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"Syrien ist eine ganz große Hausnummer"

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, dessen Gerichtsbezirk außer den Landkreisen Unna und Recklinghausen die kreisfreien Großstädte Bottrop, Bochum, Dortmund, Essen, Gelsenkirchen und Herne umfasst, "steht infolge der gestiegenen Flüchtlingszahlen vor seiner größten Herausforderung," wie es Gerichtspräsident Bernhard Fessler am Montag (16.1.2017) auf der Jahrespressekonferenz für 2016 in Gelsenkirchen formulierte.

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Und das konnte der Chef von 74 Richterinnen und Richtern in insgesamt 19 Kammern beim Thema "Eingänge von Klagen" auch anschaulich belegen. Danach stieg die Eingangszahl aller Verfahren im abgelaufenen Jahr auf 12.759, davon 9.415 Klagen und 3.344 Eilverfahren des vorläufigen Rechtsschutzes und lag um 50,6 Prozent höher als 2015. Den Löwenanteil

bildeten dabei die Asylverfahren mit 7.580 (5.772 und 1.808), gegenüber 3061 in 2015 sage und schreibe 147,6 Prozent mehr.

Fast ein Drittel davon entfielen auf das Bürgerkriegsland Syrien, "mit über 2.000 eine ganz große Hausnummer," so der Präsident. Das blieb nicht ohne Folgen auf die Geschäftsverteilung. War es bis Ende März 2016 nur eine für Syrien zuständige Kammer, waren es danach bereits vier. Und 2017 kam die fünfte dazu. Das ging nicht ohne personelle

Unterstützung anderer Gerichte. Und so schickte das Oberlandesgericht Hamm aus seinem Bezirk drei Richter im Wege der Abordnung zur Verstärkung der Kollegen zum Verwaltungsgericht Gelsenkirchen. Zwei Amtsrichter aus Bochum und Recklinghausen sowie ein Richter vom Landgericht Paderborn werden nach entsprechender Einarbeitung am

Oberverwaltungsgericht in Münster die Syrien-Kammern verstärken und können aber auch ein Viertel ihrer Arbeit in andere Rechtsgebiete der jeweiligen Kammer investieren. Dazu kamen sieben neue Proberichter als Ersatz für in Elternzeit gegangene oder zu anderen Gerichten gewechselte Kolleginnen und Kollegen. "Etwa sechzig Prozent aller 2016 eingegangenen Verfahren waren damit Asylverfahren," stellte Präsident Fessler bei der Erläuterung der Zahlen fest.

Aber auch das: "Das Gericht ist zur Bewältigung der Verfahrenszahlen gut gerüstet, was sich nicht zuletzt in der deutlich gestiegenen Zahl erledigter Asylverfahren zeigt," so Fessler weiter. Außerdem konnten auch die durchschnittlichen Verfahrenslaufzeiten "trotz des

signifikanten Anstiegs der Eingangszahlen reduziert werden," wie es im Bericht von Pressedezernent Wolfgang Thewes weiter heißt. 2016 erledigte dasVverwaltungsgericht insgesamt 10.152 Verfahren, darunter 4.701 Asylverfahren, und lag damit 10,4 Prozent höher als 2015.

Dass auch der technische Fortschritt an der Justiz nicht vorbeigeht, beweist der jetzt schon zwischen Behörden und dem Gericht gängige Gebrauch des "elektronischen Briefkastens" mit der gegenseitigen Möglichkeit des digitalen Akteneinblicks. Daran müssen sich auch

Rechtsanwälte ab Januar 2018 gewöhnen. Und wenn man bedenkt, dass eine komplette Akte mit Anhörung eines Flüchtlings durch das Bundesamt für Migration auf dem kostspieligen und zeitlich oft nicht abzusehenden Postweg ans Verwaltungsgericht schon mal achtzig Papierseiten auf die Briefwaage bringen kann, kann man sich ausrechnen, wieviel Papier, Zeit und Portokosten in Zukunft eingespart werden können.

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Nach der Pressekonferenz begrüßte der Präsident noch einen Leistungskurs des Gelsenkirchener Max-Planck-Gymnasiums, der mit 33 ausdrucksstarken Fotografien zum Leitthema "(un)gerecht" eine Ausstellung zusammengestellt hatte, die in diesem Jahr im Eingangs- und Sitzungssaalbereich des Gerichts zu sehen ist. Präsident Fessler: "Der mit den Werken verbundene Anspruch, inhaltliche Bezüge zu den Aufgaben eines Verwaltungsgerichts herzustellen, ist in besonderer Weise gelungen."

| Autor: Helge Kondring