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Laut Gutachten des Landeskriminalamts „ohne Beschädigung technisch unüberwindbar

Angeklagte Sparkassen-Kassiererin verurteilt

Die Strafkammer des Amtsgerichts Herne unter Vorsitz von Direktos Klaus Schrüfer hat am Mittwoch (22.5.2019) erstinstanzlich einen Schlussstrich unter das Verschwinden von 115.000 Euro am Morgen des 28. Mai 2015 in der Sparkassenfiliale Baukau an der Germanenstraße 77 gezogen. Nach sieben Verhandlungstagen mit der Vernehmung von über 20 Zeugen der Bundesbank, Polizei und Kriminalpolizei, Sparkasse, des Geldtransport-Unternehmens Westfälischer Wachschutz (WWS) und drei Familienangehörigen hat das Gericht die damalige Kassiererin in einem Indizienprozess zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt. Die seit 1991 bei der Sparkasse beschäftigte Frau, die nach ihrer fristlosen „Verdachtskündigung“ 2016 alle Instanzen der Arbeitsgerichtsbarkeit beschäftigte, kam nach Würdigung der umfangreichen Beweisaufnahme durch die vierköpfige Strafkammer als Einzige für die Mitnahme des Geldes aus der Filiale infrage.

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Eine entscheidende Rolle spielte dabei die im Geldverkehr mit Banken von der Bundesbank verwendete Geld-Box-Sicherheitsplombe U 5, von einem Gutachter des Landeskriminamts, der sein Gutachten nach drei Verhandlungen ausführlich erläuterte, als „technisch ohne Beschädigung unüberwindbar“ eingestuft wurde. Und diese Plombe war nach Auffassung des Gerichts nach Vorführung von Videos der Bundesbank vom Verpacken, Versiegeln, Unterbringung im Nachttresor sowie Entgegennahme durch die Geldtransporteure „unversehrt beim Empfänger angekommen.“ Zwischen 9:41 und 10:03 Uhr stand die Geld-Box ungeöffnet im Kassenbereich der kleinen Filiale, ehe sie von der Kassiererin, die sich später wegen dieser Zeit auf Buchungen für Kunden berief, unter Missachtung des Vier-Augen-Prinzips geöffnet wurde. Der Inhalt: Kindernahrung der Marke Milupa sowie Frosch-Reinigungsmittel Aloe-Vera mit einem der Geldmenge von 2.300 Fünfzigern (2,12 kg) bis auf 62 Gramm entsprechenden Gewicht von 1,95 Kilo. Die Kassiererin rief ihren Kollegen mit „Komm, sieh dir das mal an“ und später die Filialleiterin, die dann durch Anruf in der Hauptstelle bei der Revision zunächst interne Ermittlungen und dann auch noch polizeiliche Schritte einschließlich einer Durchsuchung der Wohnung der Kassiererin aber auch der beiden Geldfahrer in Gang setzte.

Nach Auffassung der Kammer war zu diesem Zeitpunkt bereits der Verlust durch die Mitnahme von 115.000 Euro schon längst eingetreten. Nach Öffnen der Geldbox durch Entfernung der Plombe habe die Kassiererin die beiden Pakete von je 50.000 Euro und drei Bündel von jeweils 5.000 Euro in die Kasse gelegt und den etwa gleichgewichtigen Ersatz in der Box deponiert. Ein Sekundenvorgang „von nicht mal einer Minute“, wie schon Staatsanwalt Carl in seinem Plädoyer auch zur Überzeugung der Kammer begründet hatte. Eine nach dem Vorfall mit der Kassenaufnahme betraute Kollegin erinnerte sich 2017 während eines Berichts zur „Rekonstruktuon des Tathergangs“ daran, damals in der Kasse diese eingeschweißten Pakete beziehungsweis mit schwarzen Banderolen umwickelten Bündel in der Kasse gesehen zu haben. Dieses Geld stammte nach Darstellung der Angeklagten allerdings aus dem Tresor, aus dem sie es morgens vor Eintreffen des Geldtransports zum Sortieren in der Kasse genommen habe. Mit dem angelieferten Geld wäre danach das Defizit im Tresor trotz leerer Geldbox wieder auf dem Stand des Vorabends gewesen.

Weiterer Punkt, so die Kammer, sei auch das Beharren auf einer Bestellung von 115.000 Euro gewesen, obwohl die unverbindliche Empfehlung des sogenannten „Cash-Managements“ bei 48.000 Euro lag. Dabei habe es eine von der Angeklagten geschilderte Absprache mit der Filialleiterin zur Höhe der Summe nach deren Aussage nicht gegeben. Der Verstoß gegen das Öffnen von Geld-Boxen nach dem Vier-Augen-Prinzip, das die Angeklagte nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit als Kassiererin 2014 nicht gekannt haben will, blieb in der Urteilsbegründung auch nicht ohne Bewertung. Die Angeklagte sei schon 2008 in einen Fall von verschwundenen 10.000 Euro involviert gewesen. Das war nach Öffnen einer Geld-Box durch die Frau und einen Kollegen aufgefallen, weil ein Päckchen mit hundert Hundertern fehlte. „Damit war sie doch schon ein gebranntes Kind und wusste um die Bedeutung dieses Vier-Augen-Prinzips“, so Richter Schrüfer. Wäre das am 28. Mai 2015 auch beachtet worden, „säßen wir heute nicht hier.“

Zusammenfassend wies das Gericht auf eine „erhebliche kriminelle Energie“ hin, die auch nicht davor Halt gemacht hätte, beispielsweise die Geldtransporteure in den Fokus der Ermittlungen zu rücken. Dazu knapp dreißig Einzahlungen auf eigene und fremde Konten im zweiten Halbjahr 2015 von insgesamt 28.000 Euro in kleinen und größeren Beträgen trotz „angehäufter Schulden“ von allein fast 15.000 Euro auf dem eigenen Girokonto. Bei den verschiedenen Einzahlungen habe sie sich nichts gedacht, ließ sich die von Rechtsanwalt Udo Duits verteidigte Angeklagte im Verfahren ein. Gleichzeitig Bewegung in einem fast ein Jahr nicht genutzten Schließfach, in dem sich einen Tag vor dem Verschwinden der 115.000 Euro drei Umschläge mit insgesamt 37.800 Euro befanden, von denen ein halbes Jahr später auch nur noch die dann beschlagnahmten 5.800 Euro befanden.

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Strafmildernde Umstände gebe es nicht, so der Kammervorsitzende, obwohl die letzten vier Jahre für die Angeklagte wohl belastend gewesen wären. Mit dem Strafmaß, dass sich für solche Fälle zwischen sechs Monaten und zehn Jahren bewegt, bleibe das Gericht trotz der „Schwere der Tat wegen des Missbrauchs einer absoluten Vertrauensstellung und der Höhe der Summe“ mit 33 Monaten noch im unteren Rahmen. Das Strafmaß beinhalte aber auch die von der Staatsanwaltschaft beantragte Einziehung des Vermögens der Angeklagten zugunsten der Sparkasse. Verteidiger Duits, der durch dieses Urteil das für Indizienprozesse gültige „Zweifelsprinzip“ verletzt sah, kündigte halloherne gegenüber Berufung an. (AZ 8 Ls 28/17)

| Autor: Helge Kondring