halloherne.de

lokal, aktuell, online.
Chris (Godehard Giese) und Lilly (Karin Hanczewski) im Kinofilm: Bruder Schwester Herz.

Neu im Kino: Bruder Schwester Herz

Franz (Sebastian Fräsdorf) und Lilly (Karin Hanczewski) betreiben gemeinsam im brandenburgischen Engelbach eine Rinderzucht. Die Geschwister genießen ihre Tage als Cowgirl und Cowboy auf der Lennerts Ranch, und zumindest Franz ist damit wunschlos glücklich: auf dem Rücken ihrer Pferde und auch in der Dorfkneipe am Billardtisch. Als er 'mal wieder besoffen seinen Pickup nachts in den Straßengraben setzt, braucht er zwar die Polizei nicht zu fürchten in dieser gottverlassenen Idylle. Auch seinen Vater Heinz (Wolfgang Packhäuser) nicht, der sich seit einem Unfall nur noch mühsam auf Krücken fortbewegen kann und zumeist den Tag über im Schaukelstuhl auf der Terrasse mit der Whiskyflasche und dem geliebten Kofferradio verbringt.

Anzeige: Spielwahnsinn 2024

Dafür muss er seine Schwester um so mehr fürchten. Lilly träumt von mehr als vom Tanzen auf den Festen im Dorf und auf dem eigenen Hof, das sie gerade mit ihrer Mitarbeiterin Sophie (Jenny Schily) vorbereitet, sie will Veränderung. Erst 'mal beruflich: Schwarze Galloway-Rinder, eine ursprünglich aus dem Südwesten Schottlands stammende Rasse, können ganzjährig draußen gehalten werden. Für die anderen Tiere plant sie ein neues Stallgebäude, bastelt seit geraumer Zeit am Modell. Auch der kleine Hofladen könnte eine Erweiterung gut gebrauchen, wenn auch Franz ohne realistische Erfolgsaussicht von einem direkten Autobahnanschluss träumt.

Privat haben die Zeichen lange Zeit nicht auf Veränderung gestanden. Das ändert sich, als Chris (Godehard Giese) mit seiner Band bei der Dorfkirmes auftritt. Der durchaus charmante Hippie, der Chris mit auf die Bühne bittet und anschließend mit ihr im Heu landet, schafft es sogar, dass ihr Bruder eifersüchtig wird. Aber da sich dieser Schluffen keinen Millimeter bewegt, steigt Lilly kurzentschlossen zu Chris ins Wohnmobil und geht mit auf Tour. Franz ist perplex – und zunehmend gestresst. Nun hat er die Ranch samt Vater Heinz, dessen Gattin gerade mit neuem Lover Urlaub in einem indischen Resort macht, an der Backe. Und versteht keinen Spaß, sodass mit Rudi (Karsten Jaskiewicz) einer von nur drei jungen Farmarbeitern das Weite sucht.

Die um einiges ältere Sophie sieht ihre Aktien steigen, kümmert sich um Haushalt, Vater und besonders um den Sohn, den sie bald um den kleinen Finger wickelt. Der Parkplatz weicht einem Gemüsegarten und auch sonst tut sich einiges: Sophie hat Franz überzeugt, erst die Rinder und dann die Ländereien zu verkaufen, um anderswo neu anzufangen. Dafür bedarf es allerdings Lillys Unterschrift, die diese strikt verweigert, als sie unerwartet auf die Farm zurückkehrt. Ist Blut doch dicker als Wasser, versöhnen sich die Geschwister wieder?

Anzeige: Glasfaser in Crange

Bruder Schwester Herz, am 30. Juni 2019 beim Münchner Filmfest uraufgeführt und Mitte Oktober 2019 bundesweit in den Kinos gestartet, spielt wie Valeska Grisebach in ihrem Western von 2017, der erst kürzlich auf Arte seine Free-TV-Premiere feierte und demnächst sicherlich in einer Mediathek von ARD oder ZDF abrufbar ist, virtuos auf der Klaviatur des amerikanischsten aller Genres. Tom Sommerlattes nach seinem Debüt Im Sommer wohnt er unten erneut sonnendurchflutetes sinnliches Kino, das sich zwischen warmherziger Geschwisterkomödie und tragikomischer Liebesgeschichte hin und her bewegt, hat vor allem auch Dank der satten Landlust-Bilder des Kameramanns Willi Böhm Sehnsuchtsmotive zu bieten, die man eher im Wilden Westen der Vereinigten Staaten als in der mitteldeutschen Provinz (gedreht wurde in Dalwitz) vermuten würde: idyllische Landschaft, Pferde, eine Bilderbuch-Ranch und nicht zuletzt Cowboys und Cowgirls, die ihre Tage im Sattel und die Nächte an der Bar verbringen. Unsympathische Großmäuler wie Ronny (Sebastian Freigang), der Kartoffeln für die Industrie anbaut, inbegriffen. Der Western aus Brandenburg ist 'mal 'was anderes, sein offener Schluss hinterlässt aber ebenso zwiespältige Gefühle wie die TV-Ästhetik eines typisch deutschen Befindlichkeitsstreifens, der nur schwer in die Gänge kommt. Dabei ist hier ausnahmsweise keine Rundfunkanstalt Kooperationspartner der Produzentin Iris Sommerlatte aus dem beschaulichen südhessischen Engenhahn-Wildpark.

| Autor: Pitt Herrmann