
Saisonhöhepunkt am Musiktheater im Revier Gelsenkirchen
'Der Mann von La Mancha'
Eines vorweg: Die Musical-Adaption des 1605 und 1616 in zwei Teilen veröffentlichten Romans „El ingenioso hidalgo Don Quijote de la Mancha“ des spanischen Nationaldichters Miguel de Cervantes Saavedra von Dale Wasserman (Buch), Mitch Leigh (Musik) und Joe Darion (Gesangstexte), die nach der Uraufführung am 22. November 1965 im Anta Washington Square Theatre in New York ihren Siegeszug um die Welt antrat, verzaubert seit Ende März 2025 auch das Publikum am Gelsenkirchener Musiktheater im Revier – in der deutschen Fassung von Robert Gilbert.
Dieser vom 2. Kapellmeister Mateo Peñaloza Cecconi alternierend mit dem Korrepetitor Askan Geisler musikalisch geleitete und von Carsten Kirchmeier nach der Urinszenierung Albert Marres szenisch einstudierte knapp zweistündige Saisonhöhepunkt steht nur noch viermal auf dem Spielplan: Die 420 Jahre alte Geschichte Alonso Quijanas, der so verzweifelt ist über den Zustand der Welt und das Verhalten ihrer Bewohner, dass er die „traurige Bürde der Vernunft“ ablegt und als Ritter Don Quijote de la Mancha mit seinem treuen Knappen Sancho Panza hinauszieht, um alle Ungerechtigkeiten zu bekämpfen, ist so poetisch wie aktuell.
Hoffnungsloser Idealist
Haben wir nicht alle den „unmöglichen Traum“ von einer besseren, weil gerechten Welt und einer solidarischen Menschheit? Können wir uns nicht auch in eine ritterlich-tugendhafte Figur hineinträumen, die nach den Sternen greift, weil sie unverbesserlich an das Gute im Menschen glaubt? Im Musical ist der Hidalgo, also ein Edelmann von niederem Adel, ein nebenbei als Steuereintreiber tätiger Dichter und Schauspieler (der österreichisch-slowenische Bass Philipp Kranjc), der mit seinem Assistenten (der US-amerikanische Tenor Benjamin Lee) im Gefängnis sitzt, weil er sich mit der Institution Kirche angelegt hat.
Von den Mitgefangenen als hoffnungsloser Idealist und Aufschneider verspottet, gelingt es Quijana, diese als Mitspieler einer Aufführung seines Textes zu gewinnen – und nun beginnt in der raumhoch vergitterten düsteren Gefängnis-Landschaft (Bühne: Katrin Hieronimus) ein virtuoses Spiel auf gleich mehreren Wirklichkeitsebenen mit furiosem Rollenwechsel des über sich hinauswachsenden zwölfköpfigen Ensembles. Das einmal mehr mit dem Pfund der gesanglichen und darstellerischen Qualität wuchern kann.
Theater auf dem Theater

Die Schönheit liegt nur in den Augen des Betrachters: Theater auf dem Theater mit den bekannten Ingredienzien wie der Verehrung der käuflichen Schankmagd Aldonza (die Musical-Spezialistin Elisabeth Hübert als Gast) als Edelfräulein Dulcinea, dem Kampf gegen als Windmühlen getarnte Riesen und dem Ritterschlag durch den Wirt (der schwedische Bariton Urban Malmberg) und angeblichen Schlossherrn, der weiß, dass Narren Gotteskinder sind.
Don Quijote, den die Kostümbildnerin Katharina Beth wortwörtlich als Ritter von der traurigen Gestalt ausstaffiert mit Henkelpott als Helm und Blechtablett als Schild, spricht einen gefährlichen Satz: „Tatsachen sind die Feinde der Wahrheit“. Der hätte auch von heutigen Populisten wie Donald Trump, Viktor Orbán oder dem frischgewählten Karol Nawrocki stammen können und wäre besser dem Rotstift zum Opfer gefallen.
Freien Raum der Fantasie
Die Gelsenkirchener Produktion ist abgesehen von hinzuerfundenen, völlig überflüssigen Gewaltszenen hinter Gittern ein einzigartiger Aufruf, der eigenen Fantasie freien Raum zu geben gerade im Bewusstsein der Unerreichbarkeit der Sterne. Der in ein wundervoll sentimentales Finale der Hoffnung mündet. Unbedingt noch zu nennen Anke Sieloff und Adam Temple-Smith in Mehrfachpartien aus dem MiR-Ensemble sowie der Musical-Allrounder Nikko Forteza, die Folkwang-Musical-Studentin Marie Ploner und der junge Bariton Sebastian Seitz als Gäste.
Weitere Termine
Die weiteren Vorstellungen im Großen Haus des MiR:
- Mittwoch, 18. Juni 2025, 19.30 Uhr
- Freitag, 20. Juni 2025, 19.30 Uhr
- Samstag, 5. Juli 2025, 19 Uhr
- Samstag, 12. Juli 2025, 19 Uhr
Karten gibt es online oder Tel. 0209-4097200.
Weitere Termine (3) anzeigen...
- Freitag, 20. Juni 2025, um 19:30 Uhr
- Samstag, 5. Juli 2025, um 19 Uhr
- Samstag, 12. Juli 2025, um 19 Uhr