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Nan Goldins erfolgreicher Kampf

'All The Beauty And The Bloodshed'

Die amerikanische Fotografin Nan Goldin, am 12. September 1953 in Washington D.C. geboren, ist ein Star in der modernen Kunstwelt. Verwurzelt in der New Yorker No-Wave-Underground-Bewegung, hat sie seit den frühen 1970er Jahren die Kunst der Fotografie revolutioniert.

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Mit ihrer Diashow „The Ballad of Sexual Dependency“ (1979) und der von ihr kuratierten und organisierten multidisziplinären Aids-Ausstellung „Witnesses: Against Our Vanishing“ (1989) dokumentierte sie das intime eigene bisexuelle Leben und das ihrer (Künstler-) Freunde in schonungsloser Offenheit. Seinerzeit vielfach skandalisiert, da sie die Definitionen von Gender und Normalität stets in Frage stellte.

Eigene Opioid-Abhängigkeit überlebt

Ende 2017, nachdem sie ihre eigene Opioid-Abhängigkeit überlebte, widmete sich Nan Goldin einer neuen Aufgabe. Sie wollte ihre Stellung in der Kunstwelt nutzen, um die mächtigen Kräfte zu bekämpfen, die vom Leiden anderer profitieren. Zusammen mit anderen Künstlern und Aktivisten gründete Nan Goldin P.A.I.N. (Prescription Addiction Intervention Now), eine Organisation, die sich für die Schadens- und Überdosis-Prävention einsetzt und die Milliardärsfamilie Sackler für ihre skrupellose Rolle in der Opioid-Krise zur Verantwortung ziehen möchte.

Nan Goldin bei einer Protestaktion ihrer Organisation P.A.I.N. mit Medizinstudenten.

Vorrangiges Ziel aufsehenerregender Aktionen wie „Tempel des Geldes – Tempel des Todes“ im Sackler-Flügel des „Museum of Modern Art“ (MoMa) war der milliardenschwere, aus drei Familien bestehende Sackler-Clan, dem das inzwischen insolvente Unternehmen Purdue Pharma gehörte. Es stellte nicht nur das Heroin-ähnliche, stark süchtig machende Schmerzmittel OxyContin her, sondern machte sich auch im Zusammenhang mit der Vermarktung des Medikaments wegen Verschleierung und aggressiver Methoden schuldig.

Mäzene für große Museen

Die Sacklers traten als Mäzene für große Museen und prestigeträchtige künstlerische Projekte auf, hier setzte Nan Goldin an. Mit publicityträchtigen Aktionen zwang sie große Einrichtungen wie den Pariser Louvre, die Londoner Tate Gallery oder die New Yorker Institutionen Solomon R. Guggenheim Museum und Metropolitan Museum of Art, ihre Sponsoren-Politik zu überdenken und sich letztlich von den Sacklers zu distanzieren.

„Ich habe mich auf die Sacklers konzentriert, weil ich diesen Namen kannte. Ich dachte, es sei der Name dieser sehr großzügigen Philanthropen, die die Kunst unterstützen, die ich liebe“, so Nan Goldin im Plaion-Presseheft: „Und dann fand ich heraus, wie schmutzig ihr Geld ist. Ich fand heraus, dass sie es waren, die die Droge produzierten und vermarkteten, von der ich selbst abhängig wurde.“

Freiheitsdrang war Vorbild und Antrieb

„All The Beauty And The Bloodshed“ ist ein über zwei Stunden fesselndes Porträt der hierzulande noch zu wenig bekannten Künstlerin und Aktivistin Nan Goldin, gewidmet deren Schwester Barbara, die sich in jungen Jahren vor einen Zug geworfen hat. Ihr Freiheitsdrang war Vorbild und Antrieb für Nan Goldin. Laura Portras, die 2015 für ihren Dokumentarfilm „Citizenfour“ über den US-amerikanischen Whistleblower Edward Snowdon mit dem „Oscar“ ausgezeichnet wurde, ist eine brillante Collage aus den berühmten Diashows und seltenen Aufnahmen Nan Goldins gelungen, angereichert mit sehr persönlichen Gesprächen und toller Musik (Maria Callas mit „Casta Diva“ aus Bellinis Oper „Norma“).

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Nach der Uraufführung am 3. September 2022 in Venedig mit dem Goldenen Löwen, dem Hauptpreis des Festivals, ausgezeichnet, kommt die Dokumentation „All The Beauty And The Bloodshed“ am Donnerstag, 25. Mai 2023 in den deutschen Kinos, bei uns zu sehen im Casablanca Bochum, im Roxy Dortmund und in der Galerie Cinema Essen.

| Autor: Pitt Herrmann