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Die cool cats zur Kontrolle.

Wenn Kontrolleure kontrolliert werden

Der Herne/Castrop-Rauxeler Straßenbahn (HCR) und der auch in Herne mit U-Bahn und Bussen vertretenen Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahn AG (BoGeStra) drohen durch noch nicht zugestellte Urteile des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen finanziell erhebliche Einbußen bei der gesetzlich vorgesehenen Landeszuschüssen für den kostenlosen Transport von "freifahrtberechtigten Schwerbehinderten".

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Beide Gesellschaften hatten nach den Buchstaben des Sozialgesetzbuch Neun (§ 148,5) für das Jahr 2013 zusätzliche Zuschüsse über die vorgesehene Pauschale hinaus beantragt, weil der Anteil der von ihnen beförderten Schwerbehinderten angeblich um mehr als ein Drittel über die durch die ZuschussPauschale abgedeckte Zahl hinausgehe. Bei der Herner HCR belief sich dieser zusätzlich beantragte Zuschuss auf rund 600.000 Euro, bei der BoGeStra auf knapp 850.000 Euro.

Das Landesministerium für Arbeit, Soziales und Integration, das diese Zuschüsse auf der Basis der Einnahmen des jeweiligen Unternehmens berechnet und im Fall Herne eine Jahreseinnahme von 11.586.000 Euro für 2013 zugrunde legte, prüfte beide Anträge und schickte dann seine bei der Bezirksregierung Arnsberg stationierten Kontrolleure los, die die zur Ermittlung des Schwerbehinderten-Quotienten eingesetzten "Verkehrszähler" der beiden Unternehmen unbemerkt im Dienst beobachteten, sich in Bussen, Straßenbahnen und U-Bahnen heimlich Notizen machten und später ihre Beobachtungsbögen ausfüllten.

Bei 16 Kontrollfahrten auf BoGeStra-Linien und neun auf HCR-Linien kamen die Kontrolleure der Kontrolleure schließlich zu dem Ergebnis, dass bei der BoGeStra vier von 16 und bei der HCR sogar fünf von neun Kontrollen der Schwerbehindertenausweise den Anforderungen nicht genügten. Der Nachweis, dass tatsächlich mehr Schwerbehinderte transportiert würden, könne so nicht geführt werden. Und so lehnte das Ministerum die Anträge auf zusätzliche Zuschüsse ab. Das akzeptierten die beiden Unternehmen nicht und zogen vor das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dessen 11. Kammer unter Vorsitz von Dr. Brodale den beiden Klägerinnen nach langer Verhandlung nur wenig Hoffnung machte, weil es an den Beobachtungsbögen der Kontrolleure aus Arnsberg nicht viel auszusetzen gebe.

Ein besonders krasser Fall, so das Gericht, war bei der HCR die Beobachtung von gleich zwei Kontrolleuren, die unabhängig voneinander einem einzigen Verkehrszähler der HCR in einem mit nur 13 Fahrgästen besetzten Bus über die Schulter schauen konnten und beide notierten, dass "die Kontrolle mangelhaft" war. Die Prüfer kritisierten auch, dass in einigen überfüllten Verkehrmitteln eine ordentliche Zählung gar nicht möglich war und auch, dass es zwischen ihren Schätzungen und den späteren Angaben der Verkehrszähler erhebliche Differenzen bei den Fahrgastzahlen gab. Und die spielen bei der Emittlung des Schwerbehinderten-Quotienten auch eine nicht unerhebliche Rolle.

BoGeStra-Anwält Kämper stellte trotzdem einen "Beweisantrag", dem das Gericht nachkommen musste, obwohl es "kaum Sinn macht," wie der Kammervorstzende betonte. Danach sollen die damals überprüften Kontrolleure in den Zeugenstand geladen werden. Da sollen sie sich erinnern, was sie vor vier Jahren an dem und dem Datum zu der oder der Uhrzeit genau gemacht haben. HCR-Anwalt Polster verzichtete nach Rücksprache mit HCR-Prokurist Lüttenberg und seinen Begleitern Kornelia Pfeiffer sowie Bernd Rasche auf einen solchen Antrag.

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Das Herner Urteil (AZ 11 K 44/16) wird noch im April zugestellt. Die BoGeStra muss erst noch auf die von ihr beantragte Beweisaufnahme warten, wobei beide Klägerinnen bei der erwarteten und angedeuteten Abweisung ihrer Klagen den Gang in die Berufung zum Oberverwaltungsgericht in Münster prüfen wollen.

| Autor: Helge Kondring