
Hans Drehers Abschied vom Prinz-Regent-Theater
Bram Stokers 'Dracula'
„Ich bin Dracula. Willkommen in meinem Haus. Sie werden Hunger haben und müde sein. Die Nachtluft ist kalt. Es ist schon spät. Seien Sie mein Gast“: Als der junge Londoner Anwalt Jonathan Harker ins kakanische Transsylvanien reist, um dem Grafen Dracula beim Kauf eines Grundstücks in der britischen Hauptstadt zu helfen, kann er die Schrecken, die er erleben wird, nicht im Entferntesten ahnen. Als Dracula in London eintrifft, hält er eine ganze Stadt in Atem, bis eine Gruppe von Entschlossenen dem übermächtigen Vampir den Kampf ansagt...
Der irische Theaterkritiker, Zeitschriften-Herausgeber und Manager des begnadeten Shakespeare-Darstellers Henry Irving, Bram Stoker (1845 – 1912), hat mit dem 500-Seiten-Epos „Dracula – Ein Vampirroman“ einen Klassiker der Horror-Literatur geschrieben, der in der Literaturwissenschaft als ein handwerkliches Meisterstück gilt aufgrund der Erzähltechniken, die ihrer Zeit weit voraus waren.
Innovation Phonograph
Nicht zuletzt aus technischer Sicht: Als 1897 die englische Erstausgabe erschien, hatte Thomas Alva Edison 20 Jahre zuvor seinen „Schallschreiber“ genannten Phonographen zum Patent angemeldet. Stokers Roman besteht zu großen Teilen aus Mitschriften dieser „Sprechmaschine“, einer der zukunftsweisenden Innovationen des ökonomisch prosperierenden Victorianischen Zeitalters, die der „Irrenarzt“ Dr. Seward in seiner Londoner Anstalt zum Aufzeichnen der Gespräche mit seinen Patienten benutzt.
Nimmt man das in 27 Kapitel unterteilte Opus Magnum heute in die Hand, wird man nach den in die Geschichte einführenden vier Kapiteln des Tagebuchs besagten Jonathan Harkers mit ständig neuen Einschüben konfrontiert, die der Chronologie der Ereignisse häufig nicht folgen: der Briefwechsel der Fräuleins Mina Murray und Lucy Westrena wird durch Dr. Sewards Diarium unterbrochen, auf den Briefwechsel zwischen Quincey P. Morris und Lucys Verlobtem Arthur Holmwood folgen Mina Murrays Tagebuch, das Logbuch der „Demeter“ und immer wieder Zeitungsausschnitte des Daily Telegraph und der Westminster Gazette, Mina Harkers Tagebuch als Jonathans Gattin ist von Telegrammen, Memoranden und einem Interview mit der Pall Mall Gazette durchschnitten.
Film-Bilder im Kopf
Während wir heute von Dracula ein Bild als übermächtiges Wesen der Finsternis, dessen bloßes, blasphemisches Dasein die Gesetze der Wissenschaft verspottet, vor Augen haben, das von den zahlreichen Verfilmungen etwa mit Christopher Lee oder Klaus Kinski geprägt ist, übernimmt die Bühnenadaption Hans Drehers die komplexe Bauweise des Romans.

Ein Drahtseilakt für die beiden Schauspieler Stefanie Linnenberg („Der Tatortreiniger“, „Claus Peymann kauft sich eine Hose…“) und den auch als (Tier-) Stimmenimitator überzeugenden Matthias Hecht („Moby Dick“, „Der Trafikant“), die in der Biedermeier-Ausstattung von Clara Eigeldinger und Marius Glagovsek immer wieder zwischen der Erzählebene und gespielten Szenen wechseln und dabei in ungezählte Rollen schlüpfen.
Absurder Humor
Wie häufig in Hans Drehers Arbeiten seit legendären Rottstr5-Zeiten liegen in seiner gut einhundertminütigen „Dracula“- Inszenierung absurder Humor (köstliche Postkutschen-Pantomime samt einem Extempore über Zugverspätungen) und existenzielle Abgründigkeit eng zusammen. „Schließlich ist es zwecklos“, so Dreher, „eine Schauergeschichte auf die Bühne zu bringen, ohne das Publikum hin und wieder erschrecken, ekeln oder gruseln zu wollen.“ Wofür auch Dennis Philipp (Licht, Musik, Animation), Slata Didhsun (Zeichnungen) und Christine Rockenfeller (Animation) verantwortlich zeichnen. So wird der Besuch erst ab 14 Jahren empfohlen.
Lieblingsprojekt
„Dracula“, ein schon seit Jahren geplantes Lieblingsvorhaben Hans Drehers, ist sowohl die letzte Premiere des Prinz-Regent-Theaters der Spielzeit 2024/25 als auch die letzte Produktion der amtierenden Theaterleitung aus Anne Rockenfeller und Hans Dreher. Ein Finale mit überflüssigem, weil schon zu oft gesehenem Aus-der-Rolle-Fallen der Protagonisten und einer entsprechend der Vorlage sprunghaften Vermischung der (Neben-) Handlungsstränge, die selbst Kenner des Romans vor Probleme stellt.
Karten für die beiden letzten Vorstellungen am Donnerstag, 12. Juni, 19.30 Uhr und Samstag, 21. Juni 2025, 19.30 Uhr, unter prinzregenttheater.de oder Tel. 0234 – 77 11 17.
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- Samstag, 21. Juni 2025, um 19:30 Uhr