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Corona-Spätfolgen? - Wer weiß es schon.

Eine Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Das Corona-Spätfolgen-Gespenst

Die einen fürchten das Coronavirus SARS-CoV2 wie der Teufel das Weihwasser. Sie tragen bei der Radtour im Münsterland ihre FFP2-Maske und trauen sich nicht mehr zum Bäcker. Andere halten alles für heiße Luft und ein aufgeblasenes Szenario. Sie sind bereit, sehr viele ältere Menschen zu opfern, damit sie im Café sitzen oder am Ballermann saufen und tanzen können. Was ist aber richtig, was unnötige Panik, was ist sträflicher Leichtsinn, was sogar Dummheit oder geistige Verwirrung? Vor allem aber, was kommt in Monaten und Jahren an Folgen auf uns zu?

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Anfänglich gingen wir davon aus, dass Sars-CoV-2 eine Krankheit der Lunge und Atemwege ist, weil die meisten Erkrankten über Husten, Fieber, Atemnot und Kopfschmerzen klagten. Mittlerweile liegen Daten und Berichte von hunderttausenden Infizierten und Erkrankten vor, die diesen Eindruck deutlich bis drastisch verändert haben. Hat in der frühen Phase der Pandemie noch ein Hamburger Gerichtsmediziner, der viele Coronaopfer obduziert hatte, bei allen, die nicht an Lungenversagen gestorben waren, SARS-CoV2 als Todesursache verneint, bietet sich mittlerweile ein völlig anderes Bild.

Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Inzwischen zeigt sich, Covid-19 trifft auch die Nieren, den Verdauungstrakt, das Nervensystem einschließlich des Gehirns, das Herz und die Blutgefäße. Wie häufig welche Organe betroffen sind, ist noch nicht bekannt. Auch über das Ausmaß der jeweiligen Schäden ist noch wenig bekannt. Insbesondere weiß man noch sehr wenig über Spätfolgen. Mit Langzeitschäden, die sich ggf. erst in Jahren zeigen, muss man rechnen und zwar auch dann, wenn die Krankheit milde oder gar symptomlos verläuft. Weil es die Krankheit aber erst seit kurzem gibt, hat man davon so gut wie keine Ahnung.

Meistens beginnt die Infektion im Rachen. Dort wird das Virus zunächst in den Zellen der Schleimhaut vermehrt. Bei schweren Verläufen kann es von da aus den gesamten Körper überfluten. Im Normalfall wandert es in die Lunge und verursacht entzündliche Reaktionen in den Lungenbläschen, vor allem aber in den feinen Zwischenräumen zwischen Bläschen und Kapillaren. Dadurch kann der Sauerstoff nicht mehr ins Blut gelangen und Kohlendioxid nicht mehr abgeatmet werden. Die Folgen sind Atemnot und schlimmstenfalls der Tod. Eine schwere Lungenentzündung ist die Todesursache der meisten Covid-Todesfälle.

Im Verlauf der Erkrankung wird das Immunsystem durch die Bekämpfung des Virus so hochreguliert, dass, wenn das Virus schon besiegt ist, eine Überreaktion des Immunsystems zahlreiche Organe teils irreversibel schädigt. Außerdem steigert das stimulierte Immunsystem die Gerinnungsneigung des Blutes, was wiederum zu Verstopfungen von Gefäßen führen kann. Herzinfarkte, Lungenembolien oder Schlaganfälle sind mögliche Folgen und wurden anfänglich bei den Obduktionen nicht mit der Covid-19-Erkrankung in Verbindung gebracht. Es ist also keineswegs so einfach, zu sagen, dass diese Menschen nur mit und nicht an dem Virus gestorben sind.

Ein weiterer Angriffspunkt des Erregers scheint der Darm zu sein. Starker Durchfall ist bei Covid-19 ein häufiges Symptom. Der Darm hat gegenüber viralen Infektionen eine hohe Regenerationsfähigkeit. Langfristige Schäden sind hier noch nicht bekannt.

Das ist anders beim Herz. In einer neueren Studie konnte gezeigt werden, dass noch Monate nach einer Infektion entzündliche Veränderungen in den Herzmuskeln von Patienten gefunden wurden. Man spricht dann von einer „Myokarditis“, einer häufigen Ursache von Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche. Auch andere Viruserkrankungen können eine Myokarditis verursachen. Manche Patienten erkranken so schwer, dass sie nur durch ein Spenderherz gerettet werden können.

