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v.l. Sheelagh (Xenia Wolfgramm), Hape (Mike Kühne) und Anne (Svenja Marija Topler).

Turbulenter Spaß für Hape-Fans

Ich bin dann mal weg

„Dieser Weg ist hart und wundervoll“, schreibt Hape Kerkeling am Abend des 20. Juli 2001 in Santiago de Compostela in sein Reisetagebuch. „Er ist eine Herausforderung und eine Einladung. Er macht dich kaputt und leer. Und er baut dich wieder auf. Er nimmt dir alle Kraft und gibt sie dir dreifach zurück.“ Hans-Peter Hape Kerkeling, 1964 in Recklinghausen zur Welt gekommener Schauspieler, Kabarettist und Entertainer mit Wohnsitz in Düsseldorf, hat sich am 9. Juni 2001, einem regnerischen, nebelverhangenen Tag, in Saint-Jean-Pied-de-Port am Fuß der französischen Pyrenäen auf den 800 Kilometer langen Weg nach Santiago de Compostela gemacht. Als bekennendes Couch Potatoe mit einem elf Kilo schweren knallroten Rucksack, in dem unter anderem eine kleine orangefarbene Kladde steckt. Sie wird sechs Wochen lang allabendlich mit den Notizen – und der finalen Erkenntnis – des Tages befüllt und so zum Ausgangspunkt des 2006 bei Piper in München erschienenen 340-seitigen Reisetagebuch-Bestsellers Ich bin dann mal weg über seinen Fußmarsch auf dem legendären Camino Frances über schneebedeckte Pyrenäengipfel, durch das Baskenland, Navarra und die Rioja, durch Kastilien bis nach Galicien zum Grab des Apostels Jakob. Nach Hörsturz und Gallen-Operation war nicht nur mental, sondern auch medizinisch eine Auszeit geboten.

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„Anscheinend weiß ich ja nicht mal so genau, wer ich selbst bin. Wie soll ich da herausfinden, wer Gott ist? Meine Frage muss also erst mal ganz bescheiden lauten: Wer bin ich?“ Doch bereits die erste Etappe bringt Hape Kerkeling dem Abbruch nahe – 26 Kilometer im Dauerregen. Die ersten Wochen sondert er sich bewusst ab, um zu sich selbst zu kommen. Erinnert sich an seine Brettl-Anfänge noch als Schüler im Rundfunk. Und an seine erste Fernsehshow im Ersten als Neunzehnjähriger, produziert von Radio Bremen. „Entspann dich, Hase!“ beruhigt er sich selbst – und legt in Pamplona einen ersten Ruhetag ein. Hape hat die Zeit und das Geld, um sich nicht in versifften und zumeist überfüllten Pilgerherbergen herumdrücken zu müssen. Er nächtigt in einfachen Pensionen, auf Bauernhöfen und, so zu haben, in luxuriösen Hotels. Und lässt Fünfe gerade sein: Wollen die Beine nicht mehr, hilft entweder ein Viehtransporter oder der Reisebus über allzu steile Bergpässe. Jeder Tag bedarf neuer Motivation: „Sei einfach nur du selbst! Sei nicht mehr und nicht weniger als das!“ Hapes Wandertagebuch ist offen und ehrlich, er sagt seine Meinung etwa über TV-Klatschmagazine und Unterhaltungsshows ohne Rücksicht auf seine Leserschaft. Hape schreckt, je länger er auf dem Camino marschiert, auch vor der nicht gerade populären Frage nach Gott nicht zurück. Er öffnet sich zunehmend anderen Pilgern, genießt Begegnungen und Gespräche. Besonders mit der aus Wellington stammenden neuseeländischen Politikerin Sheelagh, die immer neue Gespenstergeschichten auf Lager hat und sich bald zur Mutter der kleinen Compagnie mausert, und seiner „englischen Wanderbekannten“, der zunächst sehr spröden, weil stets männliche Anmache befürchtenden Liverpooler Akademikerin Anne. Ab Leon sind der Düsseldorfer und seine „zwei rothaarigen Feen“ ein Herz und eine Seele, teilen sogar ein Hotelzimmer miteinander, wenn auch weder das Bett noch gar das Kopfkissen. Am Ende fällt allen der Abschied schwer und Hape Kerkeling resümiert: „Und wenn ich es Revue passieren lasse, hat Gott mich auf dem Weg andauernd in die Luft geworfen und wieder aufgefangen. Wir sind uns jeden Tag begegnet.“

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v.l. Vesna Buljevic, Svenja Marija Topler, Emil Schwarz, Mike Kühne, Burghard Braun und Xenia Wolfgramm.

Zusammen mit der Regisseurin Julia von Heinz haben Jane Ainscough, Sandra Nettelbeck und Christoph Silber 2015 den zum Scheitern verurteilten Versuch unternommen, Hapes rasch zum Bestseller avanciertes, mittlerweile knapp fünf Millionen mal verkauftes Reisetagebuch ohne Banalisierung verlustfrei auf die Leinwand zu bringen. Der warmherzige, mit zahlreichen Originalzitaten durchzogene Neunzigminüter mit Devid Striesow als Hape traf allerdings den ironischen Ton des Ich-Erzählers und hielt sich wenigstens bezüglich der Familiengeschichte (mit Katharina Thalbach als Oma Bertha) eng an die Vorlage. Der Regisseur Urs Alexander Schleiff, Erfurter des Jahrgangs 1970 und Berliner Ernst Busch-Absolvent, der Mitte Dezember 2017 am Westfälischen Landestheater (WLT) debütierte mit der Adaption des Bestsellers „Jesus liebt mich“ von David Safier, hat nun am 8. Dezember 2018 in der ausverkauften Stadthalle Castrop-Rauxel zusammen mit Monika Reithofer eine Bühnenversion vorgestellt, die sich deutlicher als der Film an der Vorlage Hape Kerkelings orientiert, als knapp zweieinhalbstündiges Stationendrama aber kaum mehr an der Oberfläche kratzt als die Leinwandadaption. Dabei hat sich das Duo Reithofer/Schleiff auf die Begegnungen mit den Menschen unterwegs konzentriert und Hapes philosophisch-religiöse Exkurse mit einer Ausnahme am Schluss ausgeblendet. Weil Theater aber immer live ist und das WLT mit Mike Kühne über einen nicht nur äußerlich an Hape Kerkeling erinnernden Schauspieler im Ensemble um das begnadeten Slapstick-Trio Guido Thurk, Burghard Braun und Emil Schwarz verfügt, können sich Hape-Fans auf flott inszenierte pointierte Dialoge und szenische Kabinettstückchen freuen in der wandlungsfähigen Wanderbühnen-Ausstattung von Marlit Moser. Chronologisch werden Ort und Zeit der Handlung eingeblendet, dazu häufig Lichtbilder charakteristischer Gebäude und Landschaften des Camino Frances. Die bestens aufgelegte siebenköpfige WLT-Truppe offenbart enorme Spielfreude in situationskomischen Anekdoten wie gleich zu Beginn im Kleintransporter des seine Schafe auf die Bergweide verfrachtenden Bauern, mit den Feuerwehrleuten an der temporär versiegenden Rolandsquelle oder später auf der Massagebank. Herrlich zickig Svenja Marija Topler als männlichen Pilgern gegenüber höchst misstrauische Anne, saftig-derb Xenia Wolfgramm als Österreicherin und Vesna Buljevic als Schwäbin (und als lebensweise Oma Bertha per Video im fiktiven Zwiegespräch mit Hape).

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  • Mittwoch, 12. Dezember 2018, um 20 Uhr
| Autor: Pitt Herrmann