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v.l. Synchronschwimmer unter sich: Jean-Hugues Anglade, Mathieu Amalric, Guillaume Canet, Benoît Poelvoorde, Philippe Katerine, Balasingham Thamilchelvan und Alban Ivanov.

Neu im Kino

Ein Becken voller Männer

Bertrand (Mathieu Amalric, Grand Budapest Hotel) leidet unter einer schweren Depression. Seit zwei Jahren arbeitslos und aufgrund seines Alters ohne Aussicht auf einen neuen Job, schluckt er Psychopharmaka. Doch er hat Glück im Unglück: Claire (Marina Fois) ist eine Gattin, die ihm über alle Stürme des Lebens hinweghilft. Weil sie ihn so akzeptiert – und liebt – wie er ist. Und versteht, dass er ihren Schwager Thibault (Jonathan Zaccai) nicht erträgt, wenn der BMW-Fahrer ständig über seine beruflichen Herausforderungen klagt. Er hat Bertrand einen Job als Verkäufer in seinem Möbelgeschäft angeboten – aus Mitleid. Claire hat ihren Mann dazu bewegen können, sich in der Schwimmhalle die Zeit zu vertreiben. Dort wird er auf den Werbezettel zu einem Synchron-Schwimmkurs für Männer aufmerksam. Ist das nicht nur ‘was für Frauen?

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Thiery, genannt Titi (Philippe Katerine, Meine schöne innere Sonne), ein eher kindlich-schüchterner, wenn auch bisweilen etwas launischer Schwimmbad-Angestellter, kann ihn beruhigen. Er organisiert den Kurs, dessen Teilnehmer Bertrand wie einen guten alten Bekannten aufnehmen, ohne jeden Leistungsstress wie eine große Familie. Aller Anfang ist natürlich schwer, das weiß auch Delphine (Virgnie Efira, Victoria). Die attraktive junge Trainerin, die den älteren Herren die Philosophie des Synchron-Schwimmens beizubringen trachtet (Sucht die Frau in Euch!), hat nach einem Unfall, der ihre Profikarriere abrupt beendete, schwer mit sich selbst zu kämpfen. Die trockene Alkoholikerin lässt sich zwischendurch immer wieder hängen und ist nicht davon abzubringen, am Beckenrand sitzend zu rauchen.

Es ist eine heterogene Gruppe, die sich aber nach dem Kurs in der Sauna und anschließend beim Bier in der Kneipe schnell näherkommt. Da müht sich der jähzornige Laurent (Guillaume Canet, Zusammen ist man weniger allein), der sich mit seiner bipolaren Mutter (Claire Nadeau) herumschlagen muss, neben dem daueroptimistischen Geschäftsmann Marcus (Benoit Poelvoorde, Das brandneue Testament), der nicht begreifen will, dass seine Pool-Firma schon längst pleite ist. Basile (Alban Ivanov) und Avanish (der Computer-Ingenieur und Musiker Balasingham Thamilchelvan musste erst schwimmen lernen!) überraschen mit einer besonderen Art der Kommunikation, weil Letzterer kein Französisch spricht. Auch der Kantinen-Mitarbeiter Simon (Jean-Hugues Anglade, Ruhelos), der von einer Karriere als Rock-Star träumt, ist dabei und John (Felix Moati), der stärkste Kerl der Truppe: Er bildet später die Unterwasser-Basis der vom Rest der Truppe gebildeten Säule.

Bis es dazu kommt, ist es noch eine Menge Arbeit – für Amanda (am Set schwanger, was ganz selbstverständlich Teil der Inszenierung geworden ist: Leila Bekhti, Paris, je t’aime), die im Rollstuhl sitzende ehrgeizige Trainerin der Wasserballer, die es einfach nicht mitansehen kann, wie Delphine die Zügel schleifen lässt. Nach allerhand Pleiten, Pech und Pannen zieht Amanda die Zügel an, nun geht’s um Atemtechnik, Synchronität und künstlerischen Ausdruck. Und die Kerle ziehen mit – was Claire nicht nachvollziehen kann: das Training artet in regelrechte Arbeit aus! Denn das Ziel scheint allzu hochgesteckt: Synchron-Weltmeisterschaften in Norwegen. Alles muss selbst entwickelt und umgesetzt werden, einschließlich der Musik und der Lightshow. Der Jubel des Publikums und der Sonnenaufgang in der skandinavischen Landschaft sind Entschädigung genug. Und nach überschwänglichen Presse-Reaktionen lässt auch die familiäre Anerkennung daheim nicht länger auf sich warten…

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Das typisch französisch-leichte Feel-Good-Movie des Schauspielers und Regisseurs Gilles Lellouche (Das Leben ist ein Fest, Kleine wahre Lügen), inspiriert von einem Dokumentarfilm von Hugo Seligmac über schwedische Synchron-Schwimmner, ist beste Unterhaltung für die ganze Familie trotz einer Überlänge von 122 Minuten. Uraufgeführt am 13. Mai 2018 im Wettbewerb der Filmfestspiele Cannes erlebte Ein Becken voller Männer seine deutsche Erstaufführung am 28. November 2018 auf der Französischen Filmwoche in Berlin. Für seine Rolle als Thierry wurde Philippe Katerine im Februar 2019 mit dem Cesar (der französische Oscar) als Bester Nebendarsteller ausgezeichnet. Der hochkarätig mit auch bei uns populären französischen und belgischen Komödianten besetzte Film startet bundesweit am 27. Juni 2019, bei uns etwa im Union Bochum. Beim Lichtburg Open Air ist er am 27. August 2019 um 20:45 Uhr am Essener Dom zu sehen und beim Kino-Cafe im UCI Ruhrpark Bochum am 6. November 2019 um 14:30 Uhr.

| Autor: Pitt Herrmann