Die schweren Verläufe betreffen aber nur 20 Prozent der Infizierten. Bei einem massenhaften Ausbruch der Infektion können das jedoch so viele werden, dass die stationären Behandlungs-Ressourcen kollabieren. Die Bilder aus Italien und Spanien sollten uns noch in lebhafter Erinnerung sein. 90 Prozent überleben die Erkrankung. Von den Infizierten bleibt fast 80 Prozent eine Krankenhausbehandlung erspart. Von den letztgenannten bleibt sogar fast die Hälfte frei von Symptomen. Sie sind es, die einerseits das „Grundrauschen“ der Infektion aufrechterhalten. Anderseits suggeriert ein solcher Verlauf eine vermeintlich harmlose Infektion, so dass ein Teil der Bevölkerung, insbesondere der jüngeren Generation, kaum einen Gedanken daran verschwendet. Dabei weiß man derzeit nichts darüber, ob gravierende Spätfolgen nicht auch nach leichtem oder gar symptomlosem Infektionsverlauf möglich sind.

Unter den leicht Erkrankten, von denen gibt es auch in der Bevölkerung unter 50 viele, gibt es dafür häufiger Berichte von neurologischen Symptomen, allen voran einem vorübergehenden Geschmacks- und Geruchsverlust. Das Symptom scheint für viele verschmerzbar, ist aber ein Ausdruck davon, dass Covid-19 im gesamten Nervensystem entzündliche Schäden anrichten kann. Sogar epileptische Erkrankungen können eine Folge sein.

Mit Schäden am Nervensystem, möglicherweise auch am Gehirn, dürfte eine häufige Folge – fast 50 Prozent - zusammen hängen, die den medizinischen Begriff „Fatigue-Syndrom“ trägt. Hierbei tritt eine geradezu bleierne Erschöpfung auf, die durch eine vorangegangene Anstrengung nicht erklärbar ist. Nicht wenige spüren die Folgen des Virus, das eigentlich längst weg ist, noch Monate später mit jeder Treppenstufe, jedem überstandenen Arbeitstag oder jeder versuchten Trainingseinheit. Viele klagen über Muskelschmerzen, Schwäche und nicht erholsamen Schlaf.

Nach einer Influenza-Infektion erholen sich etwa 90 Prozent der Menschen innerhalb von 14 Tagen, während über 30 Prozent der Covid-19-Patienten mehr als drei Wochen nach dem positiven Test noch nicht wieder ihren normalen Gesundheitszustand erreicht haben.

Das alles sind mittelfristige Folgen bei Patienten, die zumindest Symptome hatten. Von langfristigen Folgen dieser Infektion in 5, 10 oder 20 Jahren wissen wir nichts. Wir haben nicht den Hauch einer Erkenntnis, ob das Virus nicht auch bei symptomlos Infizierten in vielen Jahren zu schwerwiegenden Folgeerkrankungen führen kann. Gerade am Nervensystem sind manche Initialschäden zunächst völlig symptomlos. Ähnliches ist von anderen Viruserkrankungen bekannt. So kann nach einer an sich problemlos überstandenen Maserninfektion noch bis zu 10 Jahre später eine Gehirnentzündung auftreten, die obligat und qualvoll zum Tode führt. Spätfolgen an Sinnesorganen sind denkbar, auch die Nieren neigen gerne zu Erkrankungen, die erst symptomatisch werden, wenn es zu spät ist. Sogar Autoimmunerkrankungen könnten ausgelöst werden. Das sind Gespenster, die auch auch die jungen, vermeintlich unverwundbaren Feierbiester fürchten sollten. Wir alten Säcke müssen nicht mehr 30 Jahre im Voraus planen und können uns da entspannt zurücklehnen. Uns treibt kein Zwang auf Malle zu ballern. Wäre ich nochmal 20 Jahre alt, würde ich mich vor diesem noch völlig unkalkulierbaren Virus gewaltig in Acht nehmen.

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Spätfolgen davon, auch bei symptomlosem Verlauf, sind jedenfalls deutlich wahrscheinlicher als eine von Bill Gates angeführte Weltverschwörung.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey