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Franziska Ferrari, Catherine Chikosi und Peti van der Velde.

Rock of Ages

Musical Comedy am WLT

1987. Das Ende der grottigen Achtzigerjahre in Hollywood ist endlich erreicht. Aber noch geben Haarspray, Likör (Jägermeister!) und Leggins im Bourbon Room, der so ziemlich letzten authentischen Location des zwar heute legendären, damals aber unbeliebten, weil heruntergekommenen Sunset Strips, den Ton an (Bühne: Elke König, Kostüme: Maud Herrlein). Ein Ort, an dem Sexgott Stacee Jaxx (gehört nach Beat-Club und Mixtape schon zur WLT-Familie: Patrick Sühl) die Bühne beherrscht und halbnackte Groupies (Franziska Ferrari, Catherine Chikoski, Svenja Marija Topler) ihre Fantasien in die Tat umsetzen.

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Inmitten dieses Wahnsinns träumt der zunächst nur als Kloputzer engagierte Drew (Stuart Sumner) davon, als umjubelter Rockstar sowohl die Bühne als auch das niedlich-naive Kleinstadt-Girly Sherrie (Lisa-Marie Sumner) zu erobern. Doch die Rock’n’Roll-Romantik-Blase platzt, als mit Hertz Kleinmann (Paraderolle für Guido Thurk) und seinem Sohn Franz (schier umwerfend als schüchternes Papasöhnchen: Emil Schwarz) deutsche Entwickler in die Stadt kommen, um dem ganzen schmuddelig-wilden Sex und Drugs und Rock’n’Roll-Gedöns des Sunset Strips mit deutscher Effizienz und einer klinisch-reinen Shopping-Mall (Adidas-Flagship-Store) den Garaus zu machen. „We built this city on rock an' roll“: Als der Widerstand von Musikbar- (Mike Kühne) und Stripshow-Betreibern (Harden My Heart: attraktive Mama der langbeinigen Damenriege der Venus-Tabledance-Bar: Peti van der Velde) wächst, rücken die Bagger an. „The Final Countdown“…

Lisa Marie und Stuart Sumner.

Die vom musikalischen Leiter des Westfälischen Landestheaters, Tankred Schleinschock, urkomisch inszenierte Musical Comedy Rock of Ages, uraufgeführt am 27. Juni 2005 im King King Club Los Angeles und, von Holger Hauer übertragen, in deutscher Sprache am 7. Juni 2018 im Theater Ulm erstaufgeführt, ist eine echte Entdeckung. Denn die zuckersüße, 2012 von Adam Shankman mit Tom Cruise auch verfilmte Rock’n’Roll-Liebesgeschichte zwischen Drew und Sherrie, in Castrop-Rauxel kongenial besetzt mit dem deutsch-britischen Ehepaar Sumner, nicht zu vergessen aber auch Vesna Buljevic und Patrick Sühl als Sherries besorgte Eltern, entwickelt sich zu den hämmernden Hit-Rhythmen der 1980er-Jahre ganz nebenbei auch zu einer Kritik an der dem Kommerz geschuldeten Verödung unserer Innenstädte, die immer austauschbarer werden. Hier im einmal mehr wundervoll atmosphärischen Parkbad Süd mit ein wenig fiktivem Lokalkolorit aufgeladen: Mario Thomanek als korrupter Bürgermeister und die wunderbare Svenja Marija Topler als seine Stadtplanerin und engagierte Gegenspielerin, die zu „We’re Not Gonna Take It“ im Business-Kostüm rockt!

Die grandiose Show (Choreographie: Barbara Manegold) hat Tankred Schleinschock noch mit kleinen szenischen Petitessen angereichert, die auf bekannte Genrehits außerhalb der Vorlage verweisen wie Webbers Phantom oder Oper (Hannes Staffler) oder Stayin‘ Alive der Bee Gees (Emil Schwarz). Mit besagtem Hannes Staffler als Alt-Star Lonny Barnett hat der Regisseur einen kleinen, feinen Rahmen gespannt: Ihm liegen die Frauen reihenweise zu Füßen, Sherrie, die alles nur magisch findet, eingeschlossen: I Want to Know What Love is. Sie macht freilich ganz eigene Erfahrungen mit der „alten Zapfsäule“ von Womanizer. Dem Südtiroler Musical-Star, weltweit der einzige Schauspieler, der in We Will Rock You alle männlichen Hauptrollen verkörpert hat und der parallel als Titelheld in Jesus Christ Superstar auf der Bühne des Theater Hagen steht, scheint zugleich der Part des immer wieder aus der Rolle fallendes Erzählers auf den Leib geschrieben zu sein.

Im Mittelpunkt aber steht eindeutig die Musik, in gewohnter Qualität live on stage zu erleben mit dem Lippe-Saiten-Orchester in der Besetzung Tankred Schleinschock (Keyboard), Jürgen Knautz (Bass), Marco Bussi (Schlagzeug), Claus Michael Siodmok (Gitarre) und Mathias Fleige (Gitarre). Das Quintett versetzt das begeisterte, nach gut zweieinhalb Stunden stehende Ovationen darbringende und eine Zugabe nach der anderen fordernde Publikum zurück in die Zeit der großen Bands. Und es sind alle dabei: von Def Leppard über Joan Jett, Foreigner, Night Ranger, REO Speedwagon bis hin zu Pat Benatar, Twisted Sister, Poison, Whitesnake und Styx.

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Weitere Aufführungen open air oder indoor gibt’s u.a. am 10. Juli 2019 im Rosengärtchen Wetzlar, am 25. Oktober 2019 im Kurhaus Bad Hamm und am 1. April 2020 im Städt. Saalbau Witten. Alle Termine sind auf der Homepage des Westfälischen Landestheater einzusehen.

| Autor: Pitt Herrmann