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Impfschwänzer - was dürfen sie und was nicht?

Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Der Professor und die Impfschwänzer

Wir haben uns daran gewöhnt, dass der Professor Lauterbach dem Volk bei Maybritt Illner und Markus Lanz das Corona-Infektionsgeschehen erläutert. Ich finde, als Epidemiologe macht er da auch einen ziemlich guten Job. Allerdings, immer dann, wenn er sich zu der Umsetzbarkeit der epidemiologischen Zwänge in reale Politik äußert, zeigt sich, dass sein Bezug zum prallen Leben doch ziemlich begrenzt ist. Seinen Vorschlag, Impfschwänzer mit einem Bußgeld zu bestrafen, würde ich denn auch als realitätsfremd bezeichnen.

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Wer bitte soll denn ein derartiges Bußgeld eintreiben? Hat er vielleicht daran gedacht, dass die Arztpraxen zusätzlich zu der überbordenden Impfbürokratie auch noch das Inkasso übernehmen sollen? Selbst wenn die Praxen das Bußgeld behalten dürften, würden die Kosten des Inkasso die Einnahmen um ein Vielfaches übersteigen. Zudem dürften zahlreiche „Impfschwänzer“ an der telefonischen Unerreichbarkeit zahlreicher Arztpraxen scheitern, wenn sie versuchen, ihren Termin abzusagen. In einer rechtlichen Situation, in der Gerichte Ärzte und Zahnärzte, die einen Schadenersatz für sehr viel aufwendigere Terminversäumnisse fordern, geradezu auslachen, ist die Forderung nach einer Strafzahlung für versäumte Impfungen blanker Unsinn.

Dabei ist die Notwendigkeit einer Erst- und Zweitimpfung völlig unzweifelhaft, sonst ist ein Schutz vor der Deltavariante nicht erreichbar und eine Herdenimmunität gegen Corona sowieso nicht.

Konnte man bei dem ursprünglichen Virus mit seiner Basisreproduktionszahl R0 von 3 (ein Infizierter steckt durchschnittlich 3 weitere Personen an) noch von einer Herdenimmunität bei 60 Prozent der Geimpften oder Genesenen ausgehen, so muss diese Zahl bei der inzwischen vorherrschenden Delta-Variante (R0 ca. 8) auf mindestens 85 Prozent angehoben werden. Zwar nimmt die Zahl der Geimpften stetig zu, aber wann und vor allem ob eine Herdenimmunität erreichbar ist, erscheint nach derzeitigem Stand nicht nur höchst fraglich. Angesichts der Tatsache, dass für die Gruppe der 12 – 15-Jährigen seitens der STIKO keine Impfempfehlung besteht und für Kinder unter 12 Jahren in Europa noch kein Impfstoff eine Zulassung hat, ist eine Herdenimmunität ohnehin unmöglich.

Das deutsche Gesundheitswesen hat ein zentrales Problem: Es versucht seit jeher, den Bürger von jeglichen Verantwortlichkeiten für sein eigenes Verhalten zu befreien. Da bekanntermaßen 30 – 40 Prozent der Bevölkerung grundsätzlich nur eine sehr überschaubare Neigung entwickeln, individuelle Verantwortung zu übernehmen, dürften Appelle bei diesen Menschen wirkungslos verpuffen. Zudem scheinen viele Jüngere ohnehin der Ansicht zuzuneigen, dass sie von schwerwiegenden Verläufen verschont bleiben. Das belegt die Tatsache, dass in der Gruppe der 16 – 40-Jährigen die mit Abstand höchsten Inzidenzen auftreten. Am Ende werden wir froh sein können, eine Impfquote von 60 Prozent zu erreichen. Da werden wir nicht besser sein, als Großbritannien, die USA oder Israel. Die dann 40 Prozent Ungeimpften werden die Wirtschaft, das gesellschaftliche Leben aller und die Gesundheitssysteme belasten.

Dabei liegt die Zahl derjenigen, die sich ums Verrecken nicht impfen lassen wollen, wahrscheinlich deutlich unter 10 Prozent der Bevölkerung. Diese Gruppe wird man bei allen Bemühungen sowieso außen vor lassen müssen. Man könnte jedoch versuchen, Impfskeptiker und vor allem diejenigen, die die Impfung verschlampen, mit Überzeugung und Anreizen zu erreichen.

