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Jahrespressegespräch OVG 2018

Im Jahr 2017 sind bei den sieben nordrhein-westfälischen Verwaltungsgerichten rund 110.200 und damit mehr als doppelt so viele neue Verfahren eingegangen wie 2015 (52.400). Der Anstieg gegenüber dem hohen Wert des Vorjahrs (80.800) um weitere 36 Prozent beruht auf der erneuten massiven Zunahme von Asylverfahren. Das berichtete die Präsidentin des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Dr. Ricarda Brandts beim Jahrespressegespräch am Donnerstag (22.2.2018).

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Die Verwaltungsgerichte haben 2017 rund 76.900 Verfahren erledigt, 13.400 mehr als im Vorjahr; trotzdem ist der Bestand unerledigter Verfahren auf inzwischen 80.200 angewachsen. Ein verwaltungsgerichtliches Hauptsacheverfahren erster Instanz (unter Ein schluss der Asylverfahren) wurde im vergangenen Jahr durchschnittlich nach 8,1 Monaten (2016: 7,8), ein Eilverfahren nach 1,4 Monaten (2016: 1,2) beendet. Auch beim Oberverwaltungsgericht stieg die Zahl der eingegangenen Verfahren, bedingt durch eine Zunahme der Asylverfahren um rund 1.000 Verfahren, um insgesamt 13 Prozent (2017: 6.500, 2016: 5.780). Da aber in etwa gleich viele Verfahren abgeschlossen wurden, konnte ein Anwachsen des Bestands der unerledigten Verfahren verhindert werden. Die durchschnittliche Dauer der Rechtsmittelverfahren ist mit 9,9 Monaten leicht angestiegen (2016: 9,3).

Die Zahl der Asylverfahren bei den Verwaltungsgerichten stieg weiterhin drastisch: von rund 10.100 im Jahr 2013 auf 79.095 Verfahren im Jahr 2017 und damit knapp auf das Achtfache (2015: 21.200, 2016: 51.400). Das entspricht fast der Zahl aller eingegangenen Verfahren im bisherigen Rekordjahr 2016 (80.800). Durchschnittlich 72 Prozent der neuen Verfahren bei den Verwaltungsgerichten waren 2017 Asylverfahren. Die meisten Rechtsschutzsuchenden kamen wie im Vorjahr aus Syrien (12 Prozent); Afghanistan (ebenfalls 12 Prozent) und Irak (10 Prozent) waren aber ähnlich stark vertreten. „Wie bereits im letzten Jahr prognostiziert, konnten die Verfahrenslaufzeiten nicht mehr auf dem niedrigen Vorjahresniveau gehalten werden, sie liegen aber immer noch unter den Werten der Jahre 2014 und 2015“, erklärte Präsidentin Dr. Brandts. „Zwar rechnen wir 2018 mit erheblich geringeren Eingangszahlen, da das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) seine Verfahrensbestände weitgehend abgebaut hat. Jedoch wird es angesichts der hohen Zahl von inzwischen 56.400 unerledigten Asylverfahren trotz der Personalverstärkung und des hohen Arbeitseinsatzes schwer sein, einen weiteren Anstieg der Verfahrensdauer zu verhindern.“ Ein Asyl-Hauptsacheverfahren, das in der Regel eine mündliche Verhandlung erfordert, dauerte in erster Instanz 2017 durchschnittlich 7,1 Monate (2016: 5,8), ein Eilverfahren 1,2 Monate (2016: 0,8; 2015: 1,0).

Beim Oberverwaltungsgericht sind 2017 rund 1.700 Asylverfahren eingegangen. Das ist ein Anstieg um 128 Prozent gegenüber dem Vorjahr (760). Dass die Zahlen nicht parallel zu denen der Verwaltungsgerichte gewachsen sind, liegt nicht nur daran, dass es in Eilverfahren keine Beschwerdemöglichkeit zum Oberverwaltungsgericht gibt. Auch die Rechtsmittelquote in Hauptsacheverfahren ist mit insgesamt 9 Prozent gering. Bezogen auf das BAMF betrug sie 2017 sogar nur rund 1 Prozent: Obwohl die Behörde in etwa 7.200 Verfahren bei den Verwaltungsgerichten unterlegen war, hat sie nur in 73 Fällen Rechtsmittel zum Oberverwaltungsgericht eingelegt. „Das BAMF war offenbar aufgrund der bisher unzureichenden personellen Ausstattung der Prozessabteilung vielfach nicht in der Lage, Rechtsmittel einzulegen. Auch aus diesem Grund konnte die vielfach geforderte Rechtsvereinheitlichung durch zweitinstanzliche Entscheidungen nicht herbeigeführt werden“, so Präsidentin Dr. Brandts. Mit einem Anteil von 30 Prozent kamen auch beim Oberverwaltungsgericht die meisten Rechtsschutzsuchenden aus Syrien, gefolgt von Irak (9 Prozent) und Afghanistan (7 Prozent).

2017 haben die Streitigkeiten um Windenergieanlagen beim Oberverwaltungsgericht einen neuen Rekordstand erreicht. Die Eingänge von Rechtsmittelverfahren, die immissionsschutzrechtliche Genehmigungen von Windrädern betreffen, haben um nochmals 60 bis 70 Prozent gegenüber den bereits hohen Werten der beiden vorangegangenen Jahre (2015: 46 Verfahren; 2016: 43 Verfahren) auf 73 Verfahren zugenommen. Die gestiegenen Zahlen sind insbesondere Ausdruck der vielfach heftigen Auseinandersetzungen vor Ort bei der Planung und dem Bau von Windenergieanlagen.

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„Der Streit um die Windkraft ist ein typisches Beispiel dafür, wie sich gesellschaftliche Probleme in verwaltungsgerichtlichen Verfahren spiegeln“, erklärte Präsidentin Dr. Brandts. Bei der Windkraft ergäben sich konkurrierende Interessen und Zielkonflikte (Ausbau erneuerbarer Energien - ungestörtes Wohnumfeld - Schutz von Natur und Landschaft), die die Verwaltungsgerichte zum Ausgleich bringen müssten. Daran zeige sich beispielhaft die wichtige Befriedungsfunktion, die den Verwaltungsgerichten im Verhältnis des Bürgers zum Staat und der Bürger untereinander zukomme.

| Quelle: Oberverwaltungsgericht NRW