halloherne.de lokal, aktuell, online.

Arbeitszeitbetrug in großem Stil?

Kreis Recklinghausen/Herne. Wenn es auch nur ansatzweise zutrifft, was der im Juni wegen Duldung von Arbeitszeitbetrug auf dem Betriebshof der Marler Müllabfuhr fristlos gekündigte Müllwerker S. über seinen Anwalt Dirk Ruetten dem Arbeitsgericht Herne vortragen lässt, hat es in der Vergangenheit auf diesem Betriebshof mit seinen rund sechzig bis achtzig Mitarbeitern Arbeitszeitbetrug durch manipuliertes Ein-und Ausstempeln in großem Stil gegeben.

Anzeige: Elisabeth Firmenlauf 2025

Quasi unter den Augen der Vorgesetzten, so der gegen seinen Rauswurf klagende Mann, der sich selbst als Bauernopfer in der ganzen Angelegenheit fühlt. Anlass war ein Vorfall, bei dem der Mann der Tochter seiner Freundin seinen Arbeitsplatz gezeigt hatte und dann mit dem Mädchen nach draußen zu seinem Auto gegangen war, weil das Kind Durst hatte und ein Getränk im Auto lag. Auf dem Parkplatz sei ihm eingefallen, dass er das Ausstempeln vergessen hatte. Er sei zurückgelaufen, um das Versäumte nachzuholen, als ihm ein Kollege winkend entgegengekommen sei und ihm zugerufen habe, das Ausstempeln sei schon erledigt. Er habe dem Kollegen gegenüber zwar noch lautstark seinen Unmut darüber geäußert, weiter jedoch nichts unternommen, damit der Kollege keine arbeitsrechtlichen Probleme deswegen bekomme. Außerdem sei es im konkreten Fall, der die Kündigung auslöste, gerade mal um acht Minuten gegangen.

Dieser Kollege sowie auch Vorgesetzte müssen nun Ende Oktober als Zeugen vor der Kammer von Arbeitsrichterin Marlies Rohkämper-Malinowski erscheinen, weil die von Rechtsanwalt Dr. Norbert Drees und Verwaltungsdirektor Klaus-Peter Lauche vertretene Stadt die vom Kläger dargestellte Praxis, "dass in der Regel zehn bis 15 Prozent der Belegschaft da blieben, und das Ausstempeln für den Rest erledigten" vehement bestreiten. Der Chef des Betriebshofs war zwar bereits am Freitag (25.7.2014) als möglicher Zeuge zum Gütetermin erschienen, muss jedoch auch erst Ende Oktober auf dem Zeugenstuhl Platz nehmen. Bis dahin muss die Klägerseite, so die Auflage des Gerichts, konkret Ross und Reiter für die angebliche gängige Praxis des Ein- und vor allem Ausstempelns von Beschäftigten durch andere Beschäftigte nennen.

Der Kläger war bereits vor neun Monaten auf dem Weg zu einem Lehrgang aufgefallen, als er in einem Stau auf der A43 stand, seine Karte aber gleichwohl eingestempelt worden war. Das, so die städtischen Prozessvertreter, habe ihm der Betriebsleiter damals in einer mündlich erteilten Abmahnung auch klar und deutlich vorgehalten. S. selbst betonte mehrmals, er habe niemand gebeten, sowas für ihn zu tun, und diese Praxis habe es schon gegeben, als er auf dem Betriebshof angefangen habe. "Was sollte mein Mandant dagegen machen," stellte sein Anwalt Ruetten als Frage in den Raum. Die Antwort gab die Richterin in ihrer Auflage. "Mit allgemeinen Floskeln können wir hier nichts anfangen," ermahnte sie S. zu einem konkreten Vortrag. Und Marls Prozessvertreter Dr. Drees ergänzte: "Bennenen Sie genau diejenigen, die das machen". Und weiter: "Der Kläger ist nicht zum Betrug gezwungen worden." (AZ 1 Ca 1711/14)

Samstag, 26. Juli 2014 | Autor: Helge Kondring