Nicht zu vergessen sind die vielen sozial ausgegrenzten Menschen, bildungsferne Bevölkerungsgruppen, Migranten mit schlechten Sprachkenntnissen, in Armut Resignierte. Für die müssen wir Impfungen so unkompliziert wie möglich machen und den Impfstoff zu den Menschen bringen.

Helfen kann in dieser Lage am Ende aber nur eines: Das Verschlampen oder Verweigern der Impfung muss eine unmittelbare negative Folge haben. So müssen die Schlamper und Verweigerer zumindest für die Kosten, die sie der Gesellschaft der Steuerzahler und Krankenversicherten aufbürden, in Anspruch genommen werden. Es gibt nur einen Weg aus der Pandemie – und das ist die Impfung. Wer da nicht mitmachen will, kann nicht erwarten, dass die Allgemeinheit dauerhaft alles für ihn finanziert. Ausgenommen sind nur Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden können und Kinder und Jugendliche, solange für diese keine zugelassene Impfung zur Verfügung steht.

Der kritische Zeitpunkt für die Aufhebung aller Einschränkungen für Geimpfte und Genesene ist dann erreicht, wenn alle Menschen dieses Landes die Möglichkeit hatten, sich impfen zu lassen. In spätestens zwei Monaten wird das erreicht sein.

Dann dürfen Ungeimpfte ohne einen kostenpflichtigen Test von einem zertifizierten Testinstitut weder Restaurants, Kinos, Bars, Bordelle oder Discos besuchen. Dann muss es auch ein Ende haben mit dem „Goldrush“ der unzähligen Testbuden, deren Zertifikate das Papier nicht wert sind, auf dem sie gedruckt werden. Ich habe als ärztlicher Berater eines Testzentrums in Herne erfahren, welchen Aufwand es für den Betreiber bedeutet, qualifizierte Mitarbeiter nicht nur zu akquirieren, sondern auch zu schulen. Ich habe etliche zu Testende in andere Teststellen begleitet und mich auch selbst testen lassen. Das Ergebnis: Selbst bei optimistischer Betrachtung konnte in vielen dieser Teststützpunkte der entnommene Abstrich allenfalls in Einzelfällen ein aussagefähiges Resultat erbringen.

Mit einer gesetzlichen Impfpflicht hat das überhaupt nichts zu tun. Niemand muss mit einer Bestrafung rechnen, der sich nicht impfen lässt. Es muss auch niemand mit einer Bestrafung rechnen, der keinen Führerschein macht. Allerdings darf er sich ohne auch nicht mit einem Auto in den Straßenverkehr begeben. Was würde einem Arzt, einem Krankenhaus passieren, wenn ein infizierter Mitarbeiter einen Patienten ansteckt, der nicht geimpft werden kann? Mit Sicherheit würden sie in die Haftung genommen werden.

Klar, es gibt so ein paar Argumente, die immer wieder vorgebracht werden. Eines ist, dass auch Geimpfte noch infiziert werden können. Das Infektionsgeschehen unter den Geimpften und Genesenen ist jedoch derart minimal, insbesondere, was relevante Erkrankungen angeht, dass dieser Vorgang getrost vernachlässigt werden kann.

Am Ende werden aber alle diejenigen, die die Schneeflocke der Impfung mehr fürchten als die Lawine einer Covid-19-Infektion, ihre Immunität erst erreichen, indem sie diese Infektion durchmachen, wenn nicht heute, dann morgen oder übermorgen. Das wird unzweifelhaft geschehen, wenn man alle Vorsichtsmaßnahmen fallen lässt. Die Frage ist dann, wie viele von ihnen ernsthaft erkranken, einer Krankenhausbehandlung bedürfen oder gar sterben.

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Einen erneuten Lockdown, unter dem dann wieder alle zu leiden hätten, nur wegen der zur Verantwortung Unfähigen, halte ich nicht mehr für politisch durchsetzbar.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey