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v.l. Georg Dodegge (Vorsitzender ÜAG), Peter Biesenbach, Lothar Buddinger (ÜAG-Arbeitsgruppe Zwang).

Alternativen zu freiheitsentziehenden Maßnahmen

Pflege ohne Zwang und Gewalt

Essen. Gewalt und Zwang in der Pflege - lange herrschte Schweigen über das bedrängende Thema. Was tun, wenn zum Beispiel eine demenzkranke Frau im Seniorenheim Nacht für Nacht ruhelos umherwandert und andere Bewohner in ihrem Schlaf stört? Fachkräfte des Seniorenheimes haben bisher zur einzigen Lösung gefunden und die alte Dame abends in ihrem Zimmer eingesperrt. Gibt es Alternativen zu solchen freiheitsentziehenden Zwangsmaßnamen in der Pflege?

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Die Überörtliche Arbeitsgemeinschaft für das Betreuungswesen NRW (ÜAG NRW), deren Geschäftsstelle beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) angesiedelt ist, hat am Mittwoch (7.11.2018) in Essen auf einer multiprofessionell ausgerichteten Fachtagung von und mit insgesamt 200 Praktikern aus der Pflege, der Sozialwissenschaft, mit Ärzten, Juristen und Pflegewissenschaftlern versucht, Antworten und Lösungsmöglichkeiten zu dieser Frage zu finden.

In seinem Grußwort unterstrich Peter Biesenbach, Justizminister des Landes NRW, die Bedeutung des Themas Gewalt und Zwang in der Pflege. Zwar sei in den vergangenen Jahren ein deutlicher Rückgang der freiheitsentziehenden Maßnahmen zu verzeichnen, dennoch bleibe es weiter eine große Herausforderung, die Würde des Menschen im Pflegealltag zu achten und Fixierungen zu vermeiden. Die Tagung bot den Teilnehmern einen Überblick über die unterschiedlichen Perspektiven des Themas. Neben juristischen Grundlagen wurden auch medizinische und ethische Aspekte in den Blick genommen und diskutiert.

Dr. Volker Wippermann, Chefarzt der Abteilung Gerontoneuropsychiatrie der LWL-Klinik Hemer, referierte beispielsweise über die Wirkung sowie die Risiken von Medikamenten insbesondere bei geriatrischen und gerontopsychiatrischen Patienten. Die zahlreichen Teilnehmer aus den Pflegeberufen konnten besonders von dem Vortrag des Krankenpflegers und Pflegewissenschaftlers Jörg Burbaum profitieren. Hier wurde deutlich, wie sich viele Fragen und Unsicherheiten im Pflegealltag ergeben, wenn über die Fixierung eines Menschen entschieden werden muss.

Nicht selten sind Pflegepersonen in Heimen oder im ambulanten Bereich mit diesen Entscheidungen überfordert. Die Fachtagung gab Anregungen, um die Sorgen der Beteiligten ernst zu nehmen und wirkungsvolle Maßnahmen zum Erhalt der Freiheit aufzuzeigen. Auffälliges Verhalten von Patienten genauer zu hinterfragen und sich mit der Biographie des Betroffenen zu befassen - das könnte eine humane Alternative zu freiheitsentziehenden Maß-nahmen wie Fixierung oder Medikation sein, so der Ansatz auf der Tagung.

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In dem Fall der demenzkranken Dame hat zum Beispiel ein Gespräch mit den Angehörigen ergeben, dass die Frau früher beruflich als Nachtschwester in einem Krankenhaus tätig gewesen war. Das konnte die Erklärung für ihr nächtliches Herumwandern sein. Die Lösung: Die Dame wird von einer Nachtschwester des Seniorenheimes auf ihrem nunmehr festen nächtlichen Rundgang begleitet und kann anschließend problemlos einschlafen - ohne Einsatz von freiheitsentziehenden Maßnahmen.

| Quelle: LWL-Pressestelle