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Wenn Kontrolleure kontrolliert werden II

Im Prozess der Straßenbahn Herne Castrop-Rauxel GmbH (HCR) gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen zu niedriger Erstattung von Fahrgeld-Ausfällen "für die unentgeltliche Beförderung schwerbehinderter Menschen im öffentlichen Personennahverkehr" im Jahr 2013 ist es jetzt so gekommen, wie es sich in der mündlichen Verhandlung vor der 11. Kammer des Verwaltungsgericts Gelsenkirchen Ende März bereits angedeutet hatte (halloherne berichtete). Die von Rechtsanwalt Polster sowie Prokurist Lüttenberg und Sachbearbeiterin Kornelia Pfeiffer ( beide HCR) vertretene Klage mit einem Streitwert von immerhin 780.534,22 Euro wurde abgewiesen.

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Nachzulesen in einem 30 Seiten starken Urteil, das den Beteiligten in Herne und bei der Bezirksregierung Arnsberg (für das Land) Anfang Mai zugestellt wurde. In ihrem Erstattungsantrag für 2013 war die HCR von Fahrgeldeinnahmen in Höhe von 11.580.626 Euro für 2013 ausgegangen, hatte einen "durch stichprobenhafte Linienerhebung betriebsindividuell ermittelten Schwerbehinderten-Quotienten von 11,87 Prozent" zugrunde gelegt und nach Abzug eines Selbstbehalts den Antrag auf der Basis eines Schwerbehinderten-Quotienten von 10,59 Prozent gestellt. Danach belief sich der vermeintliche Erstattungsanspruch auf 1.226.388 Euro. "Abzüglich der bereits erhaltenen Vorauszahlung von 1.072.874 Euro (vom 25. Juni 2013) bestehe daher ein Restanspruch von 153.513 Euro."

Diese Nachforderung erwies sich für die HCR später als Bumerang. Im Mai 2015 teilte die Bezirkssregierung der HCR mit, "dass das Ministerum für Arbeit, Integration und Soziales (MAIS) in den Jahren 2013 und 2014 eigene Prüfungen vorgenommen habe, um festzustellen, ob die Verkehrserhebungen zur Berechnung des Schwerbehinderten-Quotienten fehlerfrei durchgeführt worden seien." Das Ergebnis war für die HCR ernüchternd. Am 9. April 2013 und am 11. März 2014 hielten die die Kontrolleure kontrollierenden MAIS-Mitarbeiter auf ihren Prüfungsbögen fest, "dass sechs von neun kontrollierten Fahrten fehlerhaft waren." Dabei wurden folgende Verstöße beanstandet: Die Freifahrtberechtigung wurde gar nicht oder nicht ordnungsgemäß auf ihre Gültigkeit geprüft, ein Fahrgast wurde doppelt erfasst, und die (zur Ermittling des Quotienten ebenfalls wichtige) Zahl der sonstigen Fahrgäste wich stark von der Beobachtung ab."

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Ende August 2015 dann das böse Erwachen, als das Land den Erstattungsantrag für 2013 insgesamt "aufgrund des pauschalen landesweiten Vonhundert-Satzes von 3,84 Prozent auf nur noch 444.696 Euro festsetzte. Damit kletterte das Minus auf 780.534 Euro. "Die von der Klägerin HCR durchgeführte Verkehrzählung 2013 und 2014 könne nicht als der im Paragrafen 148 SGB IX geforderte Nachweis anerkannt werden." Das von der HCR nach Ablehnung des Erstattungs-Anspruchs angerufene Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen unter Vorsitz von Dr. Brodale kam nach stundenlanger Verhandlung rechtlich aber auch tatsächlich zur gleichen Auffassung wie das beklagte Land und lehnte die Klage aus Herne ab. Eine Berufung beim Oberverwaltungsgericht Münster ist möglich, bei diesem hohen sechsstelligen Streitwert finanziell aber auch ein großes Risiko. (AZ 11 K 44/16)

| Autor: Helge Kondring