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Führen die erste schwarz-grüne Koalition in NRW: (li.) CDU-Ministerpräsident Hendrik Wüst mit Mona Neubaur (Grüne), der neuen Ministerin für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.

Stimmen aus der Herner Politik

Schwarz-grüner Koalitionsvertrag steht

Nach gut dreiwöchiger Beratungszeit ist er nun besiegelt, der schwarz-grüne Koalitionsvertrag in NRW. Am Montag (27.6.2022) unterschrieben Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) und die Landesparteichefin der Grünen, Mona Neubaur, den Vertrag. halloherne hat sich bei Vertretern der verschiedenen Parteien in Herne umgehört und ihre Meinungen zum Koalitionsvertrag eingeholt.

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Der Herner CDU-Kreisvorsitzende Christoph Bußmann lobt die Ausarbeitung: „Ich bin sehr positiv gestimmt. Im Koalitionsvertrag wurden viele wichtige Dinge beschlossen wie den Abbau der kommunalen Altschulden. Dies wäre auch ein sehr wichtiges Thema für Herne.“

'Demokratie lebt von Kompromissen'

Weitere wichtige Themen, die im Koalitionsvertrag festgehalten wurden, sind für Bußmann das Thema Sicherheit und die Bekämpfung von Clankriminalität. „Ebenso ist es wichtig, dass Geld investiert wird wie zum Beispiel in den Ausbau von Infrastrukturen, dies kann sich auch für Herne positiv auswirken."

Der CDU-Kreisvorsitzende Christoph Bußmann ist alles in allem zufrieden mit den Ausarbeitungen des Vertrages.

Weiter führt er aus: „Natürlich sind beide Parteien nicht mit allem, was im Koalitionsvertrag steht glücklich. Aber gute Politik zeichnet sich dadurch aus, dass sie kompromissbereit ist. Wir sehen ja leider gerade am Beispiel der USA, was passiert, wenn es keine Kompromissbereitschaft mehr gibt. Alles in allem bin ich der festen Überzeugung, dass sich weder wir, noch die Grünen für den Koalitionsvertrag verbiegen mussten. Mit der schwarz-grünen Regierung kann viel Gutes in NRW erreicht werden. Vielleicht kann sie sogar als Blaupause für den Bund dienen."

'Erstaunt, wie viel wir hineinverhandeln konnten'

Auch Fabian May, der als Landtagswahlkandidat für die Herner Grünen bei der Wahl im Mai antrat, zeigt sich auf Nachfrage von halloherne nicht unzufrieden mit den Ergebnissen des Koalitionsvertrages. „Zunächst war ich skeptisch, weil wir ja wissen, mit wem wir da verhandeln. Aber ich war erstaunt, wie viel wir hineinverhandeln konnten."

Für den Grünen-Bildungspolitiker Fabian May ist es wichtig, dass auch die Bildungspolitik nicht zu kurz kommt.

Für May als Bildungspolitiker war es wichtig, dass es in Sachen Bildung nach vorne geht. „Es ist gut, dass eine Schulbau-Initiative verabschiedet wurde und dass Hauptschulgänge nun an die Realschulen kommen können."

In Sachen Innenpolitik ist May nicht ganz so euphorisch. „Ich finde, hier hätten wir uns mehr durchsetzen können. Gerade was das Versammlungsgesetz angeht oder auch die Unterstützung für die queere Community angeht.

Frisch aus der Regierung abgewählt ist die FDP - daher hatten die freien Demokraten mit einem Koalitionsvertrag nichts mehr am Hut. Mit nur rund 5,5 Prozent der Stimmen war selbst der Einzug in den Landtag lange fraglich.

FDP-Digitalprogramme werden fortgeführt

Der Herner FDP-Vorsitzende Thomas Bloch stimmt daher eher leise Töne an: „Frisch abgewählt darf man keine großen Wünsche äußern. Was mir aber gut gefällt, ist, dass mehrere Digitalprogramme, die von der FDP in der vergangenen Legislaturperiode an den Start gebracht wurden, weiterhin fortgeführt werden. Insgesamt liest sich der Koalitionsvertrag, den ich überflogen habe, aber in vielen Stichpunkten gut.“

Thomas Bloch, Herner FDP-Kreisvorsitzender, zeigt sich in vielen Punkten zufrieden mit dem neuen Koalitionsvertrag.

So meint Bloch weiter, dass viele ambitionierte Aufgaben und Vorstellungen zu finden seien. „Gut ist auch, dass die Altschuldenlösung für die Kommunen gefunden werden soll (halloherne berichtete). Allerdings bleibt hier abzuwarten, was einerseits auf dem Papier steht und was dann später umgesetzt wird. Hier muss auch der Bund reagieren, allerdings ist eine Regelung, die vom Bundesrat abgesegnet wird, schwierig, da manche Bundesländer wie Bayern oder Rheinland-Pfalz derartige Probleme wie wir im Ruhrgebiet nicht haben. Selbst aus dem Rheinland werden wir kritisch beäugt“, findet Bloch.

