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Lidl-Abfindung berücksichtigt zwei Kinder in Guinea

Flüchtling Tata T. verließ vor einigen Jahren mit dem westafrikanischen Guinea eines der ärmsten Länder Afrikas und fand mit der Mutter seiner beiden Kinder in Herne eine neue Heimat und auch eine feste Arbeitsstelle im Zentrallager von Lidl an der Südstraße. Nach Aussage von Geschäftsführer Mendoza jetzt vor dem Arbeitsgericht war Tata T. ein äußerst zuverlässiger Mitarbeiter, der im Notfall sowohl Mehrarbeit leistete aber bei geringerem Arbeitsaufwand auch zu Minusstunden bereit war. "Wenn wir könnten und sich die Situation bei uns wieder zum Positiven ändern würde, würden wir den Mann auch sofort wieder einstellen," so der von Rechtsanwalt Dr. Burg begleitete Gechäftsführer vor der Kammer von Richterin Rohkämper-Malinowski.

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Dort hatte T. mit Rechtsanwalt Kleibömer Kündigungsschutzklage erhoben, weil das Unternehmen ihm und fünf weiteren Kollegen wegen "betriebsbedingter Reduzierung der Arbeitsmenge" im Zentrallager Mitte Januar die fristgerechte Kündigung zum 28. 2.2017 geschickt hatte. Das traf den Mann aus Westafrika besonders hart, musste er doch bisher von seinem Bruttolohn in Höhe von 1.787 Euro auch noch seine in Guinea bei der Großmutter lebenden Kinder im Alter von acht und zehn Jahren versorgen. Die von Arbeitgeberseite angeführte Reduzierung der Arbeitsmenge beruht darauf, dass von Herne aus nicht mehr hundert sondern nur noch 81 Filialen beliefert werden. Dadurch entstanden monatlich mehrere hundert Minusstunden bei der Arbeitszeit, die Lidl in sechs dadurch überflüssig gewordene Arbeitsplätze umgerechnet hatte. Dabei gab es in anderen Fällen auch "akzeptable Abfindungen", wie auch Klägeranwalt Kleibömer der Gegenseite ein Kompliment machte. Im konkreten Fall allerdings stellte das Gericht fest, dass zu den vor allem in den letzten drei Monaten vor der Kündigung herangezogenen Minusstunden "bisher zu wenig vorgetragen" worden sei. Lidl-Gesch#ftsführer Mendoza hatte auf die Frage des Gerichts erläutert, dass zur Berechnung der Stundenzahlen das ganze Jahr 2016 als Zeitraum herangezogen wurde, bevor im Dezember 2016 Verhandlungen mit dem Betriebsrat aufgenommen worden seien.

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Die von der Kammer aufgegriffenen Unstimmigkeiten bei der Feststellung der "Minusstunden" sorgten schließlich dafür, dass sich die Arbeitgeberseite bei der Diskussion über eine gütliche Trennung erheblich auf die Klägerseite zu bewegte. Statt der zunächst angebotenen Regelabfindung von 7.237 Euro brutto schlugen die Lidl-Vertreter wegen der beiden in Guinea "ohne jede Grundsicherung" (Rechtsanwalt Kleibömer) lebenden Kinder seines Mandanten 17.237 Euro vor. Diese Summe erhöhte sich nach getrennten Beratungen beider Parteien schließlich noch auf 22.500 Euro. Dazu die vom Geschäftsführer in Aussicht gestellte Wiedereinstellung für den Fall, dass sich das Arbeitsaufkommen in Herne wieder zum Positiven ändert. Das ist zwar juristisch nicht vollstreckbar, doch, in öffentlicher Sitzung ausgesprochen, immerhin ein Hoffnungsschimmer. (AZ 1 Ca 152/179)

| Autor: Helge Kondring