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Patient in Behandlung.

Gedanken zum Gesundheitswesen

Meistens oder die Meisten - wie viele sind das? Rein logisch müsste das mindestens einer mehr als die Hälfte sein. Alle sind 100 Prozent, ohne Ausnahme. Aber so genau nehmen wir das häufig nicht. Da sind die Meisten nur mehrere und Alle nur viele. Derartige Begrifflichkeiten drücken nur unsere Gefühle aus und werden gerne für demagogische Zwecke missbraucht.

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Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Unlängst ging eine Nachricht durch die Medien: 66,7 Prozent der Unternehmer, die Langzeit-Arbeitslose eingestellt hatten, waren mit ihren Mitarbeitern zufrieden. Ehrlich gestanden, das hat mich überhaupt nicht erstaunt. Wir leben in einem Land des sozialen Friedens. Die meisten Menschen (deutlich mehr als die Hälfte) in diesem Land sind verantwortungsvolle Bürger - auch die meisten Arbeitslosen, Hartz IV-Empfänger und Migranten, sogar die Reichen. Unser Land wäre ein Paradies, wenn alle (also 100 Prozent) diese Verantwortung leben würden. Die Reichen wären nicht frustriert, wenn sie die Armen unterstützen. Die Armen fühlten sich nicht in ihrer Würde verletzt, wenn sie - vorübergehend (wie lange ist das eigentlich) - von Transferleistungen leben müssten.

Ich lebe gern in Deutschland und besonders im Ruhrgebiet. Nach meinem Eindruck leben hier besonders viele (gefühlt mehr noch als die meisten) sympathische und verantwortungsvolle Menschen, Arme und Reiche, Arbeitende und Arbeitslose, Einheimische und Migranten. Aber ein Paradies ist Deutschland und besonders das Ruhrgebiet sicher nicht.

Auch wenn die erwähnte Pressemitteilung dies nicht ausdrücklich formuliert, sind aber offenbar ein Drittel der Arbeitgeber mit den eingestellten Langzeit-Arbeitslosen nicht zufrieden. Das ist zwar die Minderheit aber es sind so viele, dass mancher auf die Idee kommen könnte, von den Meisten zu sprechen. Gleichwohl, auch Minderheiten können viele und sogar zu viele sein.

An manchen Stellen konzentrieren sich Minderheiten. Dort stellen sie dann plötzlich die Mehrheit. Wenn man an derartigen Stellen tätig ist, kann sich leicht das Gefühl einschleichen, dass alle sich so verhalten. Schon ist ein Vorurteil entstanden, das der Mehrheit keineswegs gerecht wird.

Was hat das alles mit dem Gesundheitswesen zu tun? Wenn man den Medien folgt, sind alle, die einen Arzt oder ein Krankenhaus aufsuchen, in einer schweren gesundheitlichen Notlage. Man sollte daher meinen, dass jeder (100 Prozent), der ärztliche Notdienste bemüht, ein ernsthaftes gesundheitliches Problem hat. Als die Praxisgebühr eingeführt wurde, musste anfänglich für jede Inanspruchnahme des ärztlichen Notdienstes gezahlt werden. Darunter wäre der Notdienst fast zusammengebrochen - es kam Keiner mehr. Es waren jedenfalls so wenige, dass es sich kaum noch lohnte, für diese geringe Zahl an Patienten die bisherige Organisation des Notdienstes zu erhalten. Es gab jedoch einen ziemlichen Aufstand in den Medien. Alle waren gegen die Praxisgebühr, jedenfalls so viele, dass Ulla Schmidt Angst um ihre Gesundheit (kalte Füße) und ihre Wahlaussichten bekam. Nach wenigen Wochen wurde dann die Praxisgebühr im Notdienst nur noch einmal pro Quartal fällig. Seit der Zeit brummt es wieder im Notdienst. Bemerkenswert ist allerdings, dass die Zeit der Lähmung des Notdienstes ohne Einfluss auf die Sterblichkeitsrate und die Belegung der Kliniken war.

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Im Gesundheitswesen kann man, zumindest als gesetzlich Versicherter, nur (Dienst-) Leistungen in Anspruch nehmen. Diese Leistungen befinden sich in einem Topf mit Deckel. Den Inhalt kaufen die gesetzlichen Krankenversicherungen bei den Kassenärztlichen Vereinigungen. Man nennt das Sicherstellungsauftrag. Kein Patient (0 Prozent) kann eine Leistung kaufen, kein Arzt (0 Prozent) darf eine (Kassen-) Leistung verkaufen. Wenn so eine Leistung gefühlt umsonst ist, neigen viele (zu viele) dazu, mehr als nötig zu konsumieren bzw. zu verteilen. Die Patienten und Ärzte, die sich so verhalten, sind zweifellos eine Minderheit, aber sie verbraten so viel, dass die Mehrheit dafür gehörig zahlen muss.

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey