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v.l. Nadine (Yolande Moreau), Sandra (Cecile de France) und Marilyn (Audrey Lamy) im Cabrio.

Neu im Kino: Rebellinnen

Bei der Rückkehr in ihre Heimatstadt Boulogne-sur-Mer stehen keine Menschentrauben an der Bushaltestelle, um Sandra (Cecile de France), der ehemaligen Miss Nord-Pas-de-Calais, zuzujubeln. Mit blau geschlagenem rechten Auge und zerstörten Illusionen steht die 35-Jährige nach 15 Jahren Cote d'Azur und grottigen Männergeschichten wieder bei ihrer Mutter Kathy (Beatrice Agenin) auf der Matte. „Willkommen in der Armut“: Die lebt als Hausmeisterin des ziemlich heruntergekommenen Campinglatzes L' Eden Camping in einem Mobilhome am Rande des größten Fischereihafens Frankreichs und hat, hier ihrer Tochter gleich, sämtliche Zukunftshoffnungen verloren.

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Ohne Diplome oder Berufserfahrung, vom Table-Dance-Posing im Nachtklub einmal abgesehen, bleibt Sandra nur ein Job in der Fischkonservenfabrik – unter Kolleginnen, die sie noch von früher als Glamour Girl kennen und nun entsprechend schadenfroh reagieren. Sie hält entsprechend Distanz zu ihnen, zumal sie nur so lange am Fließband Thunfische in Dosen stopfen will, bis sie genug Geld zusammen hat, um wieder abzuhauen. Ganz unfreiwillig könnte ihr Vorarbeiter Jean-Mi (Patrick Ridremont) die Sache beschleunigen: Sein Vergewaltigungsversuch in der Frauen-Umkleide endet mit dem Verlust seines besten Stücks – ein Unfall an der scharfkantigen Spindtür.

Als die Kolleginnen Marilyn (Audrey Lamy) und Nadine (Yolande Moreau) zu Hilfe eilen, entdecken sie einen Haufen Geld in der Sporttasche Jean-Mis, der inzwischen die Flucht ergriffen hat und dabei eine Treppe hinuntergestürzt ist. Dem hilft kein Notarzt mehr – und die Polizei schon gar nicht. Dafür kann die Kohle helfen: Sandra, um sich irgendwie doch noch den Eiskunstlauf-Traum des zwölfjährigen Mädchens zu erfüllen, der alleinerziehenden Marilyn, um sich ein neues Auto zu kaufen und ihrem Sohn endlich etwas bieten zu können, und Nadine, um ihrem ständig herumnörgelnden arbeitslosen Gatten zu zeigen, wer daheim die Hosen an hat.

Zuvor muss freilich noch die Leiche entsorgt werden – in einer nächtlichen Sonderschicht. Marilyn trocken: „Stück für Stück! Spielt doch keine Rolle, ob wir Makrelen oder ihn in Dosen stopfen.“ Die Europalette mit der ganz besonderen Ausschussware landet freilich beim Secors Populaire France, so etwas wie eine landesweite Tafel. Ungemach droht freilich auch von anderer Seite: die Kohle war dem örtlichen Kleinganoven Simon Beneke (Simon Abkarian) zugedacht. Kein Geld, kein Koks aus Spanien. So hat Simon die belgische Drogenmafia am Hals. Und Sandra den aus Paris in die Provinz strafversetzten Polizisten Jean-Michel Digne (Samuel Jouy) – als One-Night-Stand-Lover wie als Ermittler. Denn von Nadines Handy ging in der Nacht, als Jean-Mi zuletzt gesehen wurde, ein Notruf ab. Und Marilyn hat den nagelneuen Mini bar bezahlt...

An Verwicklungen herrscht binnen knapp neunzig unterhaltsamer Minuten wahrlich kein Mangel, auch an persönlich-familiären Verstrickungen nicht, die besser hier nicht verraten werden. Lebt Rebellinnen doch vor allem von immer neuen Volten einer letztlich voraussehbaren Handlung mit Happy End für das taffe Frauen-Trio auf Selbstfindungs-Trip. Beim Festival in L`'Alpe d'Huez am 17. Januar 2019 uraufgeführt und mit dem Prix Globes de Cristal ausgezeichnet lockte er in Frankreich mittlerweile eine Million Zuschauer in die Kinos. Der an den sozialkritischen britischen Arbeiterkomödien von Ken Loach und Stephen Frears orientierte Krimi mit Comedy-Elementen, aber ohne ironische, parodistische oder gar satirische Brechung, ist am 11. Juli 2019 als Sommer-Vergnügen in unsere Lichtspielhäuser gekommen und unter anderem im Casablanca Bochum und im Essener Astra zu sehen.

Nach Vilaine und der überaus erfolgreichen Serie Kabul Kitchen, die er zusammen mit Jean-Patrick Benes drehte, ist Rebelles der erste Film, bei dem Allan Maudit allein Regie führt. Ohne zu viel verraten zu wollen: eine völlig abgedrehte Sause in einer Karaoke-Bar und die auf jedes Pathos verzichtende Schlusssequenz am Strand bilden die Höhepunkte des in den drei Hauptrollen exzellent besetzten Action-Streifens mit der im belgischen Namur geborenen französischen Star-Schauspielerin Cecile de France (Eine bretonische Liebe, Der Preis der Versuchung), der renommierten Theaterschauspielerin Audrey Lamy (So ist Paris, Die Schöne und das Biest) sowie der in Brüssel zur Welt gekommenen mehrfachen Cesar-Gewinnerin Yolande Moreau (Seraphine, Ein Leben), die inzwischen auch Regie führt.

Montag, 15. Juli 2019 | Autor: Pitt Herrmann