Empfang für Helmut Bettenhausen
Vorreiter der Industriekultur
Am Samstag (26. 10.2025) hatte die Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 zum Empfang geladen, um ihrem Gründer Helmut Bettenhausen zum 90. Geburtstag (halloherne berichtete) zu gratulieren. In seiner Festrede betonte der langjährige Direktor der Kunsthalle Recklinghausen, Prof. Dr. Ferdinand Ullrich, dass der gebürtige Wanne-Eickeler zu den Vorreitern der Industriekultur im Ruhrgebiet gehört. Musikalisch umrahmt vom Wanne-Eickeler Musiker Eckard Koltermann auf der Bassklarinette nahm Helmut Bettenhausen die Glückwünsche zahlreich erschienener Gäste aus Politik und Kultur entgegen.
Gratulanten aus Politik und Kultur
Unter ihnen die amtierende Kulturausschuss-Vorsitzende im Rat der Stadt Herne, Bettina Szelag, und der kulturaffine ehemalige Stadtdirektor und Kämmerer Heinz-Peter Drenseck, aber auch Emschertal-Museumsdirektor Dr. Oliver Doetzer-Berwege und Hassan Jelveh, Vorsitzender des Herner Künstlerbundes HKB ‘90. Das Kauengebäude war zum Empfang mit Bettenhausens großformatigen Frottagen herkömmlicher Kanaldeckel, einer Auswahl seiner mehrfach preisgekrönten Plakatmotive sowie einer Fotostrecke zu seinen Land-Art-Aktionen geschmückt – Beispiele für das enorme Spektrum seines künstlerischen Schaffens.
„Live fast – die jung“ gelte für Helmut Bettenhausen zum Glück nicht, erinnerte der langjährige Kurator der Ruhrfestspiele an allzu früh verstorbene Künstler wie Franz Marc (im Alter von 36 Jahren) und Wilhelm Lehmbruck (38). Im räumlichen Sinne weit gebracht habe es der Jubilar zwar nicht, der stets seiner Heimat, Wanne-Eickel und dem Ruhrgebiet, treu geblieben sei. Provinz sei bei Bettenhausen aber lediglich als eine geographische Kategorie zu verstehen, nicht als eine geistige.
Von der Land-Art zur Landmarke
Er habe das Revier als Motiv und Motivation verstanden und sei zumindest einer, wenn nicht „der“ Vorreiter der Industriekultur, die schließlich in die Europäische Kulturhauptstadt 2010 mündete. Bereits 1983 habe der gebürtige Wanne-Eickeler ein Symposium zur Kultur an Ruhr und Emscher in der Essener Zeche Carl mitorganisiert, mit der Gründung der Künstlerzeche Unser Fritz 2/3 einen Meilenstein gesetzt und durch zahlreiche öffentlichkeitswirksame Aktionen in der Industrielandschaft eine neue Bewegung in Gang gesetzt, die 1989 zur Internationalen Bauausstellung Emscherpark führte mit zahllosen Landmarken zwischen dem Westpol in Kamp-Lintfort und dem Ostpol in Bönen. Übrigens beides Arbeiten von Mischa Kuball, der in Herne die Installation „Oval Light“ an der Akademie Mont-Cenis verwirklichte. Letztlich gehen auch Folgeprojekte wie die „Route der Industriekultur“ und die jährliche „ExtraSchicht“ auf Initiativen von Roland Günther, Karl Ganser und (Aktions-) Künstler wie Helmut Bettenhausen, dem Mitbegründer der Künstlergruppe „B 1“ zurück.
Angewandte und freie Kunst
Ullrich rekurrierte auf die akademische Unterscheidung zwischen angewandter und freier Kunst, die so unsinnig ist wie die zwischen E- und U-Musik, also zwischen Ernster (klassischer) Musik und Unterhaltungsmusik. Für Helmut Bettenhausen, der wie seine ganze Generation geprägt worden ist durch die abstrakte Kunst der Nachkriegszeit, durch Informel, abstrakten Expressionismus und Serialität, ist das Formgefühl und die Gestaltung in der angewandten und der freien Kunst gleichgewichtig. Er gestaltete in seinem Hauptberuf als Gebrauchsgrafiker bei der Stadt Herne Ikonisches wie das bis heute millionenfach gedruckte Windrad als Markenzeichen der Cranger Kirmes.
„Schwarzweiß ist sein dominantes Farbspektrum“, so Ullrich, „die Farbe ist bei Helmut Bettenhausen zumeist ein Element der Störung.“ Seine Materialien wie Bitumen, Stahl, Kunststoff, Pappe und nicht zuletzt Rost haben unmittelbaren Bezug zur Industrieregion. So habe er seinerzeit den industriellen Schutzanstrich Mennige, der heute aufgrund seiner Giftigkeit keine Verwendung mehr findet, als farbintensives Material für seine „Signaturen der Arbeit“ verwendet.
„Genial einfach und bildmächtig“: Als Bettenhausens aus seiner individuellen Sicht bedeutendstes Werk bezeichnete Prof. Ullrich das „Migrationsobjekt“, 2007 auf einem auf dem Cranger Kirmesgeländer stehenden Kleinbunker aus Beton entstanden: Das christliche Kreuz trifft auf den islamischen Halbmond und erinnert an die beiden großen Einwanderungswellen in den Ruhrbergbau zur Jahrhundertwende um 1900 sowie in den 1960er Jahren.