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Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Pflegeversicherung – Licht und Schatten

Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Meine Mutter ist fast 95 Jahre alt. Sie ist geistig sehr fit, keine Spur von Demenz. Ihren Haushalt und alles was damit zusammenhängt konnte sie bis­lang selbständig bewirtschaften. Vor 3 Monaten erlitt sie einen Unfall: Bei ei­nem Sturz brach sie sich den linken Unterarm. Plötzlich war sie in fast allen Problemen des Alltags – Körperpflege, Kochen, Essen etc. - auf Hil­fe an gewiesen. Bis sie wieder in ihrer Wohnung leben konnte, benötigte sie für die Übergangszeit Betreuung in einer Kurzzeitpflege. Damit begann das Spießru­tenlaufen durch die Institutionen. Natürlich behauptete die Krankenkasse, dass sie die tollsten Leistungen für die Pflege anbietet. Im Großen und Ganzen ist es auch durchaus bemerkenswert, was den Pflegebedürftigen an Geld- und Sachleistungen angeboten wird. Jedoch, der Teufel liegt wie immer im Detail.

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Da ist zunächst einmal die Bearbeitungsdauer. Alle eventuellen Leistungen der Pflegeversicherung sind von der Feststellung einer Pflegestufe durch den Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MdK) abhängig. Für die Pflege sind jedoch eine Reihe von Maßnahmen auf den Weg zu bringen. So muss das Wohnumfeld pflegegerecht gestaltet werden. Das bedeutete in unserem Fall, dass in der Wohnung alle Schwellen, die das Überqueren mit dem Rolla­tor behindert hätten, entfernt werden mussten. Außerdem musste das Bad pflegegerecht umgebaut werden. Neben einem rutschfesten Boden musste eine ebenerdige Dusche eingebaut werden. Das alles ist ein ziemli­cher Aufwand, der auch mit beträchtlichen Kosten verbunden ist. Zwar kann die Pfle­geversicherung die Baumaßnahmen mit bis zu 4000 Euro bezuschus­sen. Al­lerdings ist mir bislang nicht klar geworden, wovon die Höhe des Zu­schusses abhängt. Gezahlt wird auch erst, wenn alle Maßnahmen abgeschlossen und bezahlt sind.

Gegebenenfalls muss ein Pflegedienst beauftragt werden. Oft ist auch eine 24-Stunden-Betreuung erforderlich. Manche Pflegebe­dürftige brauchen Essen auf Rädern oder Hilfe beim Einkaufen und im Haus­halt. Auch die Organisation dieser Probleme hat zunächst ohne irgendeine Form von Sicherheit bezüglich der anfallenden Kosten zu erfol­gen. Im Falle meiner Mutter kam die Mitarbeiterin des MdK fast sechs Wochen, nachdem wir die Feststellung einer Pflegestufe beantragt hatten. Bis dahin war unklar, ob mei­ne Mutter überhaupt Leistungen aus der Pflegeversicherung erhält. Bis heute, drei Monate später, liegt uns keine Information über den Umfang der zu erwartenden Leistungen vor.

Ich weiß, ich klage auf einem hohen Niveau. Meine Mutter verfügt über ein geregeltes Einkommen und Rücklagen, aus denen die anfallenden Kosten gedeckt werden können. Sie hat Söhne und Schwiegertöchter, die keine Be­rührungsängste gegenüber Krankenkassen und Behörden haben. Aber wie ergeht es Pflegebedürftigen, die keine Angehörigen haben, die sich kümmern können? In derartige Lücken stoßen dann auch Unternehmen, die nicht nur das Wohl ihrer Kunden im Visier haben.

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Gerade geht durch die Medien, dass russische Pflegedienste die Pflegeversicherungen um Milliarden geschröpft haben. Diese Milliarden hätte man sinnvoller in ein Beratungssystem, das die Pflegebedürftigen durch den bürokratischen Dschungel der Pflegeversiche­rung führt, investiert. Es könnte dabei durchaus im Interesse der Pflegebedürftigen liegen, ein derartiges Lotsen-System bei den Hausärzten anzusiedeln. Die sind am ehesten geeignet, eine Art Anwaltsfunktion wahrzunehmen, natürlich nicht zum Nulltarif.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey