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v.l. Johanna Wieking, Jerome Vazhayil und Neven Nöthig.

Integration andersherum - Theater Kohlenpott

Besuch aus Tralien

„Melancholie in Herne Baukau“: Ihr 15-jähriger Sohn Piet („zwar klein, aber wild wie ein Vulkan“: Jerome Vazhayil) geht als Austauschschüler nach Australien, was seine Mutter (Eine Frau, schön wie ein Model: Johanna Wieking) natürlich traurig stimmt. Andererseits erwarten sie und ihr Gatte (Mann, groß wie ein Baum: Neven Nöthig) im Gegenzug einen Gleichaltrigen namens Dave und sind schon ganz gespannt auf den Jungen aus Down Under. Scheinbar war er nicht in der Maschine aus Sidney, denn Piets Eltern stehen nun schon mehr als eine Stunde bedröppelt am Düsseldorfer Flughafen mit ihrem weithin sichtbaren Schild Welcome, Dave!. Da meldet sich ein uniformierter Airport-Mitarbeiter (Lukas Vogelsang): Ein „schüchterner Junge mit Koffer“ warte seit geraumer Zeit auf seine Gasteltern aus Herne. Die haben schlicht die Wiener Austrian Airline mit der australischen Fluggesellschaft verwechselt.

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Lukas Vogelsang.

Dave (Jerome Vazhavil mit martialischer Maske) sieht nicht nur merkwürdig anders aus mit seinem grünen, von einer Irokesenfrisur gekrönten Kopf und einem krokodilähnlichen Maul mit langen, scharfen Zähnen, er benimmt sich auch seltsam: der australische Junge spricht kein Wort, schläft lieber im Gartenteich als im Bett und schlingt seinen Reiseproviant, das im Koffer mitgeschleppte, schon leicht verweste Hühnchen als Ganzes herunter.

Piets Eltern, die regelmäßig ungewöhnliche Mails aus dem Billabong von ihrem Sohn erhalten („alle gehen auf vier Händen und liegen am Strand, auch wenns regnet“), finden Dave nicht weniger merkwürdig, andererseits aber begegnen sie seinen Eigenarten mit sympathischer Aufgeschlossenheit. Was man von ihrem Umfeld nicht gerade behaupten kann: Der übergriffige Nachbar Fred Sprüngli (Lukas Vogelsang) will den Gast seinem lebendigen Museum friedlicher Artenvielfalt einverleiben, während die Schuldirektorin den Gasteltern empfiehlt: „Machen Sie einen deutschen Jungen aus ihm. Hilfsbereit, einfühlsam und friedlich. Wir sind doch so ein nettes Völkchen.“

Das Kind passt sich nicht an? Da drehen die Gasteltern kurzerhand den Spieß um, geben sich nicht nur outfitmäßig australisch-locker und laden zur Pool Party ein. „Jetzt ist er einer von uns, weil wir eine von ihm geworden sind“: Dave ist begeistert - und kümmert sich rührend ums Baby Flora, damit die Gasteltern ihren Hochzeitstag außer Haus genießen können. Der Barkeeper (Jerome Vazhayil) allerdings stammt aus Australien und erkennt im Handy-Familienfoto, dass es sich bei Dave um ein Saltie handelt, ein im Salzwasser lebendes Krokodil…

„That is Ruhrgebiet. Wir sprechen hier deutsch. We speak german“: Jedes Land hat nun einmal seine Regeln und an die müssen sich alle halten, oder? In Martin Baltscheits Theaterstück „Besuch aus Tralien“ nach seinem gleichnamigen illustrierten Kinderbuch von 2017 geht es um die Frage: Wie fühlt es sich an, fremd zu sein? Sind wir nicht alle ein bisschen aus Tralien? Der Comiczeichner, Illustrator, Schriftsteller, Schauspieler und Regisseur Baltscheit, Düsseldorfer des Jahrgangs 1965, wird viel gespielt. „Der Löwe, der nicht schreiben konnte“ kam am Westfälischen Landestheater Castrop-Rauxel heraus und die Berliner Grips-Uraufführung „Die besseren Wälder“ steht am Düsseldorfer Schauspielhaus auf dem Spielplan.

Frank Hörner, jüngst mit dem Kölner Theaterpreis für „Das doppelte Lottchen“ am Comedia-Theater in der Südstadt ausgezeichnet, hat das im vergangenen Jahr an der Münchner Schauburg uraufgeführte Familienstück für alle ab acht Jahren am 24. Februar 2019 am Theater Kohlenpott herausgebracht. In einer an Museums-Vitrinen erinnernden Ausstattung von Stefanie Stuhldreier wird binnen einer wie im Fluge vergehenden Stunde viel gesungen (Musik: Sebastian Maier, Liedtexte: Jerome Vazhayil). Dem vierköpfigen Klasse-Ensemble gehören mit Neven Nöthig („Tschick“) und Jerome Vazhayil („Ich bin Jerry“) zwei bewährte Kohlenpott-Darsteller und zwei Herne-Debutanten an: Johanna Wieking, seit Jahren durch Engagements am Schauspielhaus Bochum sowie den Off-Bühnen Prinzregent und Rottstraße5 in der ganzen Region bekannt, und Lukas Vogelsang, der nach ersten Engagements bei Hans Dreher an der Rottstraße nun für vier Jahre zur Ausbildung ans renommierte Mozarteum nach Salzburg wechselt.

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  • Sonntag, 6. Oktober 2019, um 16 Uhr
Donnerstag, 21. März 2019 | Autor: Pitt Herrmann