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Der Kalligraph der Stadt Herne - Bahtiyar Demircan

"Es ist mir eine Ehre"

Wenn sich Gäste in das Ehrenbuch der Stadt Herne eintragen, dann hat Bahtiyar Demircan im Vorfeld seine Arbeit bereits gemacht - mit Schreibfeder und Tusche. Auf jeder Seite des Buches, in dem sich sowohl Gäste der Stadt als auch verdiente Herner Bürger verewigen dürfen, ist die Handschrift von Demircan zu sehen. Der 51-Jährige beherrscht die Kunst des Schönschreibens von Hand - die Kalligraphie - und beschriftet jede Seite im Ehrenbuch für den jeweiligen Anlass. Sein wichtigstes Arbeits-Werkzeug: Bleistift, Lineal, Feder und Tusche.

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Demircan ist in der westlichen Türkei geboren und hat in Ankara Hydrogeologie studiert. Seine Eltern, die an der Schwarzmeerküste leben, hatten nicht das Geld, um das Studium ihres Sohnes zu finanzieren. Also jobbte der junge Bahityar in den Sommer-Semestern in Marmaris als Kellner und in den Winter-Semestern in Ankara, in einem kleinen Schildermaler-Laden. Beides war eine gute Wahl, wie sich später herausstellte: In Marmaris lernte er 1994 seine Frau Sylvia kennen, die dort ihren Sommerurlaub verbrachte, in Ankara brachte ihm der Besitzer des Ladens die Kunst des Schönschreibens bei.

Das Ehrenbuch der Stadt Herne

1995, nach der Hochzeit in der Türkei, siedelte das Paar nach Herne über und Bahtiyar bewarb sich ein ums andere Mal als Ingenieur der Hydrogeologie - fand aber keine Anstellung. Seine Frau, die als Altenpflegerin arbeitete, riet ihm zur Ausbildung als Altenpfleger. So besuchte er die Altenpflegeschule des DRK in Bochum. "Damals war ich der einzige türkischstämmige Mann dort", sagte Demircan nicht ohne Stolz. "Als ich mit der Ausbildung anfing, sprach ich kaum Deutsch. Die Arbeit mit den alten Menschen war aber optimal für mich, da sie ein hohes Mitteilungsbedürfnis haben." So lernte er - neben einem Sprachkurs in der VHS - die deutsche Sprache.

Das Ehrenbuch der Stadt Herne

In dieser Zeit fing Demircan das Malen wieder an und er sammelte schöne Sprüche, mit denen er die Wände des Altenheims verzierte. Über die VHS bekam er Kontakt zum Herner Künstlerbund und Reiner Glebsattel. Der empfahl ihn der Stadt Herne, als die einen Kalligraphen für das Goldene Buch der Stadt suchten. Auf die Anfrage des damaligen Oberbürgermeisters, Horst Schiereck, ob er die letzte Seite der Goldenen Buches der Stadt und auch das neue Ehrenbuch kalligraphisch gestalten würde, erbat sich Bahtiyar Demircan erst einmal Bedenkzeit. Über zehn Jahre hatte er nicht mehr Schöngeschrieben. Er kramte Feder und Tusche hervor und übte über eine Woche lang, dann sagte er zu. "Für mich ist es eine Ehre, dies tun zu dürfen", sagt Demircan.

Der Entwurf zum 25-jährigen Bestehen der Städtepartnerschaft Konin – Herne

"Es ist keine Aufgabe, die man mal so eben nebenbei erledigt", sagt er. "Aber Herne ist mittlerweile auch meine Stadt, hier fühle ich mich zuhause und die Arbeit erfüllt mich mit Stolz und hat eine große Bedeutung für mich." Für den letzten Auftrag, die Gestaltung der Seite für die Städtepartnerschaft mit Besiktas, hat Demircan rund 70 Stunden gebraucht. Der Text wird immer von der Stadt vorgegeben, die Gestaltung liegt in seiner Hand. Das bedeutet, dass er sich zunächst vor ein Übungsblatt setzt und mit Lineal und Bleistift Linien aufträgt. Ganz exakt müssen diese verlaufen, im richtigen Abstand zum oberen und unteren Rand und zueinander. Dann beginnt er die Buchstaben - die Schrift die er benutzt ist Bickham Script - mit Bleistift zwischen die Linien zu malen, bevor er sie mit Tusche nachzeichnet. Überzeugt ihn das Gesamtbild, beginnt die Arbeit im Ehrenbuch.

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Das Ehrenbuch der Stadt Herne

Während dieser Arbeit ruht er ganz in sich", sagt seine Frau Sylvia, "da kann ich ihn ruhig ansprechen, er reagiert nicht." "Ja", stimmt Bahtiyar ihr zu, "diese Arbeit erfüllt mich mit innerer Ruhe und hat einen fast meditativen Charakter. Zeit und Raum sind für kurze Zeit wie weggewischt." Leider werde diese Kunst immer weniger ausgeübt und gelehrt, sagt Demircan. "Aber, demnächst werde ich sie unserer Tochter Denise beibringen.

Das Arbeitsgerät des Kalligraphen der Stadt Herne
| Autor: Carola Quickels