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Musiktheater im Revier.

Vier Produktionen premierenreif

Corona Update am MiR

Gelsenkirchen. Als MiR-Intendant (Musiktheater im Revier) Michael Schulz jetzt einer Handvoll von Medienvertretern die Gelegenheit bot, einer Orchesterprobe seiner Händel-Inszenierung „Giulio Cesare“ beizuwohnen, waren das trotz aller Hygieneeinschränkungen beglückende Momente für jeden, der dabei sein durfte. Theater lebt vom Live-Ereignis, Musiktheater schon gar. Und dennoch bereitet sich das Gelsenkirchener Musiktheater im Revier darauf vor, vier premierenreife Produktionen aus allen Sparten des Hauses auch fürs Streaming aufzunehmen, sollten die Corona-Mutationen die Öffnung des schönsten Opernhauses im Revier auch weiterhin unmöglich machen. Dabei handelt es sich neben der mit unserer Gegenwart verbundenen Barockoper „Julius Cäsar in Ägypten“ um das Musical „Avenue Q“, den zweiteiligen Tanzabend „Notre-Dame de Paris“ sowie die Theater-Adaption von Andreas Steinhöfels Kinder- und Jugendbuch „Rico, Oskar und die Tieferschatten“.

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Julius Cäsar in Ägypten

Cäsar (Rina Hirayama) und Cleopatra (Dongmin Lee) in Händels „Giulio Cesare“.

Eine der großen Frage der Weltgeschichte: Was tat Julius Cäsar 48 v. Chr. in Ägypten? Der Widersacher Pompeius war besiegt und vernichtet, der Machtkampf in Rom entschieden. Es wäre an der Zeit gewesen, nach Rom zurückzukehren und den Staat neu zu ordnen. Aber nichts dergleichen geschah. Cleopatra, die Königin Ägyptens, die schönste Frau der Antike, wollte er erobern. Sie war gerade von ihrem Bruder und Mitregenten Ptolemaios vom Thron vertrieben worden. Cäsar beherrschte zwar die halbe Welt, in Ägypten aber lauerten überall Verrat und Intrige, so dass Cäsar als Kämpfer, Politiker und Liebhaber ziemlich ausgelastet war.

Das hat uns einst Georg Friedrich Händel (1685-1759) in seiner beliebtesten Barockoper über das berühmteste Liebespaar der Antike verraten, die der musikalische Leiter Giulano Betta (mit modernen Instrumenten, aber in Annäherung an den Originalklang) und Hausherr Michael Schulz als Regisseur in einer neuen, auf zwei Stunden stark gekürzten Fassung, welche auch in die Handlung der Vorlage eingreift, herausbringen. Mit Klaus Brantzen in der Rolle des Händel-Librettisten Nicola Francesco Haym als Erzähler und einem ganz jungen Ensemble, darunter der MiR-Stipendiatin Rina Hirayama in der Titelpartie.

Avenue Q

Im Musical „Avenue Q“ wird Nicky von Daniel Jeroma und Marharyta Pshenitsyna gespielt.

Das 2003 in den USA uraufgeführte Musical „Avenue Q“ von Robert Lopez, Jeff Marx und Jeff Whitty kommt in Kooperation mit dem Landestheater Niederbayern nach Gelsenkirchen. Die Avenue Q ist eine fiktive Straße in einem Außenbezirk New Yorks. Zwar sind die Mieten hier erschwinglich, dafür ist es nach Manhattan mit seinem glamourösen Lifestyle gefühlt mindestens so weit wie bis zum Mond. Wer hier wohnt, hat seine Erwartungen ans Leben auf Null geschraubt oder klammert sich so hartnäckig an den American Dream, wie dies nur im Land der unbegrenzten Möglichkeiten vorstellbar ist. Die Bewohner der Avenue Q sind ein buntes Häufchen von Glückssuchern: Studienabgänger Princeton, Möchtegern-Comedian Brian, Pseudo-Therapeutin Christmas Eve oder die beiden Pelz-Monster Kate und Trekkie – alle wurden sie an den Rand der Stadtgesellschaft gespült und bilden nun eine Nachbarschaft der ganz besonderen Art.

Die deutsche Fassung von Dominik Flaschka (Dialoge) und Roman Riklin (Songtexte) bringen Heribert Feckler als musikalischer Leiter und Regisseur Carsten Kirchmeier heraus, das MiR Puppentheater orientiert sich am Design der Original-Puppen von Rick Lyons.

Notre-Dame de Paris

Die MiR Dance Company startet mit „Notre-Dame de Paris“.

Der Titel des Tanzabends mit Choreographien von Fabio Liberti und Giuseppe Spota bezieht sich auf Victor Hugos gleichnamiges faszinierendes historisches Roman-Panorama, das hierzulande als „Der Glöckner von Notre-Dame“ bekannt ist. Es bildet die Folie für Giuseppe Spotas neuen Tanzabend, in dessen Zentrum die Figur der Esmeralda steht. Der naive Soldat Phoebus, der zwielichtige Geistliche Frollo und der körperlich benachteiligte Quasimodo projizieren ihre unerfüllten Sehnsüchte auf Esmeralda, die sie nicht nur um ihre Ungebundenheit beneiden, sondern auch um ihren Mut, sich über Grenzen hinwegzusetzen. Quasimodo repräsentiert jenes Anders-Sein, das zu akzeptieren unsere Gesellschaft heute erst ansatzweise imstande ist. Dem Widerspruch zwischen Anpassung und Selbstverwirklichung geht der aufstrebende junge Choreograf Fabio Liberti in „Leas Me“, der zweiten Choreografie dieses Abends der MiR Dance Company, nach: „Fragen, die wir uns alle stellen müssen in einem historischen Augenblick größter Verunsicherung.“

Rico, Oskar und die Tieferschatten

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Frau Dahling (Merten Schroedter) und Rico Doretti (Daniel Jeroma) in „Rico, Oscar und die Tieferschatten“.

Zwei waschechte Berliner Knirpse sind die Helden dieser Abenteuergeschichte für die ganze Familie. Der zehnjährige Rico, der bei seiner alleinerziehenden Mutter lebt, wünscht sich nichts sehnlicher als einen neuen Papa. Als er den um drei Jahre jüngeren Oskar kennenlernt, beginnt für ihn ein großes Abenteuer, gilt es doch, dem mysteriösen Kindesentführer „Mister 2000“ auf die Schliche zu kommen. Andreas Steinhöfels Vorlage, das wohl erfolgreichste Kinder- und Jugendbuch der letzten Jahre, ist ein warmherziges Plädoyer für Freundschaft und Menschlichkeit – und in der musikalischen Bühnenadaption für das MiR-Puppentheater von Felicitas Loewe für alle ab acht Jahren auch für Inklusion. Mit Kai Anne Schuhmacher arbeitet eine der profiliertesten Puppentheater-Regisseurinnen erstmals in Gelsenkirchen.

| Autor: Pitt Herrmann