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Jay (Ben Wichert) hält Bex (Svenja Jung) beim Tanz in seinen Armen.

„Fly“ neu im Kino

Tanzen als Überlebenstraining

Die 20-jährige, nur Bex genannte Rebecca (Svenja Jung) wird nach einem von ihr verschuldeten Unfall auf einer Spreebrücke von Alpträumen geplagt, ist ausgerastet und im Gefängnis gelandet. Um die Haftzeit zu verkürzen, aber auch, um der Traumatisierten aus der eigenen Isolation herauszuhelfen, raten ihr der Bewährungshelfer (Daniel Hauer) sowie ihre so empathische wie eloquente Anwältin Dr. Goldberg (Katja Riemann) zur Teilnahme an einem Resozialisierungsprojekt. Dass die engagierte Sozialarbeiterin Sara (Nicolette Krebitz) beim Gefängnisdirektor (Peter René Lüdicke) und dem nicht weniger skeptischen Herrn Hartmann (Aleksander Jovanovic) vom Berliner Kultursenat durchzusetzen vermochte: Tanzen als Überlebenstraining.

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„Kartoffel im Anzug“ heißt es abschätzig bei der multikulturellen Truppe, als sich ihr der Tanzlehrer Gzibowski (Andreas Pietschmann) vorstellt. Der kann mit Street Dance freilich nichts anfangen wie umgekehrt seine Schützlinge nichts mit Walzer und Tango. So muss Sara eine neue Mentorin suchen, die so schnell nicht die Brocken hinwirft – und findet sie in Person der burschikosen Taxifahrerin Ava (Jasmin Tabatabai), die selbst zu viel erlebt und verbockt hat, um sich von den machohaften Kerlen provozieren zu lassen. Seid ihr Bruder Nouri (Burak Yigit) bei einem Brand ums Leben kam, ist ihr Traum von der eigenen Tanzschule geplatzt. Nun aber verspürt sie richtig Bock, die jungen Leute, teilweise Freigänger oder bereits auf Bewährung draußen, mit ihrer Begeisterung für den Tanz anzustecken.

The Battle is on - und Fahid (Majid Kessab) mittendrin!

„Was wollt ihr im Leben erreichen, mit eurem Leben anfangen?“: Der zunächst als „Oma mit Hüftschaden“ verspotteten Ava gelingt es tatsächlich, die Einzelkämpfer in eine Gruppe einzubinden. Einschließlich Bex, die sich zu Jay (erste Kinohauptrolle für Ben Wichert) hingezogen fühlt, einem etwas anderen, Rilke-Gedichte aus dem Kopf rezitierenden Tänzer, der rasch zum Anführer der „Resis“ mutiert. Welche sich bald bewähren können bei zwei Battles gegen professionelle Street Dancer (um den Teamboss Benny Kimoto) in ausgesuchten Locations im Westen (Flugfeld Tempelhof) und Osten (das seit 2002 geschlossene SEZ in Friedrichshain) der Hauptstadt. Am Ende ist Bex sogar in der Lage, ihr Unfallopfer André (Farba Dieng) in der Reha-Klinik zu besuchen…

Der erste deutsche Urban Dance Film überhaupt begeistert über 110 Minuten mit dem hochkarätigen Ensemble der 1993 in Berlin gegründeten Gruppe „Flying Steps“ samt dem mehrfachen deutschen Meister im Hip-Hop-Freestyle und künstlerischen Leiter der Hamburger Hip-Hop-Academy Ben Wichert, mit grandiosen Choreographien von Yaman Okur (Paris) und Philipp „Pacman“ Chbeeb (Los Angeles) sowie mit außergewöhnlichen Locations wie dem Bode-Museum, dem Berliner Landgericht oder der Ruine der Franziskaner-Kirche an der Klosterstraße. Für künstlerische Vielfalt sorgen u.a. der mehrfache Welt-, Europa- und Deutsche Meister im Breakdance, Sebastian „Killasebi“ Jäger, der zweimalige Hip-Hop-Weltmeister Majid Kessab, der Deutsche Hip-Hop-Meister Luwam „Luulu“ Russom sowie der auf Popping im Stehen spezialisierte Wave-Star Christian „Robozee“ Zacharas.

Seit Katja von Garniers Filmerfolg „Bandits“ von 1997, der Geschichte von vier Frauen, die sich im Gefängnis kennenlernen, im Rahmen eines Rehabilitierungsprogramms eine Band gründen und durch die Musik dem Knast entkommen, standen in „Fly“ Jasmin Tabatabai, Nicolette Krebitz und Katja Riemann erstmals wieder gemeinsam vor der Kamera. Die Regisseurin Katja von Garnier im Studiocanal-Presseheft: „Ich hatte meinem Sohn damals Karten für Flying Bach zum Geburtstag geschenkt und wir haben natürlich dann auch Flying Illusions im Tempodrom gesehen. Nicolette Krebitz hatte mir ursprünglich von den Flying Steps erzählt und von deren positiven Spirit geschwärmt. (…) Das Herz unserer Geschichte ist die Frage: Welche Limitationen haben unsere Hauptfiguren? Was haben die verbockt, dass sie ins Gefängnis gekommen sind? Und wie finden sie auf einen Weg zurück, der in eine bessere Zukunft führt?“

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„Fly“ ist am 14. Oktober 2021 in unseren Kinos gestartet und wird u.a. im Metropolis Bochum, im Union Bochum, in der UCI Kinowelt Ruhrpark Bochum, im Cinestar Dortmund und im Cinemaxx Essen gezeigt.

| Autor: Pitt Herrmann