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In Maika Küsters Ton-Studio wird gesungen und geklopft, geblasen und geschmatzt.

Theater für die Allerjüngsten

Barbara Köllings 'Ton'

Das Licht bleibt an in der nun „Theaterrevier“ genannten Zeche Eins an der Prinz-Regent-Straße im Bochumer Süden. Damit sich kein Kind fürchten muss, steht mit „Ton“ von Barbara Kölling seit Samstag (25.9.2021) erstmals ein Stück für die Allerkleinsten ab zwei Jahren auf dem Spielplan des Jungen Schauspielhauses Bochum.

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Ingrid Pons i Miras hat nicht nur die Bühne, sondern den ganzen Raum mit Kartonrollen jeglicher Größe gestaltet. Vorn sitzt das Publikum auf ihnen, hinten vor den noch originalen Kacheln der einstigen Zechen-Kaue hängen sie wie ein Glockenspiel der Bochumer Symphoniker, die einst nebenan ihre Probenräume hatten, von der Decke. Sie lassen sich tatsächlich als Resonanzkörper nutzen – von der (Jazz-) Sängerin und Musikerin Maika Küster, welche das gut halbstündige Spiel der Bildenden Künstlerin und Schauspielerin Karin Moog mehr als nur begleitet.

Links ein Regal mit bereits fertigen Skulpturen, Büsten vor allem, dahinter eine altertümliche Badewanne, in welcher der Grundstoff feucht gehalten wird, um ihn formbar zu machen: „Alles beginnt mit der Erde, diesem riesigen Erdklumpen! Aus Erde entstehen Dinge. Man kann sie formen, gestalten. Ist das ein Klumpen oder ein Kopf?“, wird im Programmblatt gefragt. Es ist ein Kopf mit Wiedererkennungseffekt, den Karin Moog aus einem Tonklumpen formt, der Kinderkanal-Figur „Bernd das Brot“ entlehnt, nur viel vermatschter (Maika Küster steuert die entsprechenden Geräusche bei) – und frecher: Sie streckt dem Publikum die Zunge heraus (analog zum Logo des Theaterreviers).

Aufgeben gilt nicht

Eine zweite Porträtbüste soll auf einer hohen Stele entstehen. Karin Moog, die schon in der Goerden-Intendanz die ganz kleinen Besucher (und ihre erwachsenen Begleiter) in der damaligen Malanchthon-Spielstätte an der „Kö“ bezauberte, ist mit dem Resultat ihrer Bemühungen unzufrieden: „Das ist nichts.“ Doch aufgeben gilt nicht, befeuert von Maika Küster wird sogleich ein zweiter Versuch gestartet. Bis Karin Moog selbst zur Plastik mutiert, mit den anderen Skulpturen über die Bühne tanzt. Am Ende steht eine ganze Phalanx von figürlichen und abstrakten Formen bereit, um von den Kindern aus allernächster Nähe betrachtet zu werden. Nicht zuletzt als Anschauungsmaterial für eigene Versuche, denn nun geht die Vorstellung ins muntere Mitmach-Theater über...

In Karin Moogs Ton-Werkstatt wird geformt und gestaltet, gematscht und gelacht.

Die Wanne-Eickeler Theatermacherin Barbara Kölling hat mit „Ton“ ihr Autoren- und Regiedebüt am Schauspielhaus Bochum gegeben. Aus der 17-jährigen Schülerin, die u.a. mit Nicholas Bodeux die freie Gruppe „Allemanda“ im Umfeld der Jugendkunstschule Wanne-Eickel gründete, Kinderstücke nach Grips-Manier wie „Gift und Kalle“ spielte, aber auch zeitgenössisches Theater wie „Mercedes“ von Thomas Brasch, gründete 1987 zusammen mit dem Puppenspieler Michael Lurse das Helios-Theater Köln mit heute legendären, damals sehr innovativen spartenübergreifenden Produktionen wie „Der Kopf brennt“ (1987), „Puppen sterben nicht“ (1988) und „Wenn es Nacht wird“ (1989).

Seit dem Umzug des Helios-Theaters auf Einladung der Stadt Hamm 1997 nach Ostwestfalen strahlt die weiterhin von Barbara Kölling und Michael Lurse geleitete professionelle Bühne als Leuchtturm für Kinder- und Jugendtheater mit Puppen und seit geraumer Zeit auch mit Material (Erde, Wasser, Holz, Papier, Ton) in zahlreiche Länder aus, Koproduktionen entstehen regelmäßig etwa in Südafrika, Ruanda, Nigeria, Indien und Kanada.

Fokus auf Zuschauer ab zwei Jahren

Seit 2005 legt Barbara Kölling in Hamm den Fokus auf Zuschauer ab zwei Jahren: „Es entsteht ein Theater, das seine eigenen Mittel immer wieder neu definiert, sein Verhältnis zum Publikum genauestens bestimmt, ein kontemplatives, lustvolles Theater nicht nur für kleine Kinder. Ein Theater, das durch seinen oftmals hohen Abstraktionsgrad eine Nähe zur bildenden Kunst aufweist, und gerade deshalb als ein philosophisches Theater zu verstehen ist. Es wendet sich nicht an die kleinen Kinder, um diese zu unterhalten oder ihnen auf direktem Wege etwas beizubringen, sondern es behauptet sich als eine Kunst, die auf die besonderen Fähigkeiten sehr junger Menschen eingeht, und diese Fähigkeiten liegen insbesondere im Bereich der assoziativen Wahrnehmung.“

Die nächsten Familienvorstellungen von „Ton“ im Theaterrevier an der Prinz-Regent-Straße 50-60 in Bochum: Am Samstag, 2. Oktober 2021, um 16 Uhr sowie am Sonntag, 3. Oktober 2021, um 11 Uhr. Karten auf der Homepage schauspielhausbochum.de oder unter Tel 0234 – 33 33 55 55.

Montag, 27. September 2021 | Autor: Pitt Herrmann