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Murnaus Stummfilm-Klassiker „Faust“ mit Live-Musik.

Murnau-Stummfilmklassiker mit Live-Musik

„Faust“ im Thürmer-Saal

Bochum. Friedrich Wilhelm Murnaus Stummfilm-Klassiker Faust – eine deutsche Volkssage wird am Sonntag, 3. November 2019, um 20 Uhr im Bochumer Thürmer-Saal aufgeführt. Für die dazu passende Live-Musik sorgen Martin Roemer (Violoncello) und Peter Domnick (Harmonium-Klavier). Vorab wird Goethes Das Vorspiel auf dem Theater in einer Inszenierung von Prof. Jana Niklaus gegeben in der Besetzung Fabian Hagen (Theaterdirektor), Pujan Sadri (Dichter) und Leon Rüttinger (Lustige Person). Um 19 Uhr beginnt der Abend mit einer "Illustre Einführung zu Murnaus Faust nebst einer erbaulichen Erläuterung des Harmonium-Klavieres“ durch Prof. Peter Domnick.

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Murnaus Faust war zur Zeit seiner Veröffentlichung bei den deutschen Kritikern kein großer Erfolg beschieden: man rügte den Regisseur für die wenig originalgetreue Umsetzung von Goethes gleichnamigem Drama. Die Literatur als Kunstform stand turmhoch über der immer noch neuen Filmkunst. Der hochgebildete Zeitungs-Kritiker als Vertreter und Anwalt der klassischen Bildung rügte und bekrittelte den wohl mehr auf Effekte und Bilder abzielenden Regisseur, das Publikum aber war versessen - damals wie heute - auf das Ausloten der Grenzen des technisch Machbaren. Auf das Spektakuläre, das Nie-Gesehene.

Oft kommt es uns dilettantisch oder gar lächerlich vor, wenn wir Heutigen die albernen Versuche aus der Frühzeit des Films sehen. Die Monster, die mit ihren Pappschwänzen und Scheinwerferaugen dicken Zigarrenrauch aus der Nase pusten, Helden, die ohne jeglichen ersichtlichen Kraftaufwand große Attrappen durch die Gegend werfen, überhaupt: es ist das Kindliche, das unbeholfene Tappen, dem wir zusehen, sowohl was die ersten Special-Effects angeht, als auch vor allem die Pantomime betreffend: da rollen die Theaterschauspieler mit den Augen und verziehen jede Miene, sie hampeln wild mit den Armen und übertreiben jede Geste derart, dass es uns zum Lachkrampf drängt. Mag es noch funktionieren im Slapstick, bei Keaton oder Chaplin, wenn es aber ernst wird, dann wird es uns unmöglich, die viel zu dick aufgetragene Schminke zu akzeptieren.

Und dann die Sprachlosigkeit: ein fast zweistündiger Film, in dem fast alles über die Gesichtsmimik zu transportieren war. Und wenn es gar nicht mehr ging, dann blendete man Tafeln ein, und die musste man lesen, und dann standen sie viel zu lang im Bild, auf dass auch der Letzte Sprachunwillige die Boschaft hatte verstehen können, und die lästigen Sprachtafeln wiederum bremsten plötzlich das Bildgeschehen derart, dass an allen Ecken und Enden spürbar war, wie diese neue Filmkunst ums Überleben rang, wie sie überhaupt versuchte, Leben in seiner Lebendigkeit darzustellen, und wie sie doch dem Leben das Wichtigste entzog: die Sprache. Und dann der „Faust“? Ein philosophisches Werk von höchster lebensweisheitlicher Güte, das des Deutschen Seele durch den übergroßen Goethe ja geradezu erst definierte, das den Rahmen gab, und die Dimension des Deutschen schlechthin umrahmte: so tief, so klug, so poetisch konnte der Deutsche sein und das alles sollte nun der endlosen Dialoge und Monologe beraubt auf einer Leinwand erstrahlen, wo die Helden die Münder bewegten, aber nichts zu hören war?

Wo sollte die Philosophie hier wohnen, was war hier des Pudels Kern? Über all diesen Zweifeln und Unmöglichkeiten schwebt unberührt Murnaus Faust: diesem großen, leider nie zu wirklichem, nachhaltigem Ruhm gekommenen deutschen Regisseur war es gelungen, mit einer unglaublichen, aus der Zeit fallenden Bildsprache genau das zu schaffen, was nach wie vor das eigentliche Faszinosum des Mediums Film ausmacht: in einer geschlossenen Bildsprache die Wirklichkeit zu transzendieren, ihr ein neues Gesicht zu geben, eines, das mit all seiner Symbolik und Stimmigkeit uns versetzt in einen zweistündigen Traum, ungestört von allzu intellektuellen Bedenken, getragen auf den Schwingen der Musik.

Wie war es denn, damals, in den Roaring Twenties, wer machte da die Musik zu diesen Filmen? Die Musiker, und die roarten in allen möglichen Varianten: in den Großstädten in den großen Filmpalästen spielten die großen Orchester, nicht selten hundert Mann saßen da und gaben den Bildern einen akustischen Riesenrahmen, es gab Originalpartituren, die unter penibelster Einhaltung der Tempi exakt zu den jeweiligen Bildern zu synchronisieren waren, es gab die kleineren Orchester, die sich Auszüge machten aus den großen Partituren oder auch Neuschöpfungen des jeweiligen Kapellmeisters spielten, und in den Dorf, Wald und Wiesentheatern, da spielten die Pianisten, die Stummfilmpianisten und sie spielten in den seltensten Fällen, (vermutlich gar: nie) eine Transkription der Originalpartitur. Was aber spielten sie? Nun, es gab große, dicke Notenbücher mit Literaturbeispielen für jeden Anlass: ein leise zagendes Schubert Impromptu für die Liebesszene, die Pathetique für den Angriff der Armee, ein Chopin Walzer für eine anmutige Nachmittagsszene am Kaffeetisch - wurde denn überhaupt nicht improvisiert?

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Wenig, jedenfalls viel weniger, als es uns oft vorkommt. Übergänge wurden improvisiert, auch einfache Tempopassagen durch schnelles UmtaUmta, ein wenig Melancholisches, im Großen, Ganzen aber bildeten die Literaturbeispiele den Teppich, auf welchem der Filmheld durch die Lüfte flog. Im Thürmer-Saal wird das Publikum am 3. November 2019 Martin Roemer am Cello hören und Peter Domnick am Harmonium-Klavier. Letzteres eine spezielle, eigens für den Stummfilm geschaffene Hybrid-Kreatur, man kann gleichzeitig die Harmonium-Orgel spielen wie auch das Klavier, es lassen sich Klänge herstellen, die Sie so noch nie gehört haben. Römer und Domnick sind dabei einerseits sehr akkurat und integrieren die traditionelle Literatur und natürlich improvisieren sie, lassen sich ins Bild fallen und suchen, suchen die Trance, die Selbstvergessenheit entstehen zu lassen, die diesen großartigen Kunstfilm auszeichnen. Und um den Übergang zu erleichtern, geben drei Schauspieler zu Beginn Goethes „Vorspiel auf dem Theater“.

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  • Sonntag, 3. November 2019, um 20 Uhr
| Autor: Petra Huppert