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Shakespeare-Ballett in Gelsenkirchen: Ein Sommernachtstraum.

Urkomisches Shakespeare-Ballett: Ein Sommernachtstraum

Schlag nach bei Bridget - im Musiktheater

Gelsenkirchen/Musiktheater im Revier. Lysander (Carlos Contreras) und Demetrius (Louiz Rodrigues) sind beide zugleich in Hermia (ein lachsfarbener Traum: Francesca Berruto) verliebt. Diese liebt jedoch nur Lysander, während Demetrius für Helena (ein Traum in Altrosa: Sara Zinna) alleiniges Objekt der Begierde ist. Das Liebes-Quartett der jungen Leute im sommerlich-leichten Outfit, die Damen mit duftigen Kleidern, die Herren mit feschen Basthüten, wird zusätzlich durcheinandergewirbelt von Theseus (auch als Oberon: Paul Calderone), dem Herzog von Athen, der seine Hochzeit mit der besiegten Amazonenkönigin Hippolyta (auch als Titania: Bridgett Zehr) vorbereitet. Dazu empfängt er auch – in Kostümen samt Ballonmützen der 1920er Jahre - eine Gruppe Handwerker um Peter Quince (Jose Urrutia), die zu Ehren des hochherrschaftlichen Brautpaars das Stück Pyramus und Thisbe einstudieren wollen.

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Shakespeare-Ballett in Gelsenkirchen: Ein Sommernachtstraum.

Weil, zumindest bei Shakespeare, der Vater Hermias vor Theseus seine Tochter anklagt, partout Lysander zu begehren statt den von ihm zum Schwiegersohn erkorenen Demetrius, und der Herrscher ihm Recht gibt, flüchten die Liebenden in den Wald. Und kommen vom Regen in die Traufe. Denn dort herrscht der Elfenkönig Oberon, der ’mal wieder mit seiner Gattin Titania streitet – und ihr in der sehr körperlichen Choreographie Bridget Breiners zu unterliegen scheint, was so natürlich nicht bei Shakespeare steht. Oberon will ihr aus Rache einen üblen Streich spielen. Er lässt sich vom Elfen Puck (glänzt auch als Zeremonienmeister Philostrat: eine ungemein quirlige und dabei umwerfend komische Hitomi Kuhara) eine Wunderblume bringen, deren Saft, in die Augen eines Schlafenden geträufelt, zu sekundenschneller Verliebtheit in das erste Wesen, das der oder die Erwachende erblickt, führt – und sei’s ein Grautier. Dieser Zaubersaft, von Puck fahrlässig angewandt, führt dazu, dass Lysander nun hinter Helena her ist, während die zuvor von Zweien umworbene Hermia leer ausgeht...

So viel Irrungen und Wirrungen spielen in William Shakespeares zwischen 1596 und 1602 entstandener ersten großen Komödie Ein Sommernachtstraum in der Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni, dass man schon ‘mal durcheinanderkommt. Frau nicht, genauer gesagt: Bridget Breiner nicht. Nach gut einem Dutzend großartiger Choreographien seit ihrem Einstieg 2012 mit Der erste Gang, herausragend daneben Ruß (2013) und Charlotte Salomon (2015), geht die zweifache Faust-Preisträgerin im Sommer als Ballettdirektorin ans Badische Staatstheater Karlsruhe.

Nach drei Choreographien auf die Shakespeare-Tragödien Othello (Neufassung 2015), Der Sturm (Prosperos Insel 2016) sowie Romeo und Julia (2018) verabschiedet sich die amerikanische Ausnahme-Tänzerin, Choreographin und Gelsenkirchener Ballettchefin nun mit der Komödie des Elisabethaners schlechthin: A Midsummer Night’s Dream. Ihr souveräner Zugriff auf die personen- wie voltenreiche Traum-Geschichte zeugt von langjähriger Shakespeare-Erfahrung: das Figurenarsenal ist nicht einfach nur abgespeckt, sondern auch sinnvoll verändert. So wird etwa aus Robin Starveling, in der deutschen Übersetzung als Schneider Schlucker bekannt, mit Lucia Solari als Mond ebenso ein weiblicher Handwerker wie aus Snug (dt. Schnock) mit der ausdrucksstarken Komödiantin Sarah-Lee Chapman als Löwe.

Überhaupt das Stück im Stück, das in einer Zeit zu spielen scheint, in der die Bilder laufen lernten. Und in dem sich die Breiner-Compagnie zudem als veritable Percussion-Group auszeichnet: Köstlich Ledian Sotos Nick Bottom (Klaus Zettel) als Pyramus, Valentin Juteaus Francis Flute (Franz Flauth) als Thisbe und Mason Mannings stark geforderter Tom Snout (Thomas Schnauz) als Wand. Doch dieser Hauptspaß wurde am gut zweistündigen, mit stehenden Ovationen gefeierten Premierenabend des 31. März 2019 im Großen Haus des MiR noch getoppt vom koboldartigen Hansdampf Hitomi Kuhara als allgegenwärtiger Puck: Die in Nagasaki geborene Japanerin, im klassischen Repertoire in London und im zeitgenössischen Ballett in Saarbrücken ausgebildet, gehört im dritten Jahr zum Gelsenkirchener Ballett im Revier und beeindruckte in ganz unterschiedlichen Produktionen, so als Mädchen mit den Schwefelhölzern oder als Großmutter in Charlotte Salomon. Den schalkhaften Puck, der kurzerhand gleich alle Handwerker in Tiere verwandelt, als Höhepunkt ihrer Zeit am Kennedyplatz zu bezeichnen, wäre daher ungerecht: Mit ihrer sprechenden Mimik hat sie stets das Publikum begeistert.

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Das sich auch von der Ausstattung Jürgen Kirners (Prosperos Insel, Romeo und Julia) zu spontanem Beifall inspirieren ließ: eine wellenförmig strukturierte Wand mit schmalem Durchlass steht für den Hof von Athen, ein gewaltiger Schirm mit lianenhaften Wurzeln in der Mitte für den mit entsprechender Geräuschkulisse unterlegten dschungelhaft-exotischen Wald. Kostüme, Bühne und nicht zuletzt die Musik fächern die verschlungenen Pfade der Handlung auch ohne Worte auf: Mendelssohn-Bartholdys Sommernachtstraum und „Lieder ohne Worte“ stehen für die höfische und bürgerliche Ebene, zeitgenössische Klänge, live gespielt von Marko Kassl (Akkordeon) und Annette Reifig (Flügel), für den Elfenwald sowie Jazziges von Duke Ellington, aber auch Musik von Gounod über Mancini bis Wagner für das Spiel im Spiel.

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  • Freitag, 5. April 2019, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 28. April 2019, um 18 Uhr
  • Sonntag, 12. Mai 2019, um 18 Uhr
  • Samstag, 25. Mai 2019, um 19:30 Uhr
  • Sonntag, 16. Juni 2019, um 18:56 Uhr
  • Freitag, 21. Juni 2019, um 19:30 Uhr
| Quelle: Pitt Herrmann