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Dr. Renate Sommer

Stellungnahme

Sommer: Keine Konsequenzen für die Türkei

Die EU-Kommission hat am Dienstag (17.4.2018) ihren jährlichen Bericht zur Türkei vorgestellt. Darin stellt sie der Türkei zwar das schlechteste Zeugnis in der Geschichte der Beitrittsverhandlungen aus. Konsequenzen, wie die Einstellung der Verhandlungen, werden aber nicht angedroht. Die ständige Türkei-Berichterstatterin der EVP-Fraktion, Dr. Renate Sommer (CDU), kritisiert den viel zu diplomatischen Umgang mit der Türkei: „Obwohl sich der Bericht fast wie ein Horrorroman liest und die EU-Kommission der Türkei schwerwiegende Rückschritte bei Rechtsstaatlichkeit, Meinungsfreiheit und der Unabhängigkeit der Justiz attestiert, werden Ankara keine ernsthaften Konsequenzen angedroht. Die Kommission kündigt lediglich an, keine weiteren Verhandlungskapitel eröffnen zu wollen und unterstreicht sogar ihren Plan, die Zollunion zwischen der EU und der Türkei auszuweiten und zu modernisieren. Dabei käme dies einem Geschenk an Präsident Erdogan gleich, denn die EU ist der mit weitem Abstand wichtigste Handelspartner der Türkei. Die Kommission spricht sich also nicht nur für eine Beibehaltung des Kandidatenstatus der Türkei aus, sondern sie ist auch noch nicht einmal Willens, über die Zollunion Druck auf Erdogan auszuüben, wie es das Europäische Parlament fordert.

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Das Verhalten der EU-Kommission grenzt an Realitätsverweigerung. Erdogan hält nicht nur zahlreiche EU-Bürger als politische Geiseln in Haft, sondern ignoriert auch aggressiv die Hoheitsgebiete anderer EU-Staaten. Erst kürzlich hat die türkische Marine Probebohrungen in zypriotischen Hoheitsgewässern behindert und griechische Patrouillenboote gerammt. Zwei griechische Soldaten wurden von türkischen Grenzschützern verhaftet. Gleichzeitig ist das türkische Militär entgegen jeder Rechtsgrundlage in Syrien einmarschiert.

Selbst das von der Kommission so hoch gelobte Engagement der Türkei im Rahmen des Flüchtlingsdeals scheint nicht so perfekt zu sein, wie es gerne dargestellt wird. Offenbar wurde nicht einmal die Hälfte der nicht-humanitären Projekte, die mit der ersten Tranche von drei Milliarden Euro angestoßen werden sollten, umgesetzt. Einige Mitgliedstaaten weigern sich deshalb, ihren Beitrag für die zweite Tranche zu leisten.

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Insgesamt ist der Türkei-Bericht enttäuschend. Der EU-Kommission geht es ganz offensichtlich nicht um grundlegende europäische Werte, und es ist ihr auch ganz offensichtlich egal, was die europäischen Bürger/innen denken. Geradezu unverschämt arrogant ist aber das Verhalten der Europäischen Kommission gegenüber dem Europäischen Parlament, das die Unionsbürger repräsentiert. Erst drei Tage, nachdem der noch nicht einmal seitens der Kommission offiziell beschlossene Türkei-Bericht gezielt an Journalisten aus verschiedenen Ländern, darunter auch der Türkei, geleakt wurde, sollte es am Dienstagmittag eine kurze offizielle Information für den Außenausschuss (AFET) des Europäischen Parlaments geben. Aber noch nicht einmal diese fand statt. Angeblich musste sich die Kommission noch beraten. Klar ist, sie wird es vorziehen, eine Pressekonferenz zu geben. An diese regelrecht zur Schau gestellte Missachtung werden sich die Abgeordneten erinnern, wenn es im kommenden Jahr darum geht, die neue Kommission zu bestätigen.“

| Quelle: Büro Sommer