
Ein etwas anderer Moliere in Bochum
Don Juan – Am Ende aller Tage
Wenn nach beinahe drei Jahrzehnten wieder einmal Molieres „Don Juan“ auf dem Spielplan des Schauspielhauses Bochum steht, und das sogar in der gleichen Fassung, die Heiner Müller Anfang der 1970er Jahre für den Intendanten der Ost-Berliner Volksbühne, Benno Besson, verfasste, um der DDR knappe Devisen zu ersparen, dann ist der in der damaligen Inszenierung Herbert Königs von Stephan Ullrich verkörperte Titelheld kein adliger Verführer mehr, der die Frauen schneller wechselt als seine Hemden.
Die Rollen Martina Krauels als Juans Gattin Elvira und Judith Rosmairs als Juans neues Objekt der Begierde, Charlotte, sind gestrichen, Martin Mosebachs furioser Diener Sganarelle wird zur weiblichen „Begleiterin“ unter lauter Männern: „Don Juan oder: Der steinerne Gast“ („Dom Juan ou Le Festin de pierre“), am 15. Februar 1665 im Pariser Palais-Royal uraufgeführt, ist aus der Sicht heutiger, der Wokeness verpflichteter Theatermacher nicht mehr aufführbar. Allein das Machogehabe heterosexueller weißer Männer ist ja sowas von vorgestern!
Fassung für ein LGBTQ+ Publikum

Also haben sich der junge, 1990 in Leszno geborene polnische Regisseur Mateusz Staniak und der als Sohn aserbaidschanischer Eltern im Iran aufgewachsene Mehdi Moradpour, seit dieser Spielzeit Dramaturg am Schauspielhaus Bochum, mit geradezu protestantischem Eifer darangemacht, die Vorlage Molieres und die Fassung Herner Müllers für ein LGBTQ+ Publikum erträglich zu gestalten.
Weil der Neu-Bochumer „Don Juan“, warum auch immer, den Untertitel „Am Ende aller Tage“ trägt, hat die belgische Ausstatterin Zaza Duponte eine wüste Landschaft auf die Bühne der Kammerspiele gestellt, ein Endzeit-Szenario im Western-Look. Nur dass die Kakteen wie überdimensionale Präservative aussehen und die zu Beginn noch im Staub liegende Statue an das Markenzeichen der Berliner Schwulenzeitschrift „Siegessäule“ erinnert.
Die Party ist vorbei
Die Party ist vorbei, Don Juan (Victor IJdens) aber schon wieder auf der Suche nach neuem Spaß. Guzman (Dominik Dos-Reis), bei Moliere noch Elviras Rittmeister, war gestern, der klagt nun sein Leid auf dem Schmuddel-Klo der abgerissenen Afterhour-Location. In deren Innenleben man wie weiland beim seligen Frank Castorf nur per Live-Cam blicken kann. Dafür legt Pierrot (Michael Lippold ganz in seinem Element) Coram publico eine Strip-Nummer hin, bevor er sich, gedemütigt und ausgesondert, gar eine Kugel in den Kopf schießt.
Juans Drang nach Satisfaction
„Willst du nicht mein Mann werden“: In seinem unbändigen Drang nach Satisfaction lässt sich Juan weder von seinem Vater Don Luis (hier: Michael Lippold als Ludwig) bändigen noch von seiner „Begleiterin“ Sganarelle (Ensemble-Neuzugang Danai Chatzipetrou), vom Komtur oder gar dem nachtwandelnden Gespenst ganz zu schweigen: Zwei weitere Rollen für den beim Berliner Theatertreffen 2023 mit dem Alfred-Kerr-Darstellerpreis und in der „Theater heute“-Kritikerumfrage als „Nachwuchsschauspieler des Jahres 2023“ ausgezeichneten Dominik Dos-Reis, der männlichen Allzweckwaffe im Simons-Ensemble neben dem weiblichen Gegenstück Anne Rietmeijer.
Teilweise überlaut
Was nun, abgesehen von den Rollen-Verbiegungen und einem geänderten Schluss, der hier nicht gespoilert wird, die Fassung von Benno Besson und Heiner Müller betrifft, so bleibt der Text zeitlos aktuell: bei Freude und Trauer, Liebe und Hass, Eifersucht und Treue gibt’s ebenso wenig Unterschiede zwischen Homos und Heteros wie beim armen Mann Francisque zwischen einem Louis d'or und einem Hundert-Euro-Schein. Die mitunter überlaute (Ohrstöpsel gibt’s in der Garderobe) neunzigminütige Inszenierung fand am Premierenabend des 1. Dezember 2023 ein durchaus geteiltes Echo, besonders das ältere Publikum zeigte sich verschreckt bis entsetzt. Was nun auch keine Neuigkeit an sich ist.
Die nächsten Vorstellungen in den Kammerspielen
- Samstag, 3. Dezember 2023, 19 Uhr
- Mittwoch, 13. Dezember 2023, 19:30 Uhr
- Mittwoch, 27. Dezember 2023, 19:30 Uhr
- Donnerstag, 4. Januar 2024, 19:30 Uhr
- Samstag, 20. Januar, 19:30 Uhr
- Freitag, 26. Januar 2024, 19:30 Uhr
Karten
Karten für das Stück, 1:30 Stunden ohne Pause, gibt es online unter schauspielhaus.de oder per Tel hier 0234 – 33 33 55 55.
Vergangene Termine (5) anzeigen...
- Mittwoch, 13. Dezember 2023, um 19 Uhr
- Mittwoch, 27. Dezember 2023, um 19:30 Uhr
- Donnerstag, 4. Januar 2024, um 19:30 Uhr
- Samstag, 20. Januar 2024, um 19:30 Uhr
- Freitag, 26. Januar 2024, um 19:30 Uhr