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Anbahnung im Schatten eines Baumes: Fausto (Mirko Roschkowski), der eigentlich überflüssige Einflüsterer Mefistofele (Almas Svilpa) und die gar nicht abgeneigte Margarita (Jessica Muirhead, ab der zweiten Vorstellung).

Louise Bertins 'Fausto' in Essen

Vergebliche Jagd nach ewiger Jugend

Als ein nicht nur musikalisch wahres Feuerwerk entpuppt sich eine Ausgrabung als Deutsche Erstaufführung, die jetzt im Essener Aalto-Musiktheater völlig zu Recht stehend gefeiert worden ist und das Zeug zu einem neuen Repertoire-Renner auch an anderen großen Häusern hat: Louise Bertins „Fausto“.

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Die musikalische Leitung der ersten szenischen Produktion seit der Uraufführung vor 193 Jahren obliegt Andreas Spering, dem Chefdirigenten der Brandenburger Symphoniker, der als einer der führenden Spezialisten für historisch informierte Aufführungspraxis in Deutschland gilt. Inszeniert hat Tatjana Gürbaca, die am Premierenabend auch auf der Bühne glänzte.

Klinik und die 1950er Jahre

Als sich nach der zwar langen, aber facettenreichen, die Spannung und Vorfreude auf die folgenden gut zwei Stunden befeuernden Ouvertüre der Vorhang hebt, befinden wir uns in einer Klinik. Marc Weegers aseptisch weißer Bühne fehlt nur noch ein Braunscher Schneewittchensarg: Tatjana Gürbaca und Dramaturgin Patricia Knebel verlegen die Gretchen-Tragödie aus „Faust I“ in die 1950er Jahre vor Einführung der Anti-Baby-Pille, die am 18. August 1960 in den USA herauskam und ein Jahr später auch in Deutschland erhältlich war.

Gerade hat Dottore Heinrich Fausto (Mirko Roschkowski als Gast) einer Leiche innere Organe entnommen, und das im weißen Hemd mit Krawatte (Kostüme: Silke Willrett), als er „mit einem Schluck den großen Schritt“ machen will, ermüdet vom Beruf und seinem sinnentleerten Leben. Doch christliche Musik und Chorgesang „bremsen seine Hand und rühren sein Herz“.

Fausto ruft Satan herbei

Mit der lebensfroh-koketten Margarita, die ihn darum bittet, ihre Freundin Catarina (Nataliia Kukhar) zu behandeln, tritt eine junge Frau in sein Leben, die alle trüben Gedanken verscheucht. Fausto ruft Satan herbei: Mit Mefistofeles Hilfe (ein wahres Springteufelchen: Bass-Bariton Almas Svilpa) will Fausto wieder zum jungen Mann werden…

Schwingen das Tanzbein im Takt: Catarina (Nataliia Kukhar) will auch bei Mefistofele (Almas Svilpa) nichts anbrennen lassen.

„Fausto“, die Opera semiseria in vier Akten, war die erste Vertonung von Goethes Tragödie aus dem Jahr 1808 für die französische Opernbühne. Sie stammt aus der Feder der erst 26-jährigen Louise Bertin, einer jungen, durch eine Polioerkrankung querschnittsgelähmten Komponistin, die am 15. Januar 1805 in Les Roches bei Paris in eine wohlhabende, intellektuelle Familie geboren wurde und am 26. April 1877 im Alter von 72 Jahren in Paris starb. Da sie, als Frau, am Pariser Konservatorium nur einführende Kurse belegen durfte, nahm Louise Bertin in den Kompositionsfächern Privatunterricht beim renommierten Komponisten Anton Reicha.

Uraufführung im Jahr 1831

Die Uraufführung ihrer „halbernsten“ Oper „Fausto“ erfolgte am 7. März 1831 im Pariser Théâtre-Italien in Anwesenheit der Mitglieder der Königsfamilie. Bis Spielzeitende kamen aber nur zwei weitere Aufführungen hinzu. Danach verschwand „Fausto“ von der Bildfläche. Das verlorengeglaubtes Notenmaterial wurde erst vor wenigen Jahren in der Bibliothèque nationale de France in Paris wiederentdeckt. Die elektrisierende Essener Produktion ist die erste szenische Aufführung seit 1831, gesungen wird die Tenor-Fassung der Uraufführung in italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln.

Krankheitsbedingt konnte die Sopranistin Jessica Muirhead aus dem Aalto-Ensemble die Partie der Margarita am Premierenabend vom Samstag (27.1.2024) nicht singen. Für sie sprang die in Israel geborene und in Aachen aufgewachsene Netta Or ein – am Bühnenrand. Szenisch schlüpfte dagegen Tatjana Gürbaca in die Rolle – und hatte sich den Sonderapplaus redlich verdient!

Die Regisseurin mit Hang zu drastisch-bacchantischen Szenen fand den Gedanken der weiblichen Perspektive auf den Stoff schon deshalb spannend, weil die Theatergeschichte vor allem „Faust“-Versionen männlicher Komponisten wie Hector Berlioz, Charles Gounod oder Arrigo Boito kennt.

Etwas anders als in Goethes Drama

Anders als in Goethes Drama lernen sich Margarethe und Faust bei Louise Bertin direkt zu Beginn kennen und finden gegenseitig Gefallen aneinander, noch bevor magische Kräfte walten, die Faust selbst herbeibeschwört. Tatjana Gürbaca: „Bei Bertin geben die Menschen selbst den Impuls für das eigene Unglück.“ Die weiteren Aufführungen im Aalto Musiktheater Essen:

  • Sonntag, 4. Februar 2024, 16.30 Uhr (gekürzte, von Götz Alsmann moderierte Fassung)
  • Donnerstag, 8. Februar 2024, 19.30 Uhr
  • Freitag, 23. Februar 2024, 19.30 Uhr
  • Samstag, 9. März 2024, 19 Uhr
  • Sonntag, 17. März 2024, 18 Uhr
  • Samstag, 6. April 2024, 19 Uhr
  • Mittwoch, 24. April 2024, 19.30 Uhr
  • Samstag, 11. Mai 2024, 18 Uhr
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Karten unter www.theater-essen.de oder über die Hotline Tel. 0201 – 81 22 200.

Mai
11
Samstag
Samstag, 11. Mai 2024, um 18 Uhr Aalto-Musiktheater , Opernplatz 10 , 45128 Essen Karten unter www.theater-essen.de oder über die Hotline Tel. 0201 – 81 22 200.
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  • Sonntag, 4. Februar 2024, um 16:30 Uhr
  • Donnerstag, 8. Februar 2024, um 19:30 Uhr
  • Freitag, 23. Februar 2024, um 19:30 Uhr
  • Samstag, 9. März 2024, um 19 Uhr
  • Sonntag, 17. März 2024, um 18 Uhr
  • Samstag, 6. April 2024, um 19 Uhr
  • Mittwoch, 24. April 2024, um 19:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann