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Die quirlige junge Romy (Franziska Ferrari) und ihr lebenserfahrenes Alter ego (Vesna Buljevic).

Romy Schneider – Das Leben einer Ikone

Ich bin eine Schauspielerin, mehr nicht

„Es geht nicht um die Illustration“, sagt Regisseurin Karin Eppler, „sondern um die Imagination“. Die fällt zu Corona-Zeiten schwer, was bei ihrer Dramatisierung zweier Romy-Schneider-Biographien von Günter Krenn am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel nicht nur an Hygieneauflagen wie Abstand, Handschuhe, Plexiglas oder Masken liegt. Dabei macht der Einstieg ihrer mit zweieinhalb Stunden überlangen Inszenierung, eine Entsprechung zum Titel „Ich bin eine Schauspielerin, mehr nicht. Romy Schneider – Das Leben einer Ikone“, Sinn: Burghard Braun vom Auktionshaus Gfell ruft immer neue Exponate auf, die an Romy Schneider erinnern. Und damit an eine Schauspielerin, die wie kaum eine andere bis heute eine solche Faszination ausübt, siehe Emily Atefs Spielfilm „3 Tage in Quiberon“ mit Marie Bäumer.

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Nur: Die Versteigerung von Devotionalien aus Magda Schneiders Haus Mariengrund am Königsee zieht sich wie ein Roter Faden durch die Aufführung. Während Burghard Braun auch Romys Mutter verkörpert, ist die Titelrolle auf zwei Schultern verteilt: Franziska Ferrari gibt die junge, quirlige und sehr naive Romy, die bereits mit 14 Jahren vor der Kamera stand und drei Jahre später als Sissi weltweit ihren Durchbruch schaffte. Eine Rolle, die sie ihr Leben lang verfolgen sollte. Weil sie die die Sehnsucht der Deutschen und Österreicher nach dem Zweiten Weltkrieg und den Holocaust-Verbrechen nach Schönheit, nach Unschuld und romantischer Liebe erfüllte.

So ein Mann, so ein Mann: Alain Delon (Mario Thomanek) begeistert – und befreit – Romy Schneider.

Vesna Buljevic spielt in ihrem letzten Jahr als WLT-Ensemblemitglied die gereifte, lebenserfahrene und leidgeprüfte Romy, die als achtjähriges Mädchen sehr unter der Scheidung ihrer Eltern (Burghard Braun als Wolf Albach-Retty) und dem damit verbundenen Internatsaufenthalt litt. Und als Zwanzigjährige von ihrer ehrgeizigen Mutter und deren neuem Mann, dem Kölner Gastronom Hans-Herbert Blatzheim (naturgemäß auch Burghard Braun), rücksichtslos ausgebeutet wurde. Magda Schneider, die Adolf Hitlers Nähe in Obersalzberg suchte, hat sich Romys Wunsch nach einem Studium als Voraussetzung für eine (Theater-) Karriere als erstzunehmende Schauspielerin stets widersetzt.

„Ich bin Romy, nicht Sissi“: Erst die harsche öffentliche wie private Reaktion auf ihre Begegnung mit Horst „Hotte“ Buchholz (Tobias Schieger) treibt Romy zur Flucht nach Frankreich. Mit dem Womanizer Alain Delon (Mario Thomanek) kommt endlich Bewegung in ihr Leben – und auf die Bühne. Doch da ist bereits die Hälfte des sich bisweilen mühsam an der Chronologie der Ereignisse abarbeitenden Stationendramas vorbei. Delon öffnet ihr die Türen zu großen Regisseuren beiderseits des Großen Teichs – und macht das junge Mädchen zur Frau. Als er nach sechs Jahren mit einer neuen Flamme nach Amerika geht, ist Romy bereit für Neues. Auch im Privaten: Harry Meyen (Tobias Schwieger) wird der Vater ihres später auf so tragische Weise ums Leben kommenden Sohnes David. Künstlerische Anerkennung ihrer Arbeiten etwa mit Claude Chabrol und Luchino Visconti können ihre privaten Schicksalsschläge unter dem gnadenlosen Blick der Medienöffentlichkeit nicht kompensieren: Sie stirbt 1982 im Alter von nur 43 Jahren an Herzversagen.

„Mein Stück ist kein Königsdrama, sondern wir haben eine Biografie, die Höhen und Tiefen hat und die man in der Vita, sagen wir, mit einem Drama klassischer Güte vergleichen kann“: Auf der Grundlage der biographischen Werke „Romy Schneider – Die Biographie“ und „Romy und Alain – Eine Amour Fou“ von Günter Krenn, erschienen 2008 und 2015 im Berliner Aufbau-Verlag, hat Regisseurin Karin Eppler das Portrait eines Lebens der Extreme auf die Bretter gestellt, im zweiten, weitaus emotionaleren Teil endlich mit einer Verve, die alle Corona-Schutzmaßnahmen vergessen lässt.

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Premiere war am 12. September 2020 im Theater Marl, Aufführungen in Castrop-Rauxel sind am 4. und 20. März 2021 geplant, mehr Info auf der WLT-Homepage.

| Autor: Pitt Herrmann