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Uwe Johansson.

200 Experten diskutierten über Open Doors

Offene Türen in der Psychiatrie

Dortmund. Offene Türen in einer geschlossenen Psychiatrie-Abteilung? Was zunächst als Widerspruch klingt, ist ein erfolgreiches Konzept, das eine positive und offene Haltung gegenüber Menschen mit psychischer Krankheit fördert und damit den Patienten selbst zugute kommt. Der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) setzt das Konzept Open Doors in einigen seiner Einrichtungen um. Rund 200 Fachleute diskutierten am Mittwoch (4.7.2018) bei der 5. Dortmund-Hemeraner Fachtagung in der LWL-Klinik Dortmund über Chancen und Risiken von offenen Türen in psychiatrischen Kliniken.

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Ein Beispiel: In der Gerontopsychiatrie der LWL-Klinik Dortmund ist in der vormals geschlossenen Station P2 die Tür täglich von 8 bis 18 Uhr geöffnet. Auf neun der zehn vormals geschlossenen Stationen ist das in der gesamten LWL-Klinik Dortmund, laut Prof. Dr. Hans-Jörg Assion, Ärztlicher Direktor der LWL-Klinik Dortmund, mittlerweile Alltag. „Das Gefühl freier Entscheidung nimmt bei den Patienten zu und somit sinkt der Druck, sich befreien zu wollen", berichtet Assion. Die Mehrzahl aller gewaltsamen Übergiffe von Patienten in der Allgemeinpsychiatrie lasse sich auf den Druck des Eingeschlossenseins zurückführen. Offene Türen verminderten das Gewaltpotential auf den Stationen deutlich und stärkten die Selbstbestimmung der Patienten. Vier Fragen an Uwe Johansson, Oberarzt der gerontopsychiatrischen Station P2 der LWL-Klinik Dortmund:

Was bedeutet das im Alltag, wenn auf Ihrer Station P2 tagsüber die Türen geöffnet sind?

Uwe Johansson: Wir haben vor allem Patienten mit schizophrenen, affektiven und demenziellen Erkrankungen, die zu einem Großteil auch zwangseingewiesen sind. 70 bis 80 Prozent der Patienten haben eine mittlere bis schwere dementielle Erkrankung, zu der oftmals auch ein starker Bewegungs- und Fluchtdrang gehört. Wir versuchen dabei nicht, die Menschen aktiv in der Bewegung zu hindern, sondern sie zu beruhigen und Ablenkungen zu schaffen.

Mit welchen Methoden schaffen Sie es, dass Patienten die Station nicht verlassen?

Uwe Johansson: Wir haben die Ausgangstür durch ein farbliches Konzept gestaltet. Die Tür ist nicht mehr sofort wahrnehmbar, der Drang zur Tür lässt nach. Wir beruhigen die Patienten mithilfe einer virtuellen Fahrt durch Dortmund, die sie auf einem großen Bildschirm verfolgen können. Das bietet zusätzlich den Vorteil, einen Ansatz für die Biografiearbeit mit den Patienten zu ermöglichen, wenn sie Straßen oder Gebäude wiedererkennen. Ein schön gestalteter, gesicherter Innenhof mit Garten ermöglicht den Blick zum Himmel. Wir haben oft erlebt, dass es für Demenzerkrankte ein bewegendes Erlebnis ist, den freien Himmel sehen zu können. Ergotherapeutische Angebote, Clownsvisiten auf der Station und Musiktherapie sind einige der vielen Möglichkeiten, den Drang zur Tür zu verringern.

Aber was unternehmen Sie, wenn doch ein Patient durch die nicht verschlossene Tür die Station verlassen will?

Uwe Johansson: Wir versuchen, mit dem Patienten über sein Vorhaben ins Gesprächzu kommen. Ein multiprofessionelles und geschultes Team sitzt an der Pforte und geht mit Gesprächen auf den Patienten ein. Wenn klar ist, dass der Patient zum Beispiel aus Neugier nur deswegen die Station verlassen will, weil er einmal die Nachbarstation sehen will, dann begleiten wir ihn dorthin. Ist die Neugier befriedigt, kehrt der Patient auch freiwillig und zufrieden wieder zurück zu seiner Station.

Ist für die Mitarbeitenden auf der Station der zeitliche Aufwand bei geöffneten Türen nicht wesentlich größer?

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Uwe Johansson: Das ist kein höherer, es ist ein anderer Aufwand. Früher führte die geschlossene Stationstür bei vielen Patienten zu mehr Stress und Agressivität, die die Mitarbeiter auf der Station auffangen mussten. Jetzt haben wir mehr Zeit, um auf die Patienten positiv zu- und einzugehen.

| Quelle: Pressedienst LWL-Kliniken