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Sie sind zwar nicht mehr die Jüngsten, haben es aber noch faustdick hinter den Ohren. v.l. Henry Hübchen, Jürgen Prochnow, Thomas Thieme und Michael Gwisdek.

Free-TV-Premiere

Kundschafter des Friedens

Olsenbande trifft Ocean´s Eleven: Eine Gruppe pensionierter Agenten aus dem Osten, die noch einmal vom ehemaligen Erzfeind, dem Bundesnachrichtendienst, aus dem Ruhestand geholt werden, stehen im Mittelpunkt von Robert Thalheims Komödie Kundschafter des Friedens, die Arte am Freitag, 16. November 2018, um 20.15 Uhr als Free-TV-Premiere ausstrahlt und für sieben Tage in die Mediathek stellt. Irgendwo im tiefsten Katschekistan, einer einstigen Sowjetrepublik, gerät Frank Kern (Jürgen Prochnow), ein als Krankenwagenfahrer getarnter Agent des BND, in eine Grenzkontrolle. Hinter der der KGB-Agent Dimitri Dymov (Wladimir Tarasjanz) steckt, weil er ahnt, dass sich auf der Rückbank Haim Kazan (Husam Chadat) versteckt hat, der zukünftige Präsident des hoffentlich bald wiedervereinigten Landes.

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Kann Paula (Antje Traue) ihrem BND-Kollegen Schell (Florian Panzner) trauen?

Kazan soll in Bonn den Vertrag für die Vereinigung von Ost- und West-Katschekistan unterzeichnen. Aber seit sechs Stunden ist der Kontakt zu Kern abgebrochen, eine Blamage der Bundesregierung vor der Weltöffentlichkeit steht bevor. BND-Chef Anschütz (Walter Kreye) ist so rat- wie trostlos, bis ihn der Sicherheitsmann Marcel Werner (Milan Peschel) anspricht: Er hat auf einem Archivfoto Jochen Falk (Henry Hübchen) wiedererkennt, einen ehemaligen „Kundschafter des Friedens“, wie die DDR ihre Auslandsspione genannt hat. Vielleicht könnte er seine Kontakte zum KGB aktivieren.

Jochen Falk war in den 1970er Jahren mit seinem Team in Ost-Katschekistan aktiv, wurde 1985 enttarnt, über die Glienicker Brücke ausgetauscht und aus dem Dienst entlassen. Er hat längst mit seinem Agentenleben abgeschlossen und genießt lieber eine kultige „Curry ganz“ bei Konnopke in Prenzlberg. Wo die ziemlich dilettantischen Jungsprunde des BND den betagten „Zonen-James-Bond“ abfangen und zum Verhör zu den Agenten Schell (Florian Panzner) und Paula Kern (Antje Traue) bringen.

Zu Falks großer Freude ist der BND „so richtig am Arsch.“ Erst als er dahinter kommt, dass es um Frank Kern geht, den alten Schweinehund, der ihn einst enttarnte, ist er gewillt, ein paar Kontakte zu reaktivieren. Vor Ort versteht sich – und mit seinem alten Team. Was wörtlich genommen werden kann: „Jaecki“, der Techniker (Michael Gwisdek), verdient seinen Lebensunterhalt mit Reparaturen von Haushaltsgeräten und ist Feuer und Flamme, dem einstigen Klassenfeind wenigstens nachträglich zu beweisen, wer der bessere Geheimdienst gewesen ist. Auch „Locke“, der Logistiker (Thomas Thieme), der in ominöse Kreditgeschäfte verwickelt ist, ist sofort mit von der Partie.

Paula Kern, die Tochter des Verschollenen, fliegt als Begleiterin der „DDR-Rentner“ seitens des BND mit. Der Vierte im Bunde soll in Katschekistan dazustoßen: Harry (Winfried Glatzeder), der „Dean Martin des Ostens“, war einst der beste Romeo-Agent, den es je gab. Heute betreibt der unwesentlich gealterte Womanizer eine Bar und importiert exquisite Spirituosen aus aller Welt. Zu seinen Kunden gehört auch das Hotel Tropicana, das gerade erst einen Vorrat Amursk Wodka bestellt hat. Was nur eines heißen kann: Dymov wird dort erwartet…

„Kundschafter des Friedens“ ist mehr Komödie als Agenthentriller, obwohl Robert Thalheim das ganze Arsenal des in Deutschland immer noch vernachlässigten Genrefilms im Stil einer Hommage in Stellung bringt. Der selbst in Nebenrollen hochkarätig besetzte Film verzettelt sich ein wenig in der äußerst verzweigten Handlung. Bei der es am Ende sogar darum geht, ob Paula Kern nun die Tochter des West-Agenten Frank Kern oder seines Ost-Gegenspielers Jochen Falk ist. Schließlich waren beide nahezu zeitgleich mit Paulas Mutter Martha liiert.

Letztlich aber ist es nicht von Bedeutung, wer mit wem noch eine Rechnung offen hat und wer am Ende, mehr wird nun wirklich nicht verraten, im alten Bonner Wasserwerk, dem Bundestags-Plenarsaal bis zur Wiedervereinigung Deutschlands und nun symbolträchtiger Ort für den Einigungsprozess Katschekistans, den spontanen Applaus von Politikern und BND-Agenten einheimst. Und ob er diesen durch den intelligenten Einsatz von vier Büroklammern auch wirklich verdient hat. Das alles ist ebenso schnuppe wie das Resultat des Vaterschaftstests: Paula öffnet den Umschlag des Labors demonstrativ auf der Glienicker Brücke, lacht sich schlapp und vernichtet das Papier.

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Was einzig zählt ist, gut neunzig Minuten einem Quartett gestanderer Defa-Stars zuzuschauen, wie sie mit analogen Hilfsmitteln wie einem vorsintflutlichen Bildschirm aus Stassfurter Produktion made in GDR den Hightech gewohnten jungen Kollegen des BND beweisen, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehören. Henry Hübchen, Michael Gwisdek und Thomas Thieme zählen, Letzterer auch auf der Bühne, zu den gefragtesten Schauspielern im „neuen“ Deutschland. Was leider für den großen Defa-Star Winfried Glatzeder, im Kultstreifen „Paul und Paula“ eine Legende an der Seite Angelica Domröses, so nicht gilt: Er hat sich mit kleineren TV-Rollen und Kudamm-Boulevardtheater begnügen müssen.

| Autor: Pitt Herrmann