sind alles Anlässe, um Geld zu sparen.“
Gestiegener Vertrauensverlust, verkleinerte Kirchengemeinden
Zum anderen sieht auch er einen gestiegenen Vertrauensverlust in die Kirche. „Die Menschen machen da auch keinen Unterschied zwischen den Konfessionen“, meint der Pfarrer. Der Herner Kirchenkreis hat darauf bereits reagiert und kontinuierlich Kirchengemeinden verkleinert. Mittlerweile gebe es noch sechs, zwei in Herne, eine in Wanne-Eickel und drei in Castrop-Rauxel.

„Die Corona-Pandemie hat auch dazu geführt, dass auch nach der Aufhebung der Beschränkungen weniger Leute zu den Gottesdiensten kommen. Deshalb legen wir manche schon zusammen oder bieten sie zu unterschiedlichen Zeiten an“, erläutert Röbbelen im halloherne-Gespräch. „Der Auftrag der Kirche orientiert sich aber nicht an Zahlen. Deshalb gibt es weiter verschiedene Angebote.“
So soll in Castrop-Rauxel beispielsweise eine „Ladenkirche“ in einem leerstehenden Ladenlokal entstehen - in Herne und Wanne werde diese Möglichkeit noch geprüft. Vor der Wanner Christuskirche gab es kürzlich eine Aktion, um eine Kirchenbank zu bemalen und diese künftig als „Gesprächsbank“ zu nutzen (halloherne berichtete). Ebenso sind weiter, häufig auch nach individueller Anfrage, Notfallseelsorger gefragt (halloherne berichtete). Röbbelen zeigt sich weiter kämpferisch: „Wir haben weiter einen wichtigen Auftrag. Die steigenden Austrittszahlen entmutigen uns nicht, wir machen uns weiter Gedanken.“