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Eine Kolumne von Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey

Neuerkrankungsrate oder Inzidenz

Teil 2 der Reihe, die Licht in die verwirrende Begrifflichkeiten der Corona-Krise bringen möchte: Wichtiger noch als der Zeitraum, innerhalb dessen sich die Zahl der Covid-19-Fälle verdoppelt, wäre es zu wissen, wie viele Neuinfektionen es jeden Tag gibt. Die Neuerkrankungsrate oder Inzidenz ist ein Ausdruck aus der medizinischen Statistik. Man versteht darunter die Anzahl neu aufgetretener Krankheitsfälle innerhalb einer definierten Population in einem bestimmten Zeitraum. Normalerweise wird der zugrunde liegende Zeitraum in Monaten oder Jahren gewählt. So beträgt die Inzidenz für Lungenkrebs 50 000 pro Jahr.

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Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey.

Hat man wie bei Lungenkrebs die Zeit, verschiedenste Informationsquellen heranzuziehen, z. B. Daten von Krankenkassen oder Gesundheitsämtern, kann man mit ziemlicher Genauigkeit das Neuauftreten bestimmter Diagnosen berechnen. Innerhalb des Gesundheitswesens kann man sich dann mit diesen Zahlen auseinandersetzen und z. B. Therapieangebote machen. Die Pharmaindustrie nutzt diese Daten, um die Rentabilität eines Entwicklungsprojektes, z. B. für Medikamente, abschätzen zu können. Die Krankenkasse braucht sie, um ihre voraussichtlichen Kosten zu kalkulieren.

Die verschiedenen Arten von Krebs treten mit einer gewissen Regelmäßigkeit auf. Sie sind aber im Vergleich mit einer sich schnell ausbreitenden Massenerkrankung wie Covid-19 relativ selten. Bei Epidemien wie Covid-19 braucht man realitätsnahe Schätzungen der Entwicklung mit mindestens täglicher Aktualisierung. Um das genau zu erfassen, müsste man alle in Deutschland lebenden Menschen testen und zwar jeden Tag. Es ist offensichtlich, dass dies völlig utopisch ist.

Für Covid-19 hat man zudem noch wenig Erfahrungswerte über die tatsächlichen Ausbreitungswege. Bis zum heutigen Zeitpunkt hat man daher nur sehr vage Vorstellungen, wie und wo man einer besonderen Gefahr ausgesetzt ist, sich anzustecken. Deshalb ist es extrem schwierig, Modellrechnungen zu erstellen, die das Infektionsgeschehen wirklich realitätsnahe abbilden.

So ist beispielsweise meine Schätzung der Infektionen auf der Basis der Sterberate im Grunde ca. 2 – 3 Wochen hinter der Zeit. Dennoch erlaubt sie eine Näherung an die wirklichen Zahlen. Von gestern auf heute (06/07.04.2020) sind 173 Personen verstorben. Die haben sich wahrscheinlich vor ca. 3 Wochen angesteckt. Ich gehe – willkürlich – von einer Sterberate von 0,5 % aus. Danach hätten sich am 17. März ca. 34 600 Menschen mit SARS-CoV 2 infiziert. Diese Zahl wiederum könnte man zu der Zahl in Beziehung setzen, die an diesem Tag positiv getestet wurden. Wenn sich die Häufigkeit und regionale Verteilung der Testungen nicht geändert hat, kann man die Dunkelziffer einschätzen und so eine etwaige Vorstellung über die Dimension der tatsächlichen Neuinfektionen bekommen. Für den 17. März gibt das Robert-Koch-Institut ca. 4200 gemeldete Infektionen an. Man würde nach dieser Rechnung also etwa ein Achtel der tatsächlichen Neuinfektionen erfassen.

Von gestern auf heute (06. - 07.04 Quelle Tagesschau.de) wurden 3251 Neuinfektionen erfasst. Wenn das einem Achtel der tatsächlichen Infektionen entspräche, hätten sich gestern noch 26 000 Personen mit dem Coronavirus infiziert. Am 19.04. würden von diesen 26000 gestern Neuinfizierten 3900 ins Krankenhaus kommen und 1300 auf die Intensivstation. 130 Menschen würden sterben. Das sind deutlich weniger als vor 3 Wochen, aber immer noch zu viele, um die Restriktionen zu lockern. Zuvor muss erreicht werden, den Anstieg der Fallzahlen so weit zu drücken, dass man wieder genau nachverfolgen kann, wer wen wann und wo infiziert hat. In diesem Fall würden die Betroffenen wieder unter Quarantäne gestellt, so wie es zu Beginn der Epidemie in Deutschland in Bayern bei Webasto und im Kreis Heinsberg in Nordrhein-Westfalen der Fall gewesen ist. Dieser Zeitpunkt wird aber von Region zu Region unterschiedlich sein. Aktuell breitet sich das Virus in den Großstädten viel schneller aus als etwa auf dem Land an der Küste. Während Österreich, Norwegen und Island schon deutlich weiter sind als wir in Deutschland, scheint den Schweden ihre bisher sehr laxe Coronapolitik zunehmend aus dem Ruder zu laufen.

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Bei aller Vorsicht kann man eine allmähliche Entspannung im Infektionsgeschehen beobachten. Außerdem scheint sich, gestützt durch eine intensive wissenschaftliche Begleitung, die Planungsbasis für Exit-Szenarien zu verbessern. Die von Vorsicht und Verantwortung getragene Balance bei den Exit-Strategien der zuständigen politischen Gremien gibt Anlass zu ein wenig Optimismus. hier geht es zum ersten Teil der Reihe

| Autor: Dr. Gerd Dunkhase von Hinckeldey