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v.l. Caroline Peters, Chantal Zitzenbacher und Duygu Arslan.

Realsatire zwischen Gender-Wahn und Reform-Islam

Womit haben wir das verdient?

Wanda (Burg-Schauspielerin Caroline Peters einmal mehr eine Klasse für sich) kann mit ihrem Leben zufrieden sein. Sie ist erfolgreiche Oberärztin, Mutter einer 16-jährigen Tochter und einer Adoptivtochter aus Vietnam. Sie hat mit Tony (Marcel Mohab) einen attraktiven, um einiges jüngeren Lebensgefährten und mit Harald (Simon Schwarz) einen Ex-Mann, mit dem sie sich nach wie vor gut versteht. Einschließlich der gemeinsamen Verantwortung für die Kinder. Vor allem aber hat Wanda eines: Haltung. Schon in WG-Zeiten kämpfte sie mit Harald und ihrer besten Freundin Elke (Pia Hierzegger) für Frauenrechte, gegen Rassismus und die Auswüchse des Kapitalismus. Wanda ist naturgemäß voller Überzeugung Atheistin. In ihrem Haushalt wird ganz selbstverständlich von allen gegendert, und das nicht nur sprachlich. Mit dieser Offenheit wurden die Kinder zur Freiheit erzogen und eigentlich besteht das herrlich chaotische WG-Gefühl durch das ständige Kommen und Gehen der umfangreichen Patchworkfamilie noch immer: Ex-PartnerInnen, neue PartnerInnen und deren Kinder geben sich bei Wanda die Türklinke in die Hand. Und trotz gelegentlicher zwischenmenschlicher Unstimmigkeiten klappt das Ganze ziemlich gut.

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Weshalb es Wanda so dermaßen die Schuhe auszieht, als ihr Tochter Nina (Chantal Zitzenbacher) bei der Familientherapie in aller Gelassenheit eröffnet, sie sei online zum Islam übergetreten. „Ich hab‘ dich mein Leben lang feministisch erzogen“ klagt Wanda, die zornbebend mit ansehen muss, wie Nina nun Kopftuch trägt und sich jetzt Fatima nennt. Auch Papa Harald ist entsetzt: Für ihn ist Religion nur ein Hilfsmittel für schwache Menschen. Die Zeiten, als sie Nina spätnachts von Partys abholen und sich von ihrer Tochter als spießig beschimpfen lassen musste, bevor diese das Auto vollkotzte, sind vorbei. Und lassen sich mit der klassischen Bestechungsmethode auch nicht mehr zurückholen: „Du wolltest doch immer schon ein iPad!“ Und dann auch noch das: Sissy (Hilde Dalik), die Neue ihres Ex, ist im sechsten Monat schwanger und will unbedingt katholisch heiraten – aus Familientradition. Eine besondere Überraschung beim großen Familientreffen zu Wandas Geburtstag.

Unerwarteten Beistand erhält Wanda von Hanife (Alev Irmak), der Mutter von Ninas bester Freundin Mayram (Duygu Arslan). Die gläubige Muslima ist von der Kopftuchtragerei ihrer Tochter nicht weniger vor den Kopf gestoßen als Wanda: Dafür ist sie nicht aus ihrer Heimat nach Deutschland geflohen! Andererseits erfährt Wanda vom Schuldirektor (Johannes Zeiler), einem ehemaligen Mitglied ihrer linken Wohngemeinschaft, dass der plötzliche Sinneswandel Ninas auch eine Solidaritäts-Aktion für eine Schulkameradin sein könnte. Der rät zur Gelassenheit: „Es gibt für alles eine Lösung, Verbote sind es nicht.“ Und: Jugendliche sollten da abgeholt werden, wo sie sind. Etwa beim Fastenbrechen in der Moschee, im Halal-Supermarkt statt im Ökoladen oder gar beim Erwerb eines Vollgesichtsschleiers, der tatsächlich zum Sortiment des Wiener Textilhändlers gehört? Wanda und Hanife verzweifeln daran, nichts machen zu können, wenn Kinder flügge werden und ihre eigenen Wege gehen. Immerhin erlangt Wanda so Einblicke in eine Parallelwelt, die das Mittelalter im 21. Jahrhundert konserviert mit einer für die überzeugte Feministin nicht für möglich gehaltenen Selbstverständlichkeit etwa beim Imam (4Blocks-Star Kida Khodr Ramadan) der Moschee ihrer Tochter. Andererseits erlebt die Chirurgin in der Klinik, dass ihre männlichen Kollegen ohne Zögern den OP-Plan zu ändern bereit sind, wenn sich ein Muslim nicht von einer Frau behandeln lassen will…

Eva Spreitzhofer, gebürtige Grazerin des Jahrgangs 1967 und erfolgreiche Drehbuchautorin von Spielfilmen („Tigermännchen sucht Tigerweibchen“), Fernsehfilmen („Heute heiratet mein Mann“) und TV-Serien (Schnell ermittelt), lässt in ihrem Spielfilm-Regiedebut Womit haben wir das verdient? kein Klischee über linke Gutmenschen und orthodoxe Muslime aus. Und stellt dabei in einer Offenheit, wie man sie bei vielen Arthouse-Filmen vermisst, Fragen, auf die unsere westlich-tolerante Gesellschaft Antworten finden muss zwischen Reform-Islam und Gender-Wahn: Was ist radikal? Wie weit kann Toleranz gehen? „Rechte Nationalisten teilen sich das hinterwäldlerische Frauenbild der Islamisten“, so die Regisseurin. „Keine gute Zeit für Wahlen, aber eine perfekte Zeit für eine Komödie, die sich dieser Themen annimmt.“

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Womit haben wir das verdient ist eine realsatirische Komödie, in der sich Publikumslieblinge auch für Nebenrollen nicht zu schade sind wie Emily Cox als Therapeutin und der heimliche „Die Migrantigen“-Star Ali Salman. Eva Spreitzhofer ist im Unterhaltungsgenre eine erfrischende Ausnahme, die Klartext spricht: „Solidarität, Bildung, Feminismus – das ist im Prinzip das Rezept für alles. Ich wehre mich gegen das Argument, dass wir die Frage des Kopftuchs den Muslimen überlassen sollen. Ich setze mich auch dafür ein, dass es Rampen gibt auf Gehsteigen, ohne dass ich im Rollstuhl sitze. Wenn Frauen und Mädchen wie verhüllte Gespenster über die Straßen schleichen, während ihre Männer und Söhne in kurzen Hosen daneben herum spazieren, dann geht es nicht um freie Kleiderwahl. Es gibt bestimmte Dinge, wo eine offene Gesellschaft klar dafür eintreten muss, wofür sie steht.“

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  • Mittwoch, 30. Januar 2019, um 18:30 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann