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Jessica (Ella Frey) und ihr Vater (Martin Wuttke).

Top-Besetzung mit Ella Frey, Martin Wuttke und Sophie Rois

Glück ist was für Weicheier

„So ‘ne Verschwendung, dass die schöne Sabrina stirbt und nicht du“: die zwölfjährige Jessica Gabriel (eine überragende Ella Frey) muss sich von den fiesen Jungs einiges anhören, sich als Judoka aber nichts gefallen lassen, was der eine oder andere auf dem Schulflur schmerzhaft zu spüren bekommt. Ihr Vater Stefan (unter fürchterlicher Perücke: Martin Wuttke), ein Bademeister, ist stets darum bemüht, dem Leben positiv gegenüberzustehen. Was als alleinerziehender Papa zweier Töchter per se schon nicht einfach ist. In höchster Not entspannt sich der Witwer, dessen Gattin Elke vor elf Jahren in Folge eines Autounfalls gestorben ist, mit von Walgesängen unterlegter elegischer Musik. Während Jessica aufgrund ihres burschikosen Aussehens und Auftretens oft für einen Jungen gehalten wird und ständig gegen ihre zahlreichen Ticks vom permanenten Abzählen bis hin zum Geraderücken ihrer Strümpfe ankämpfen muss, kämpft ihre drei Jahre ältere Schwester Sabrina (Emilia Bernstorf) ums nackte Überleben – ohne Aussicht auf Erfolg. Denn sie ist unheilbar lungenkrank, kann nicht mehr operiert werden und ist auch was Medikamente betrifft austherapiert.

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Dennoch würde Jessica sofort mit ihrer über alles geliebten Schwester tauschen, zumal sie stark unter Einsamkeit leidet, was auch mit der völligen Überforderung durch den Haushaltskram zusammenhängt: Papa Stefan flüchtet sich vor den eigenen und familiären Problemen in die immer mehr ausufernde ehrenamtliche Tätigkeit als Sterbebegleiter. Als Jessi sich wieder einmal mit Gewalt gegen Mobbing im Klassenzimmer zur Wehr setzt, schickt sie die wenig empathische Englischlehrerin zum Psychologen (Christian Friedel). Der hat nicht nur Tipps parat, wie Jessica ihre Ticks besser in den Griff bekommt, sondern auch, wie sie Mut fassen kann, um ihren Schwarm Nicolai (Tim Dieck) anzusprechen. „Das Leben ist schön“: Während Papa Stefan auf der Jungfernfahrt des neuen Autos des Nachbarn Horst Krause (Stephan Grossmann) im Überschwang der Glücksgefühle einen Wildunfall baut und sich kaum den Nachstellungen der liebeshungrigen Hospiz-Chefin Renate Gems (Sophie Rois ganz in ihrem Element) erwehren kann, geht es bei seiner Jüngsten darum, die inzwischen nach Hause zurückgekehrte Sabrina aufzumuntern. Die schaut sich im Laptop schon Promotionsvideos an, um ihre Beerdigungskapelle selbst auszuwählen. Was könnte besser sein als Sex, zumal Jessica in einem alten Buch auf ein ganz spezielles Ritual gestoßen ist, das sogar die Heilung verspricht. Nun fehlt nur noch der Junge, um den lebensrettenden Plan in die Tat umzusetzen…

Renate Gems (Sophie Rois) wills wissen.

Glück ist was für Weicheier ist eine in Ostwestfalen gedrehte, hochkarätig besetzte Coming-of-Age-Geschichte, die sich nicht so recht entscheiden kann zwischen ironischer Skurrilität und ernsthafter Einfühlung. In ihrem nach „Die Reise mit Vater“ (2016) zweiten Spielfilm versucht Anca Miruna Lazarescu das Kunststück, Tragik und Humor, Realismus und Spiritualität, Tod-und-Leben-Melodram und Satire auf einen Nenner zu bringen. Doch die Enden dieser Stränge wollen sich einfach nicht verknoten – bis auf eine gewichtige Ausnahme: die grandiose Ella Frey. Die vierzehnjährige Münchnerin mit enormer Kamerapräsenz (Hirngespinster, Auf Augenhöhe, Das Tagebuch der Anne Frank) verkörpert mit der so neurotischen wie selbstlos liebenden Jessica ein Mädchen auf dem Sprung in die Erwachsenenwelt, das nicht nur gegen ihre vielen Ticks, sondern auch um das Leben ihrer Schwester kämpft. „Sie ist tatsächlich der Film“, so die 1979 in Rumänien geborene, seit 1990 in Deutschland lebende Regisseurin: „Wie sie sich allem einfach hingibt, wie sie guckt und sich verlieben kann, wie sie sich demütigen und zusammenschlagen lassen kann, wie sie sich dann wieder zusammenreißt und neuen Lebensmut schöpft und sich nie unterkriegen lässt! Das ist in einer Art und Weise so rührend und emotional zugleich, dass sich selbst eine Koryphäe wie Martin Wuttke am Abschlussabend vor ihr verneigt und ihr gedankt hat, wie sehr sie sich völlig selbstverständlich dem hat hingeben können.“

Die vierzehnjährige Münchnerin mit enormer Kamerapräsenz („Hirngespinster“, „Auf Augenhöhe“, „Das Tagebuch der Anne Frank“) verkörpert mit der so neurotischen wie selbstlos liebenden Jessica ein Mädchen auf dem Sprung in die Erwachsenenwelt, das nicht nur gegen ihre vielen Ticks, sondern auch um das Leben ihrer Schwester kämpft. „Sie ist tatsächlich der Film“, so die 1979 in Rumänien geborene, seit 1990 in Deutschland lebende Regisseurin: „Wie sie sich allem einfach hingibt, wie sie kuckt und sich verlieben kann, wie sie sich demütigen und zusammenschlagen lassen kann, wie sie sich dann wieder zusammenreißt und neuen Lebensmut schöpft und sich nie unterkriegen lässt! Das ist in einer Art und Weise so rührend und emotional zugleich, dass sich selbst eine Koryphäe wie Martin Wuttke am Abschlussabend vor ihr verneigt und ihr gedankt hat, wie sehr sie sich völlig selbstverständlich dem hat hingeben können.“

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Glück ist was für Weicheier ist zur Eröffnung der 52. Internationalen Hofer Filmtage uraufgeführt worden und jetzt bundesweit in die Kinos gekommen, zu sehen im https://www.kino-bochum.de/programm sowie im Rio und in der Galerie Cinema in Essen.

| Autor: Pitt Herrmann