Ferner sieht er, dass die CDU den Grünen in vielen Punkten entgegengekommen wäre - beispielsweise bei Abstandsregelungen von Windkrafträdern oder dem Tagebau für Braunkohle. „Die CDU musste meiner Meinung nach in den Kompromissen die größeren Kröten schlucken“, sagt der Herner FDP-Vorsitzende.

'Wenig Konkretes dabei'

Einer, der die Umsetzung des Koalitionsvertrages aus nächster Nähe mitverfolgen kann, ist Alexander Vogt. Der Landtagsabgeordnete der SPD sieht das Ergebnis der Verhandlungen von Schwarz-Grün nach den Ankündigungen enttäuschend. „Es sind viele Prüfanträge dabei oder man möchte schauen, wie es wird. Insgesamt wenig Konkretes besonders für Herne. Beispielsweise fehlen mir klare Aussagen zu den Arbeitsbedingungen in der Pflege oder für bezahlbaren Wohnraum. Es sieht viel nach einer Koalition für Besserverdienende aus“, kritisiert Vogt, der noch der Vorsitzende der Herner SPD ist.

Der Herner SPD-Vorsitzende und Landtagsabgeordnete Alexander Vogt sieht noch viel Unkonkretes.

Das gelte beispielsweise auch für mögliche Beteiligungen von Bürgern an Windparks. „Insbesondere für das Ruhrgebiet und Herne hilft das wenig, da sich nur wenige Leute so etwas leisten können“, sagt der stellvertretende Fraktionsvorsitzende.

Bei einem Thema möchte er weiter den Finger in die Wunde legen: Die Zukunft der Zentraldeponie Emscherbruch. Hierzu äußerte sich Vogt bereits am Dienstag (21.6.2022) mit einer Forderung, dass er besonders die Grünen hier Taten folgen lassen sollen (halloherne berichtete). „Jetzt ist es dringend notwendig, die notwendigen Schritte einzuleiten, um die Deponie zu schließen, da dies ein Prozess ist, der mehrere Jahre in Anspruch nimmt. Die kritischen Stimmen von Anwohnern mehren sich, sodass ich hoffe, dass die Grünen diese aufnehmen und umsetzen werden“, hofft der SPD-Politiker.

Einige bekannte Gesichter als Minister

Zu den Ministerbesetzungen, die am Mittwoch (29.6.2022) von CDU-Ministerpräsident Wüst bekannt gegeben wurden, sagt Vogt: „Es sind einige neue Gesichter dabei, aber auch alte Bekannte. Sie werden sich daran messen lassen müssen, ob die Wahlversprechen eingehalten werden.“ So bleib unter anderem Herbert Reul (CDU) Innenminister und Karl-Josef Laumann behält das Gesundheits- und Arbeitsressort. Dorothee Feller (CDU) erhält das komplexe Schul- und Bildungsministerium und ist damit die Nachfolgerin der umstrittenen Yvonne Gebauer (FDP).

Die Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen äußern sich ähnlich. So heißt es zum Koalitionsvertrag, dass sie in dem rund 150 Seiten starken Papier viel Richtiges erkennen, aber noch viel vage Formuliertes dabei wäre und es einigen Anlass zur Kritik gäbe. „Das starke Bekenntnis zum Industrie-Standort NRW und die Pläne zur Unterstützung des Transformations-Prozesses unserer Industrie begrüßen wir ausdrücklich. NRW kann zum Benchmark einer Umgestaltung hin zu klimaneutraler Industrie-Produktion werden. Diese Chance erkennt auch die neue Koalition“, sagt Dirk W. Erlhöfer, Hauptgeschäftsführer der Arbeitgeberverbände Ruhr/Westfalen mit Sitz in Bochum.

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'Zusätzliche Bürokratie wäre ein Stock in den Speichen'

Ebenfalls im Koalitionsvertrag enthaltene Pläne, Behörden aufzustocken und womöglich zusätzliche Bürokratie zu schaffen, sehen die Arbeitgeber dagegen kritisch. „Die Unternehmen an Rhein und Ruhr agieren in einem sehr angespannten Umfeld. Jede zusätzliche Bürokratie wäre ein Stock in den Speichen. Wenn die Aufstockung von Behörden dazu dient, Verfahren, Anträge und Genehmigungen etc. schneller zu erteilen, bedeutet dies dagegen Rückenwind für unsere Wirtschaft“, so Erlhöfer weiter. „Vieles im Koalitionsvertrag ist zur Zeit noch vage formuliert, dementsprechend genau werden wir die Koalition an ihren Taten messen und ihr Handeln konstruktiv – und, wo nötig, auch kritisch - begleiten."

| Autor: Julia Blesgen und Marcel Gruteser